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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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II. Hauptstück.

§. 75. Diese unterschiedene Töne bemerkt man in
einigen Sprachen durch Accente, oder auch durch Zu-
sammensetzung mehrerer Vocalen. Da sie aber auf
eine vernehmliche Art von einander verschieden und ein-
fach sind, so sollte jeder seinen ihm eigenen Buchstaben
haben. Es ist daher ein Mangel der Schriften, daß
wir für diese 17 und vielleicht noch mehr auf eine ver-
nehmliche Art von einander verschiedene Töne oder
Selbstlaute nur die sechs Zeichen a, e, i, o, u, y, haben,
und die griechische Sprache nur um das y reicher ist.

§. 76. Hätten wir aber solche Zeichen für jede Töne
der Selbstlaute, so würden sich auch die Doppellaute,
Diphtongi, wo nämlich zween oder mehree Vocalen
vernehmlich unterschieden werden, vollständig schreiben
können, indem man die Vocalen in der Ordnung, wie
sie ausgesprochen werden, nach einander setzt. Z. E. Die
erste Sylbe in dem Wort Kaiser, würde die Zeichen
der Vocalen No. 3 und 9 haben, und die Wörter
Mayn, Hayn, Stein etc. eben so geschrieben werden.
Der Doppellaut in Läufer wäre No. 3 und 10, in
häufen No. 4 und 10, in huy No. 14 und 9, in
Brauch No. 1 und 12, etc. Bey diesem Vorrathe von
Zeichen würde die Ortographie gewinnen, und jede
Sprache nach ihrer Aussprache geschrieben werden
können.

§. 77. Die Mitlauter oder Consonanten theilen
sich in einfache und zusammengesetzte. Von den erstern
haben wir Zeichen für folgende dreyzehn:
b, d, f, g, h, l, m, n, r, s, w, kh kh,
zu welchen vielleicht noch das griechische ph als ein Mit-
telton zwischen f und bh, und das engländische th, wel-
ches aus d, h, s, zusammengezischt wird, kommen könnte.
Ob aber die Gliedmaßen der Sprache nicht noch meh-
rere Consonanten möglich seyn lassen, läßt sich nicht
wohl anders entscheiden, als wenn man solche in ganz

frem-
II. Hauptſtuͤck.

§. 75. Dieſe unterſchiedene Toͤne bemerkt man in
einigen Sprachen durch Accente, oder auch durch Zu-
ſammenſetzung mehrerer Vocalen. Da ſie aber auf
eine vernehmliche Art von einander verſchieden und ein-
fach ſind, ſo ſollte jeder ſeinen ihm eigenen Buchſtaben
haben. Es iſt daher ein Mangel der Schriften, daß
wir fuͤr dieſe 17 und vielleicht noch mehr auf eine ver-
nehmliche Art von einander verſchiedene Toͤne oder
Selbſtlaute nur die ſechs Zeichen a, e, i, o, u, y, haben,
und die griechiſche Sprache nur um das y reicher iſt.

§. 76. Haͤtten wir aber ſolche Zeichen fuͤr jede Toͤne
der Selbſtlaute, ſo wuͤrden ſich auch die Doppellaute,
Diphtongi, wo naͤmlich zween oder mehree Vocalen
vernehmlich unterſchieden werden, vollſtaͤndig ſchreiben
koͤnnen, indem man die Vocalen in der Ordnung, wie
ſie ausgeſprochen werden, nach einander ſetzt. Z. E. Die
erſte Sylbe in dem Wort Kaiſer, wuͤrde die Zeichen
der Vocalen No. 3 und 9 haben, und die Woͤrter
Mayn, Hayn, Stein ꝛc. eben ſo geſchrieben werden.
Der Doppellaut in Laͤufer waͤre No. 3 und 10, in
haͤufen No. 4 und 10, in huy No. 14 und 9, in
Brauch No. 1 und 12, ꝛc. Bey dieſem Vorrathe von
Zeichen wuͤrde die Ortographie gewinnen, und jede
Sprache nach ihrer Ausſprache geſchrieben werden
koͤnnen.

§. 77. Die Mitlauter oder Conſonanten theilen
ſich in einfache und zuſammengeſetzte. Von den erſtern
haben wir Zeichen fuͤr folgende dreyzehn:
b, d, f, g, h, l, m, n, r, s, w, χ χ,
zu welchen vielleicht noch das griechiſche φ als ein Mit-
telton zwiſchen f und bh, und das englaͤndiſche th, wel-
ches aus d, h, s, zuſammengeziſcht wird, kommen koͤnnte.
Ob aber die Gliedmaßen der Sprache nicht noch meh-
rere Conſonanten moͤglich ſeyn laſſen, laͤßt ſich nicht
wohl anders entſcheiden, als wenn man ſolche in ganz

frem-
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[48/0054] II. Hauptſtuͤck. §. 75. Dieſe unterſchiedene Toͤne bemerkt man in einigen Sprachen durch Accente, oder auch durch Zu- ſammenſetzung mehrerer Vocalen. Da ſie aber auf eine vernehmliche Art von einander verſchieden und ein- fach ſind, ſo ſollte jeder ſeinen ihm eigenen Buchſtaben haben. Es iſt daher ein Mangel der Schriften, daß wir fuͤr dieſe 17 und vielleicht noch mehr auf eine ver- nehmliche Art von einander verſchiedene Toͤne oder Selbſtlaute nur die ſechs Zeichen a, e, i, o, u, y, haben, und die griechiſche Sprache nur um das y reicher iſt. §. 76. Haͤtten wir aber ſolche Zeichen fuͤr jede Toͤne der Selbſtlaute, ſo wuͤrden ſich auch die Doppellaute, Diphtongi, wo naͤmlich zween oder mehree Vocalen vernehmlich unterſchieden werden, vollſtaͤndig ſchreiben koͤnnen, indem man die Vocalen in der Ordnung, wie ſie ausgeſprochen werden, nach einander ſetzt. Z. E. Die erſte Sylbe in dem Wort Kaiſer, wuͤrde die Zeichen der Vocalen No. 3 und 9 haben, und die Woͤrter Mayn, Hayn, Stein ꝛc. eben ſo geſchrieben werden. Der Doppellaut in Laͤufer waͤre No. 3 und 10, in haͤufen No. 4 und 10, in huy No. 14 und 9, in Brauch No. 1 und 12, ꝛc. Bey dieſem Vorrathe von Zeichen wuͤrde die Ortographie gewinnen, und jede Sprache nach ihrer Ausſprache geſchrieben werden koͤnnen. §. 77. Die Mitlauter oder Conſonanten theilen ſich in einfache und zuſammengeſetzte. Von den erſtern haben wir Zeichen fuͤr folgende dreyzehn: b, d, f, g, h, l, m, n, r, s, w, χ χ, zu welchen vielleicht noch das griechiſche φ als ein Mit- telton zwiſchen f und bh, und das englaͤndiſche th, wel- ches aus d, h, s, zuſammengeziſcht wird, kommen koͤnnte. Ob aber die Gliedmaßen der Sprache nicht noch meh- rere Conſonanten moͤglich ſeyn laſſen, laͤßt ſich nicht wohl anders entſcheiden, als wenn man ſolche in ganz frem-

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/54>, abgerufen am 23.11.2024.