dere von der Vernunftlehre zu erwarten hätten, wenn darinn zu solchen Lehrsätzen der Weg gebahnt wäre. Man sehe hierüber (Dianoiol. §. 449. 455. 467.).
§. 181. Die bisher betrachteten Arten von Argu- menten sind gleichsam positiv. Man nimmt dabey den Satz, den man beweisen will, als eine Prämisse an, und zeigt, daß jede Folgen, so man daraus herleitet, wahr sind, oder daß er mit andern Wahrheiten, mit welchen man ihn vergleicht, harmonire, oder denselben wenig- stens nicht widerspreche (§. 167. 168.). Da es aber bey der bloßen Aufhäufung solcher Argumente immer noch wenigstens scheinbare Mängel und Lücken giebt (§. 172. 174.), so kommen auch dabey gewöhnlich Zweifel zu heben, und Einwürfe zu beantworten vor, die man theils gegen den Satz selbst, theils gegen die in den Ar- gumenten gebrauchte Sätze macht, theils auch von den Lücken hernimmt, die noch ausgefüllt werden müssen, und die theils in Anzeigen von Möglichkeiten bestehen, von denen man zeigen muß, daß sie in Ansehung des Satzes nicht statt haben. Der allgemeine Zweifel aber ist, daß die Argumente nicht vollständig zu beweisen scheinen. Und diesem kann nicht wohl anders begegnet werden, als daß man ihnen eine logische Gestalt gebe, und zeige, daß sie stricte und vollständig erweisen.
§. 182. Wir können die Lehre von den Einwür- fen überhaupt in folgende Sätze zusammenfassen.
1. Wenn ein Satz richtig bestimmt, und zureichend erwiesen ist, so können die Einwürfe höchstens nur aus Misverständniß herrühren. Sie wer- den demnach vermieden, oder man beugt ihnen vor, wenn man den Beweis klar, ausführlich und mit aller Evidenz aus einander setzt. Denn so wird, wer die Worte versteht, die Sache zugeben. Dieß ist der Fall geometrischer Sätze und Be-
weise.
V. Hauptſtuͤck.
dere von der Vernunftlehre zu erwarten haͤtten, wenn darinn zu ſolchen Lehrſaͤtzen der Weg gebahnt waͤre. Man ſehe hieruͤber (Dianoiol. §. 449. 455. 467.).
§. 181. Die bisher betrachteten Arten von Argu- menten ſind gleichſam poſitiv. Man nimmt dabey den Satz, den man beweiſen will, als eine Praͤmiſſe an, und zeigt, daß jede Folgen, ſo man daraus herleitet, wahr ſind, oder daß er mit andern Wahrheiten, mit welchen man ihn vergleicht, harmonire, oder denſelben wenig- ſtens nicht widerſpreche (§. 167. 168.). Da es aber bey der bloßen Aufhaͤufung ſolcher Argumente immer noch wenigſtens ſcheinbare Maͤngel und Luͤcken giebt (§. 172. 174.), ſo kommen auch dabey gewoͤhnlich Zweifel zu heben, und Einwuͤrfe zu beantworten vor, die man theils gegen den Satz ſelbſt, theils gegen die in den Ar- gumenten gebrauchte Saͤtze macht, theils auch von den Luͤcken hernimmt, die noch ausgefuͤllt werden muͤſſen, und die theils in Anzeigen von Moͤglichkeiten beſtehen, von denen man zeigen muß, daß ſie in Anſehung des Satzes nicht ſtatt haben. Der allgemeine Zweifel aber iſt, daß die Argumente nicht vollſtaͤndig zu beweiſen ſcheinen. Und dieſem kann nicht wohl anders begegnet werden, als daß man ihnen eine logiſche Geſtalt gebe, und zeige, daß ſie ſtricte und vollſtaͤndig erweiſen.
§. 182. Wir koͤnnen die Lehre von den Einwuͤr- fen uͤberhaupt in folgende Saͤtze zuſammenfaſſen.
1. Wenn ein Satz richtig beſtimmt, und zureichend erwieſen iſt, ſo koͤnnen die Einwuͤrfe hoͤchſtens nur aus Misverſtaͤndniß herruͤhren. Sie wer- den demnach vermieden, oder man beugt ihnen vor, wenn man den Beweis klar, ausfuͤhrlich und mit aller Evidenz aus einander ſetzt. Denn ſo wird, wer die Worte verſteht, die Sache zugeben. Dieß iſt der Fall geometriſcher Saͤtze und Be-
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V. Hauptſtuͤck.
dere von der Vernunftlehre zu erwarten haͤtten, wenn
darinn zu ſolchen Lehrſaͤtzen der Weg gebahnt waͤre.
Man ſehe hieruͤber (Dianoiol. §. 449. 455. 467.).
§. 181. Die bisher betrachteten Arten von Argu-
menten ſind gleichſam poſitiv. Man nimmt dabey den
Satz, den man beweiſen will, als eine Praͤmiſſe an, und
zeigt, daß jede Folgen, ſo man daraus herleitet, wahr
ſind, oder daß er mit andern Wahrheiten, mit welchen
man ihn vergleicht, harmonire, oder denſelben wenig-
ſtens nicht widerſpreche (§. 167. 168.). Da es aber bey
der bloßen Aufhaͤufung ſolcher Argumente immer noch
wenigſtens ſcheinbare Maͤngel und Luͤcken giebt (§. 172.
174.), ſo kommen auch dabey gewoͤhnlich Zweifel zu
heben, und Einwuͤrfe zu beantworten vor, die man
theils gegen den Satz ſelbſt, theils gegen die in den Ar-
gumenten gebrauchte Saͤtze macht, theils auch von den
Luͤcken hernimmt, die noch ausgefuͤllt werden muͤſſen,
und die theils in Anzeigen von Moͤglichkeiten beſtehen,
von denen man zeigen muß, daß ſie in Anſehung des
Satzes nicht ſtatt haben. Der allgemeine Zweifel aber
iſt, daß die Argumente nicht vollſtaͤndig zu beweiſen
ſcheinen. Und dieſem kann nicht wohl anders begegnet
werden, als daß man ihnen eine logiſche Geſtalt gebe,
und zeige, daß ſie ſtricte und vollſtaͤndig erweiſen.
§. 182. Wir koͤnnen die Lehre von den Einwuͤr-
fen uͤberhaupt in folgende Saͤtze zuſammenfaſſen.
1. Wenn ein Satz richtig beſtimmt, und zureichend
erwieſen iſt, ſo koͤnnen die Einwuͤrfe hoͤchſtens
nur aus Misverſtaͤndniß herruͤhren. Sie wer-
den demnach vermieden, oder man beugt ihnen
vor, wenn man den Beweis klar, ausfuͤhrlich und
mit aller Evidenz aus einander ſetzt. Denn ſo
wird, wer die Worte verſteht, die Sache zugeben.
Dieß iſt der Fall geometriſcher Saͤtze und Be-
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/358>, abgerufen am 16.02.2025.
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