Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.II. Hauptstück. für jeden Buchstab schlechthin ein Zeichen wählt, so istes wohl möglich, eine solche verborgene Schrift zu le- sen, ohne den Schlüssel dazu von ihrem Urheber entleh- nen zu dürfen. Wie man es anzugreifen habe, wird in der Dechiffrirkunst gewiesen. Diese Wissenschaft ist schlechthin eine Anwendung einer viel allgemeinern analytischen Aufgabe, nämlich: Wenn eine nach Regeln gemachte Sache gegeben, die Regeln zu finden, nach denen sie gemacht worden, oder hätte können gemacht werden. Wir ha- ben bereits in der Dianoiologie bey der Betrachtung der Hypothesen davon Erwähnung gethan (§. 555. feqq.). §. 95. Ferner kann man sich ein Alphabet und Zei- §. 96. Man kann ferner auch auf die Schönheit auch
II. Hauptſtuͤck. fuͤr jeden Buchſtab ſchlechthin ein Zeichen waͤhlt, ſo iſtes wohl moͤglich, eine ſolche verborgene Schrift zu le- ſen, ohne den Schluͤſſel dazu von ihrem Urheber entleh- nen zu duͤrfen. Wie man es anzugreifen habe, wird in der Dechiffrirkunſt gewieſen. Dieſe Wiſſenſchaft iſt ſchlechthin eine Anwendung einer viel allgemeinern analytiſchen Aufgabe, naͤmlich: Wenn eine nach Regeln gemachte Sache gegeben, die Regeln zu finden, nach denen ſie gemacht worden, oder haͤtte koͤnnen gemacht werden. Wir ha- ben bereits in der Dianoiologie bey der Betrachtung der Hypotheſen davon Erwaͤhnung gethan (§. 555. feqq.). §. 95. Ferner kann man ſich ein Alphabet und Zei- §. 96. Man kann ferner auch auf die Schoͤnheit auch
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II. Hauptſtuͤck.
fuͤr jeden Buchſtab ſchlechthin ein Zeichen waͤhlt, ſo iſt
es wohl moͤglich, eine ſolche verborgene Schrift zu le-
ſen, ohne den Schluͤſſel dazu von ihrem Urheber entleh-
nen zu duͤrfen. Wie man es anzugreifen habe, wird
in der Dechiffrirkunſt gewieſen. Dieſe Wiſſenſchaft
iſt ſchlechthin eine Anwendung einer viel allgemeinern
analytiſchen Aufgabe, naͤmlich: Wenn eine nach
Regeln gemachte Sache gegeben, die Regeln
zu finden, nach denen ſie gemacht worden,
oder haͤtte koͤnnen gemacht werden. Wir ha-
ben bereits in der Dianoiologie bey der Betrachtung
der Hypotheſen davon Erwaͤhnung gethan (§. 555.
feqq.).
§. 95. Ferner kann man ſich ein Alphabet und Zei-
chen waͤhlen, um das, welches man ſchreiben will, am
geſchwindeſten ſchreiben zu koͤnnen, ſo, daß man darinn
dem Redenden gleich oder gar zuvorkomme. Die Wiſ-
ſenſchaft, die dieſes lehrt, heißt die Tachygraphie.
Sie giebt die Zeichen, die am einfachſten, am leichte-
ſten zu ſchreiben und an einander zu haͤngen ſind, in-
gleichen die ſchicklichſten Abkuͤrzungen der Woͤrter an,
und richtet alles dieſes ſo ein, daß man eben nicht mehr
Zeit gebrauchen muͤſſe, ſich auf die Zeichen zu beſinnen,
als es gebrauchte, um mit der gewoͤhnlichen und von
Jugend auf erlernten Schrift zu ſchreiben.
§. 96. Man kann ferner auch auf die Schoͤnheit
der Schriften ſehen, nicht nur daß ſie leslich ſeyn,
ſondern mit ihren Nebenzierrathen wohl in das Auge
fallen. Hierinn ſcheint es die lateiniſche Schrift allen
andern zuvor zu thun. Die Wiſſenſchaft oder Kunſt,
ſchoͤn zu ſchreiben, heißt die Calligraphie. Sie ſoll
angeben, wie die Buchſtaben nach dem natuͤrlichen Zu-
ge der Hand und Feder ungezwungen, ſymmetriſch,
einfach, genugſam verſchieden ꝛc. geſchrieben werden
koͤnnen. Dieſen Bedingungen hat Hr. Prof. Spreng
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