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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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II. Hauptstück.
che des Wortes hört, in eben der Ordnung
schreiben müsse,
wenn nicht der Gebrauch zu re-
den und andere Hindernisse im Wege stünden. Die
erste ist, daß wir für die einfachen Selbstlaute nicht ge-
nug, für einige Mitlaute überflüßig Zeichen haben,
und überdieß noch Selbstlaute und Doppellaute, im-
gleichen zusammengesetzte Mitlauter mit einfachen ver-
wechseln (§. 75. seqq.). Jn einigen Sprachen, und be-
sonders in der Französischen und Engländischen, weicht
man noch mehr ab, weil man weder alle Buchstaben,
noch alle immer auf gleiche Art ausspricht, und daher
ganz anders liest, als man schreibt. Die Jtaliener und
Deutschen haben wenigstens einige Provinzen, deren
Aussprache, in Ermangelung anderer Regeln, zum Mu-
ster im Schreiben genommen wird, weil ihre Einwoh-
ner auch die übrigen Wörter nach dem Buchstaben
aussprechen, so viel nämlich die vorhin angeführten Ab-
weichungen in der Bezeichnung der Buchstaben zulas-
sen. Jndessen ist dieses nicht so ausgemacht, daß nicht
noch Unbestimmtes und Willkührliches zurücke bliebe.
Die Abwechslung in der Aussprache trägt auch vieles
dazu bey, und scheint in ihrem ersten Anfange von ge-
wissen Unbiegsamkeiten der Zunge herzurühren, die bey
jedem Menschen ihre besondere Stufen hat. So giebt
es auch Neuerungen in der Aussprache, und in meh-
rern andern Theilen der Sprache, die man unvermerkt
nachahmt, weil sie das erstemal, und öfters aus Neben-
umständen, das Glück hatten, zu gefallen.

§. 98. Die Ordnung im Schreiben fordert zwar,
daß die Buchstaben und Wörter so auf einander
folgen, wie im Reden. Es bleibt aber das willkühr-
lich dabey, daß man den Anfang vorn oder hinten,
oben oder unten setzen kann. Daher schreiben die Chi-
neser von hinten angefangen herunterwärts, die He-
bräer von hinten angefangen vorwärts, die Griechen,

Latei-

II. Hauptſtuͤck.
che des Wortes hoͤrt, in eben der Ordnung
ſchreiben muͤſſe,
wenn nicht der Gebrauch zu re-
den und andere Hinderniſſe im Wege ſtuͤnden. Die
erſte iſt, daß wir fuͤr die einfachen Selbſtlaute nicht ge-
nug, fuͤr einige Mitlaute uͤberfluͤßig Zeichen haben,
und uͤberdieß noch Selbſtlaute und Doppellaute, im-
gleichen zuſammengeſetzte Mitlauter mit einfachen ver-
wechſeln (§. 75. ſeqq.). Jn einigen Sprachen, und be-
ſonders in der Franzoͤſiſchen und Englaͤndiſchen, weicht
man noch mehr ab, weil man weder alle Buchſtaben,
noch alle immer auf gleiche Art ausſpricht, und daher
ganz anders lieſt, als man ſchreibt. Die Jtaliener und
Deutſchen haben wenigſtens einige Provinzen, deren
Ausſprache, in Ermangelung anderer Regeln, zum Mu-
ſter im Schreiben genommen wird, weil ihre Einwoh-
ner auch die uͤbrigen Woͤrter nach dem Buchſtaben
ausſprechen, ſo viel naͤmlich die vorhin angefuͤhrten Ab-
weichungen in der Bezeichnung der Buchſtaben zulaſ-
ſen. Jndeſſen iſt dieſes nicht ſo ausgemacht, daß nicht
noch Unbeſtimmtes und Willkuͤhrliches zuruͤcke bliebe.
Die Abwechslung in der Ausſprache traͤgt auch vieles
dazu bey, und ſcheint in ihrem erſten Anfange von ge-
wiſſen Unbiegſamkeiten der Zunge herzuruͤhren, die bey
jedem Menſchen ihre beſondere Stufen hat. So giebt
es auch Neuerungen in der Ausſprache, und in meh-
rern andern Theilen der Sprache, die man unvermerkt
nachahmt, weil ſie das erſtemal, und oͤfters aus Neben-
umſtaͤnden, das Gluͤck hatten, zu gefallen.

§. 98. Die Ordnung im Schreiben fordert zwar,
daß die Buchſtaben und Woͤrter ſo auf einander
folgen, wie im Reden. Es bleibt aber das willkuͤhr-
lich dabey, daß man den Anfang vorn oder hinten,
oben oder unten ſetzen kann. Daher ſchreiben die Chi-
neſer von hinten angefangen herunterwaͤrts, die He-
braͤer von hinten angefangen vorwaͤrts, die Griechen,

Latei-
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[60/0066] II. Hauptſtuͤck. che des Wortes hoͤrt, in eben der Ordnung ſchreiben muͤſſe, wenn nicht der Gebrauch zu re- den und andere Hinderniſſe im Wege ſtuͤnden. Die erſte iſt, daß wir fuͤr die einfachen Selbſtlaute nicht ge- nug, fuͤr einige Mitlaute uͤberfluͤßig Zeichen haben, und uͤberdieß noch Selbſtlaute und Doppellaute, im- gleichen zuſammengeſetzte Mitlauter mit einfachen ver- wechſeln (§. 75. ſeqq.). Jn einigen Sprachen, und be- ſonders in der Franzoͤſiſchen und Englaͤndiſchen, weicht man noch mehr ab, weil man weder alle Buchſtaben, noch alle immer auf gleiche Art ausſpricht, und daher ganz anders lieſt, als man ſchreibt. Die Jtaliener und Deutſchen haben wenigſtens einige Provinzen, deren Ausſprache, in Ermangelung anderer Regeln, zum Mu- ſter im Schreiben genommen wird, weil ihre Einwoh- ner auch die uͤbrigen Woͤrter nach dem Buchſtaben ausſprechen, ſo viel naͤmlich die vorhin angefuͤhrten Ab- weichungen in der Bezeichnung der Buchſtaben zulaſ- ſen. Jndeſſen iſt dieſes nicht ſo ausgemacht, daß nicht noch Unbeſtimmtes und Willkuͤhrliches zuruͤcke bliebe. Die Abwechslung in der Ausſprache traͤgt auch vieles dazu bey, und ſcheint in ihrem erſten Anfange von ge- wiſſen Unbiegſamkeiten der Zunge herzuruͤhren, die bey jedem Menſchen ihre beſondere Stufen hat. So giebt es auch Neuerungen in der Ausſprache, und in meh- rern andern Theilen der Sprache, die man unvermerkt nachahmt, weil ſie das erſtemal, und oͤfters aus Neben- umſtaͤnden, das Gluͤck hatten, zu gefallen. §. 98. Die Ordnung im Schreiben fordert zwar, daß die Buchſtaben und Woͤrter ſo auf einander folgen, wie im Reden. Es bleibt aber das willkuͤhr- lich dabey, daß man den Anfang vorn oder hinten, oben oder unten ſetzen kann. Daher ſchreiben die Chi- neſer von hinten angefangen herunterwaͤrts, die He- braͤer von hinten angefangen vorwaͤrts, die Griechen, Latei-

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/66>, abgerufen am 23.11.2024.