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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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V. Hauptstück.
richtig abwiegt. Dieses macht auch, daß man bey je-
dem neuen Anstand sie immer wiederum zusammen neh-
men muß, um ihr Gewicht aufs neue zu empfinden, und
den Anstand dadurch zu überwiegen. Cicero beschreibt
uns einen solchen Wankelmuth in seinen Tusculani-
schen Fragen,
in Ansehung der Platonischen Argu-
mente für die Unsterblichkeit der Seele, welcher um desto
natürlicher war, weil mit den Argumenten noch Furcht
und Hoffnung sich vermengten.

§. 173. Die verschiedenen Arten, in welche sich die
Argumente eintheilen lassen, die man von der Sache
und ihren Verhältnissen hernimmt, richten sich nach den
verschiedenen Arten der Jnductionen, und nach diesen
müssen wir jene eintheilen, wenn wir die Vollständigkeit
oder Unvollständigkeit bey ihrer Aufhäufung beurtheilen
wollen. Wir wollen sie hier kürzlich anzeigen:

1. Bey Körpern und zusammengesetzten Sy-
stemen derselben ihre einzelnen Theile, wel-
che zusammengenommen das ganze Sy-
stem oder den ganzen Körper ausmachen.

Hiebey kann man durch Jnduction die Fragen er-
örtern: ob das System vollzählig sey, um mit
diesem oder jenem Namen benennt zu werden; ob
eine vorgegebene Eigenschaft jeden einzelnen Thei-
len zukomme, um den Satz allgemein machen
zu können; ob man alle Theile wisse oder habe,
um den Begriff des Ganzen oder das Ganze
selbst daraus zusammenzusetzen?
2. Bey zusammengesetzten Begriffen diejeni-
gen einzelnen Merkmale, welche zusam-
mengenommen den Umfang des Begrif-
fes ausfüllen.
Hier wird durch Jnduction er-
örtert, ob diese Merkmale in einem vorgegebenen
Fall sämtlich votkommen, um daraus zu schließen,
daß

V. Hauptſtuͤck.
richtig abwiegt. Dieſes macht auch, daß man bey je-
dem neuen Anſtand ſie immer wiederum zuſammen neh-
men muß, um ihr Gewicht aufs neue zu empfinden, und
den Anſtand dadurch zu uͤberwiegen. Cicero beſchreibt
uns einen ſolchen Wankelmuth in ſeinen Tuſculani-
ſchen Fragen,
in Anſehung der Platoniſchen Argu-
mente fuͤr die Unſterblichkeit der Seele, welcher um deſto
natuͤrlicher war, weil mit den Argumenten noch Furcht
und Hoffnung ſich vermengten.

§. 173. Die verſchiedenen Arten, in welche ſich die
Argumente eintheilen laſſen, die man von der Sache
und ihren Verhaͤltniſſen hernimmt, richten ſich nach den
verſchiedenen Arten der Jnductionen, und nach dieſen
muͤſſen wir jene eintheilen, wenn wir die Vollſtaͤndigkeit
oder Unvollſtaͤndigkeit bey ihrer Aufhaͤufung beurtheilen
wollen. Wir wollen ſie hier kuͤrzlich anzeigen:

1. Bey Koͤrpern und zuſammengeſetzten Sy-
ſtemen derſelben ihre einzelnen Theile, wel-
che zuſammengenommen das ganze Sy-
ſtem oder den ganzen Koͤrper ausmachen.

Hiebey kann man durch Jnduction die Fragen er-
oͤrtern: ob das Syſtem vollzaͤhlig ſey, um mit
dieſem oder jenem Namen benennt zu werden; ob
eine vorgegebene Eigenſchaft jeden einzelnen Thei-
len zukomme, um den Satz allgemein machen
zu koͤnnen; ob man alle Theile wiſſe oder habe,
um den Begriff des Ganzen oder das Ganze
ſelbſt daraus zuſammenzuſetzen?
2. Bey zuſammengeſetzten Begriffen diejeni-
gen einzelnen Merkmale, welche zuſam-
mengenommen den Umfang des Begrif-
fes ausfuͤllen.
Hier wird durch Jnduction er-
oͤrtert, ob dieſe Merkmale in einem vorgegebenen
Fall ſaͤmtlich votkommen, um daraus zu ſchließen,
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[342/0348] V. Hauptſtuͤck. richtig abwiegt. Dieſes macht auch, daß man bey je- dem neuen Anſtand ſie immer wiederum zuſammen neh- men muß, um ihr Gewicht aufs neue zu empfinden, und den Anſtand dadurch zu uͤberwiegen. Cicero beſchreibt uns einen ſolchen Wankelmuth in ſeinen Tuſculani- ſchen Fragen, in Anſehung der Platoniſchen Argu- mente fuͤr die Unſterblichkeit der Seele, welcher um deſto natuͤrlicher war, weil mit den Argumenten noch Furcht und Hoffnung ſich vermengten. §. 173. Die verſchiedenen Arten, in welche ſich die Argumente eintheilen laſſen, die man von der Sache und ihren Verhaͤltniſſen hernimmt, richten ſich nach den verſchiedenen Arten der Jnductionen, und nach dieſen muͤſſen wir jene eintheilen, wenn wir die Vollſtaͤndigkeit oder Unvollſtaͤndigkeit bey ihrer Aufhaͤufung beurtheilen wollen. Wir wollen ſie hier kuͤrzlich anzeigen: 1. Bey Koͤrpern und zuſammengeſetzten Sy- ſtemen derſelben ihre einzelnen Theile, wel- che zuſammengenommen das ganze Sy- ſtem oder den ganzen Koͤrper ausmachen. Hiebey kann man durch Jnduction die Fragen er- oͤrtern: ob das Syſtem vollzaͤhlig ſey, um mit dieſem oder jenem Namen benennt zu werden; ob eine vorgegebene Eigenſchaft jeden einzelnen Thei- len zukomme, um den Satz allgemein machen zu koͤnnen; ob man alle Theile wiſſe oder habe, um den Begriff des Ganzen oder das Ganze ſelbſt daraus zuſammenzuſetzen? 2. Bey zuſammengeſetzten Begriffen diejeni- gen einzelnen Merkmale, welche zuſam- mengenommen den Umfang des Begrif- fes ausfuͤllen. Hier wird durch Jnduction er- oͤrtert, ob dieſe Merkmale in einem vorgegebenen Fall ſaͤmtlich votkommen, um daraus zu ſchließen, daß

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/348>, abgerufen am 22.11.2024.