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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von der Sprache als Zeichen betrachtet.
Sprachen neue Arten von Ableitungen sollten eingeführt
werden können. Wir merken zu diesem Ende an, daß
die bereits üblichen Ableitungssylben, eine ursprüngliche
Bedeutung haben, die aber im Deutschen zum Theil,
im Lateinischen fast durchaus verloren gegangen. Diese
ursprüngliche Bedeutung aber machte, daß die abgelei-
teten Wörter nicht anders aussahen, als die zusam-
mengesetzten, weil sie in der That auch zusammengesetzt
waren. Z. E. die Schlußsylbe: er, bedeutete ursprüng-
lich eben so viel als Mann. Daher ist das Wort
Krieger so viel als Kriegsmann. Die Sylbe bar
heißt so viel als tragend, daher fruchtbar so viel als
fruchttragend. Es ist demnach nur die Frage, in
Ansehung anderer Wörter den Rückweg zu nehmen,
welche allgemeine metaphysische Bestimmungen und
Verhältnißbegriffe vorstellen, und aus denselben eine
der alten deutschen Sprachart gemäße Ableitungssylbe
zu machen.

§. 132. Jn Ermanglung genugsamer Ableitungs-
sylben, und auch um die Wörter nicht allzulang zu ma-
chen, werden in den Sprachen eine Menge von Bey-
wörtern und Zuwörtern gebraucht, die man besonders
schreibt, ohne sie mit dem Wort, zu dessen genauern
Bestimmung sie dienen, zusammenzuhängen. Solle
aber dieser Unterschied auf seine wahre Gründe gebracht
werden, so muß man bey den Bestimmungen, Modifi-
cationen und Verhältnissen die trennbare von den
untrennbaren unterscheiden, und zwar beydes sowohl
in Ansehung der Sache selbst, als in Ansehung der
Vorstellung und Erkenntniß derselben. Eine Sache
mag Bestimmungen haben, die zwar nothwendig damit
verbunden sind, die wir aber nicht immer gleich wissen.
Solche Bestimmungen werden nun natürlicher Weise
dem Wort selbst nicht angehängt, weil es sich nur wür-
de gebrauchen lassen, wo uns die Bestimmung bekannt

ist.

Von der Sprache als Zeichen betrachtet.
Sprachen neue Arten von Ableitungen ſollten eingefuͤhrt
werden koͤnnen. Wir merken zu dieſem Ende an, daß
die bereits uͤblichen Ableitungsſylben, eine urſpruͤngliche
Bedeutung haben, die aber im Deutſchen zum Theil,
im Lateiniſchen faſt durchaus verloren gegangen. Dieſe
urſpruͤngliche Bedeutung aber machte, daß die abgelei-
teten Woͤrter nicht anders ausſahen, als die zuſam-
mengeſetzten, weil ſie in der That auch zuſammengeſetzt
waren. Z. E. die Schlußſylbe: er, bedeutete urſpruͤng-
lich eben ſo viel als Mann. Daher iſt das Wort
Krieger ſo viel als Kriegsmann. Die Sylbe bar
heißt ſo viel als tragend, daher fruchtbar ſo viel als
fruchttragend. Es iſt demnach nur die Frage, in
Anſehung anderer Woͤrter den Ruͤckweg zu nehmen,
welche allgemeine metaphyſiſche Beſtimmungen und
Verhaͤltnißbegriffe vorſtellen, und aus denſelben eine
der alten deutſchen Sprachart gemaͤße Ableitungsſylbe
zu machen.

§. 132. Jn Ermanglung genugſamer Ableitungs-
ſylben, und auch um die Woͤrter nicht allzulang zu ma-
chen, werden in den Sprachen eine Menge von Bey-
woͤrtern und Zuwoͤrtern gebraucht, die man beſonders
ſchreibt, ohne ſie mit dem Wort, zu deſſen genauern
Beſtimmung ſie dienen, zuſammenzuhaͤngen. Solle
aber dieſer Unterſchied auf ſeine wahre Gruͤnde gebracht
werden, ſo muß man bey den Beſtimmungen, Modifi-
cationen und Verhaͤltniſſen die trennbare von den
untrennbaren unterſcheiden, und zwar beydes ſowohl
in Anſehung der Sache ſelbſt, als in Anſehung der
Vorſtellung und Erkenntniß derſelben. Eine Sache
mag Beſtimmungen haben, die zwar nothwendig damit
verbunden ſind, die wir aber nicht immer gleich wiſſen.
Solche Beſtimmungen werden nun natuͤrlicher Weiſe
dem Wort ſelbſt nicht angehaͤngt, weil es ſich nur wuͤr-
de gebrauchen laſſen, wo uns die Beſtimmung bekannt

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[79/0085] Von der Sprache als Zeichen betrachtet. Sprachen neue Arten von Ableitungen ſollten eingefuͤhrt werden koͤnnen. Wir merken zu dieſem Ende an, daß die bereits uͤblichen Ableitungsſylben, eine urſpruͤngliche Bedeutung haben, die aber im Deutſchen zum Theil, im Lateiniſchen faſt durchaus verloren gegangen. Dieſe urſpruͤngliche Bedeutung aber machte, daß die abgelei- teten Woͤrter nicht anders ausſahen, als die zuſam- mengeſetzten, weil ſie in der That auch zuſammengeſetzt waren. Z. E. die Schlußſylbe: er, bedeutete urſpruͤng- lich eben ſo viel als Mann. Daher iſt das Wort Krieger ſo viel als Kriegsmann. Die Sylbe bar heißt ſo viel als tragend, daher fruchtbar ſo viel als fruchttragend. Es iſt demnach nur die Frage, in Anſehung anderer Woͤrter den Ruͤckweg zu nehmen, welche allgemeine metaphyſiſche Beſtimmungen und Verhaͤltnißbegriffe vorſtellen, und aus denſelben eine der alten deutſchen Sprachart gemaͤße Ableitungsſylbe zu machen. §. 132. Jn Ermanglung genugſamer Ableitungs- ſylben, und auch um die Woͤrter nicht allzulang zu ma- chen, werden in den Sprachen eine Menge von Bey- woͤrtern und Zuwoͤrtern gebraucht, die man beſonders ſchreibt, ohne ſie mit dem Wort, zu deſſen genauern Beſtimmung ſie dienen, zuſammenzuhaͤngen. Solle aber dieſer Unterſchied auf ſeine wahre Gruͤnde gebracht werden, ſo muß man bey den Beſtimmungen, Modifi- cationen und Verhaͤltniſſen die trennbare von den untrennbaren unterſcheiden, und zwar beydes ſowohl in Anſehung der Sache ſelbſt, als in Anſehung der Vorſtellung und Erkenntniß derſelben. Eine Sache mag Beſtimmungen haben, die zwar nothwendig damit verbunden ſind, die wir aber nicht immer gleich wiſſen. Solche Beſtimmungen werden nun natuͤrlicher Weiſe dem Wort ſelbſt nicht angehaͤngt, weil es ſich nur wuͤr- de gebrauchen laſſen, wo uns die Beſtimmung bekannt iſt.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/85>, abgerufen am 27.11.2024.