Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.Von dem Wahrscheinlichen. nicht irren, und daß sie uns das, worinn sie nicht irren,wirklich sagen, oder daß sie sich in dem, was sie uns sa- gen, nicht irren. Dieses nicht irren setzt nun alle- mal eine von den vorhergehenden Arten der Gewißheit bey demjenigen voraus, auf dessen Wort hin wir die Aussage glauben sollen. Er muß die Sache ent- weder durch Demonstrationen, oder durch unmit- telbare Empfindungen, oder durch beyde zusam- mengenommen, gewiß wissen. Und wir müssen ver- sichert seyn, daß er sie auf eine von diesen Arten weiß, und uns nicht etwas anders sage. §. 257. Hiebey ist nun für sich klar, daß, so oft wir wiß
Von dem Wahrſcheinlichen. nicht irren, und daß ſie uns das, worinn ſie nicht irren,wirklich ſagen, oder daß ſie ſich in dem, was ſie uns ſa- gen, nicht irren. Dieſes nicht irren ſetzt nun alle- mal eine von den vorhergehenden Arten der Gewißheit bey demjenigen voraus, auf deſſen Wort hin wir die Ausſage glauben ſollen. Er muß die Sache ent- weder durch Demonſtrationen, oder durch unmit- telbare Empfindungen, oder durch beyde zuſam- mengenommen, gewiß wiſſen. Und wir muͤſſen ver- ſichert ſeyn, daß er ſie auf eine von dieſen Arten weiß, und uns nicht etwas anders ſage. §. 257. Hiebey iſt nun fuͤr ſich klar, daß, ſo oft wir wiß
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0419" n="413"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Wahrſcheinlichen.</hi></fw><lb/> nicht irren, und daß ſie uns das, worinn ſie nicht irren,<lb/> wirklich ſagen, oder daß ſie ſich in dem, was ſie uns ſa-<lb/> gen, nicht irren. Dieſes <hi rendition="#fr">nicht irren</hi> ſetzt nun alle-<lb/> mal eine von den vorhergehenden Arten der Gewißheit<lb/> bey demjenigen voraus, <hi rendition="#fr">auf deſſen Wort hin</hi> wir<lb/> die Ausſage glauben ſollen. Er muß die Sache ent-<lb/> weder durch <hi rendition="#fr">Demonſtrationen,</hi> oder durch <hi rendition="#fr">unmit-<lb/> telbare Empfindungen,</hi> oder durch <hi rendition="#fr">beyde zuſam-<lb/> mengenommen,</hi> gewiß wiſſen. Und wir muͤſſen ver-<lb/> ſichert ſeyn, daß er ſie auf eine von dieſen Arten weiß,<lb/> und uns nicht etwas anders ſage.</p><lb/> <p>§. 257. Hiebey iſt nun fuͤr ſich klar, daß, ſo oft wir<lb/> ſelbſt auf eben die Art zur <hi rendition="#fr">unmittelbaren</hi> Gewißheit<lb/> gelangen koͤnnen, wie der dazu gelangt iſt, von dem wir<lb/> die Nachricht haben, wir der Gewißheit, die ſchlechthin<lb/> auf deſſelben Glaubwuͤrdigkeit beruht, eben nicht noth-<lb/> wendig beduͤrfen, weil dieſe nur <hi rendition="#fr">mittelbar</hi> iſt. So<lb/> ſind wir z. E. berechtigt, von der <hi rendition="#fr">Allgemeinheit</hi> ei-<lb/> nes jeden Satzes einen Beweis zu fordern. Denn der,<lb/> ſo uns einen ſolchen Satz vorgiebt, muß ſich ſelbſt durch<lb/> Gruͤnde von deſſen Allgemeinheit verſichern, weil Em-<lb/> pfindungen individual ſind. So koͤnnen wir auch jede<lb/> Empfindung, die ſich erneuern laͤßt, wiederholen, um<lb/> uns von der Wahrheit der Ausſage, worinn von ſolchen<lb/> Empfindungen die Rede iſt, unmittelbar ſelbſt zu ver-<lb/> ſichern. Auf eine aͤhnliche Art iſt es uns oft auch moͤg-<lb/> lich, von dem, was vorgegangen ſeyn ſoll, die Gruͤnde<lb/> und Folgen aufzuſuchen, und uns aus dieſen von der<lb/> Wahrheit der Nachricht zu verſichern (Dianoiol. §. 562.<lb/> 563.). Hingegen wenn uns jemand ſagt, daß er die-<lb/> ſes oder jenes denke, ſo wiſſen wir zwar, daß er es denkt,<lb/> alldieweil er es ſagt, daß er es aber als <hi rendition="#fr">wahr</hi> denke<lb/> oder es ſelbſt <hi rendition="#fr">glaube,</hi> zumal wenn es uns unglaublich<lb/> vorkoͤmmt, davon koͤnnen wir keine ſo unmittelbare Ver-<lb/> ſicherung haben, und oͤfters giebt es Muͤhe, davon ge-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wiß</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [413/0419]
Von dem Wahrſcheinlichen.
nicht irren, und daß ſie uns das, worinn ſie nicht irren,
wirklich ſagen, oder daß ſie ſich in dem, was ſie uns ſa-
gen, nicht irren. Dieſes nicht irren ſetzt nun alle-
mal eine von den vorhergehenden Arten der Gewißheit
bey demjenigen voraus, auf deſſen Wort hin wir
die Ausſage glauben ſollen. Er muß die Sache ent-
weder durch Demonſtrationen, oder durch unmit-
telbare Empfindungen, oder durch beyde zuſam-
mengenommen, gewiß wiſſen. Und wir muͤſſen ver-
ſichert ſeyn, daß er ſie auf eine von dieſen Arten weiß,
und uns nicht etwas anders ſage.
§. 257. Hiebey iſt nun fuͤr ſich klar, daß, ſo oft wir
ſelbſt auf eben die Art zur unmittelbaren Gewißheit
gelangen koͤnnen, wie der dazu gelangt iſt, von dem wir
die Nachricht haben, wir der Gewißheit, die ſchlechthin
auf deſſelben Glaubwuͤrdigkeit beruht, eben nicht noth-
wendig beduͤrfen, weil dieſe nur mittelbar iſt. So
ſind wir z. E. berechtigt, von der Allgemeinheit ei-
nes jeden Satzes einen Beweis zu fordern. Denn der,
ſo uns einen ſolchen Satz vorgiebt, muß ſich ſelbſt durch
Gruͤnde von deſſen Allgemeinheit verſichern, weil Em-
pfindungen individual ſind. So koͤnnen wir auch jede
Empfindung, die ſich erneuern laͤßt, wiederholen, um
uns von der Wahrheit der Ausſage, worinn von ſolchen
Empfindungen die Rede iſt, unmittelbar ſelbſt zu ver-
ſichern. Auf eine aͤhnliche Art iſt es uns oft auch moͤg-
lich, von dem, was vorgegangen ſeyn ſoll, die Gruͤnde
und Folgen aufzuſuchen, und uns aus dieſen von der
Wahrheit der Nachricht zu verſichern (Dianoiol. §. 562.
563.). Hingegen wenn uns jemand ſagt, daß er die-
ſes oder jenes denke, ſo wiſſen wir zwar, daß er es denkt,
alldieweil er es ſagt, daß er es aber als wahr denke
oder es ſelbſt glaube, zumal wenn es uns unglaublich
vorkoͤmmt, davon koͤnnen wir keine ſo unmittelbare Ver-
ſicherung haben, und oͤfters giebt es Muͤhe, davon ge-
wiß
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |