Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.Von der Sprache als Zeichen betrachtet. chen, scheint in die Benennung der Dinge einen gewis-sen Einfluß zu haben. Es giebt weichere, härtere, an- nehmlichere, und anstößigere Töne, die sich bey Em- psindung der Dinge, leichter darbieten, welche einen ähnlichen Eindruck in die Sinnen machen. Da indes- sen dieser Eindruck nicht bey allen Menschen gleich, noch gleich stark ist, so wird man auch diese Aehnlich- keit in den Sprachen nicht so durchgängig antreffen, besonders wo der Ursprung des Wortes, oder der erste Anlaß dazu, nicht mehr bekannt ist. Selbst die Bieg- samkeit der Zunge, mehrere und härtere Consonanten auszudrücken, mag viele Ausnahmen hierinn gemacht, und in verschiedenen Sprachen einerley Dinge mit ganz verschiedenen Namen belegt haben. Man sehe auch §. 18. 19. §. 121. Die Sprachen sind von der Algeber darinn änder- E 4
Von der Sprache als Zeichen betrachtet. chen, ſcheint in die Benennung der Dinge einen gewiſ-ſen Einfluß zu haben. Es giebt weichere, haͤrtere, an- nehmlichere, und anſtoͤßigere Toͤne, die ſich bey Em- pſindung der Dinge, leichter darbieten, welche einen aͤhnlichen Eindruck in die Sinnen machen. Da indeſ- ſen dieſer Eindruck nicht bey allen Menſchen gleich, noch gleich ſtark iſt, ſo wird man auch dieſe Aehnlich- keit in den Sprachen nicht ſo durchgaͤngig antreffen, beſonders wo der Urſprung des Wortes, oder der erſte Anlaß dazu, nicht mehr bekannt iſt. Selbſt die Bieg- ſamkeit der Zunge, mehrere und haͤrtere Conſonanten auszudruͤcken, mag viele Ausnahmen hierinn gemacht, und in verſchiedenen Sprachen einerley Dinge mit ganz verſchiedenen Namen belegt haben. Man ſehe auch §. 18. 19. §. 121. Die Sprachen ſind von der Algeber darinn aͤnder- E 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0077" n="71"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Sprache als Zeichen betrachtet.</hi></fw><lb/> chen, ſcheint in die Benennung der Dinge einen gewiſ-<lb/> ſen Einfluß zu haben. Es giebt weichere, haͤrtere, an-<lb/> nehmlichere, und anſtoͤßigere Toͤne, die ſich bey Em-<lb/> pſindung der Dinge, leichter darbieten, welche einen<lb/> aͤhnlichen Eindruck in die Sinnen machen. Da indeſ-<lb/> ſen dieſer Eindruck nicht bey allen Menſchen gleich,<lb/> noch gleich ſtark iſt, ſo wird man auch dieſe Aehnlich-<lb/> keit in den Sprachen nicht ſo durchgaͤngig antreffen,<lb/> beſonders wo der Urſprung des Wortes, oder der erſte<lb/> Anlaß dazu, nicht mehr bekannt iſt. Selbſt die Bieg-<lb/> ſamkeit der Zunge, mehrere und haͤrtere Conſonanten<lb/> auszudruͤcken, mag viele Ausnahmen hierinn gemacht,<lb/> und in verſchiedenen Sprachen einerley Dinge mit ganz<lb/> verſchiedenen Namen belegt haben. Man ſehe auch<lb/> §. 18. 19.</p><lb/> <p>§. 121. Die Sprachen ſind von der Algeber darinn<lb/> verſchieden, daß dieſe letztere Wiſſenſchaft nur wenige<lb/> Zeichen von beſtaͤndiger und immer beybehaltener Be-<lb/> deutung hat, da hingegen die Woͤrter der Sprachen<lb/> ungefaͤhr wie die Zeichen der Zahlen, ihre Bedeutung<lb/> behalten ſollen, wenn man anders im Reden und<lb/> Schreiben verſtaͤndlich bleiben will. So unveraͤnder-<lb/> lich ſind zwar nun die wirklichen Sprachen nicht durch-<lb/> aus, indeſſen aber aͤndern ſie ſich auch nicht ſo, daß<lb/> man von einem Tag zum andern eine neue Sprache<lb/> haͤtte. Es giebt immer eine gute Menge von Din-<lb/> gen, die man nicht mit einander verwechſeln kann, ohne<lb/> den Jrrthum leicht zu erkennen, und deren Namen<lb/> gleichſam die Grundlage und der Maaßſtab von dem<lb/> Fortdauernden und Feſtgeſetzten in den Sprachen ſind<lb/> (§. 138. Alethiol.). Nach dieſen muͤßten ſich die uͤbri-<lb/> gen Woͤrter richten, wenn eine neuaufkommende Spra-<lb/> che im Beharrungsſtande bleiben ſolle. Wir haben in<lb/> der Dianoiologie und Alethiologie hin und wieder An-<lb/> laͤße gehabt, dieſen Unterſchied des Beſtaͤndigen und Ver-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">E 4</fw><fw place="bottom" type="catch">aͤnder-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0077]
Von der Sprache als Zeichen betrachtet.
chen, ſcheint in die Benennung der Dinge einen gewiſ-
ſen Einfluß zu haben. Es giebt weichere, haͤrtere, an-
nehmlichere, und anſtoͤßigere Toͤne, die ſich bey Em-
pſindung der Dinge, leichter darbieten, welche einen
aͤhnlichen Eindruck in die Sinnen machen. Da indeſ-
ſen dieſer Eindruck nicht bey allen Menſchen gleich,
noch gleich ſtark iſt, ſo wird man auch dieſe Aehnlich-
keit in den Sprachen nicht ſo durchgaͤngig antreffen,
beſonders wo der Urſprung des Wortes, oder der erſte
Anlaß dazu, nicht mehr bekannt iſt. Selbſt die Bieg-
ſamkeit der Zunge, mehrere und haͤrtere Conſonanten
auszudruͤcken, mag viele Ausnahmen hierinn gemacht,
und in verſchiedenen Sprachen einerley Dinge mit ganz
verſchiedenen Namen belegt haben. Man ſehe auch
§. 18. 19.
§. 121. Die Sprachen ſind von der Algeber darinn
verſchieden, daß dieſe letztere Wiſſenſchaft nur wenige
Zeichen von beſtaͤndiger und immer beybehaltener Be-
deutung hat, da hingegen die Woͤrter der Sprachen
ungefaͤhr wie die Zeichen der Zahlen, ihre Bedeutung
behalten ſollen, wenn man anders im Reden und
Schreiben verſtaͤndlich bleiben will. So unveraͤnder-
lich ſind zwar nun die wirklichen Sprachen nicht durch-
aus, indeſſen aber aͤndern ſie ſich auch nicht ſo, daß
man von einem Tag zum andern eine neue Sprache
haͤtte. Es giebt immer eine gute Menge von Din-
gen, die man nicht mit einander verwechſeln kann, ohne
den Jrrthum leicht zu erkennen, und deren Namen
gleichſam die Grundlage und der Maaßſtab von dem
Fortdauernden und Feſtgeſetzten in den Sprachen ſind
(§. 138. Alethiol.). Nach dieſen muͤßten ſich die uͤbri-
gen Woͤrter richten, wenn eine neuaufkommende Spra-
che im Beharrungsſtande bleiben ſolle. Wir haben in
der Dianoiologie und Alethiologie hin und wieder An-
laͤße gehabt, dieſen Unterſchied des Beſtaͤndigen und Ver-
aͤnder-
E 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |