bringen, und dadurch die Gesetze der Witterung zu be- stimmen. Man sehe auch Dianoiol. §. 584. seq.
§. 158. Aus solchen specialern Verhältnissen und Wahrscheinlichkeiten lassen sich sodann, besonders mit Zuziehung der|Grundsätze vom Gleichgewichte, vom Beharrungsstande und den Schranken der Kräf- te der Natur, noch andere herleiten, die sich entweder nicht so unmittelbar oder gar nicht würden aus Beob- achtungen finden lassen. So z. E. wenn man annimmt, daß in einer großen Stadt oder Lande die Anzahl der Lebenden beynahe gleich bleibe, so ist es möglich, aus der durch Beobachtungen gefundenen Anzahl derer, die jährlich von jedem Alter sterben, die Anzahl derer zu bestimmen, die von jedem Alter leben, und daher auch den Grad der Sterblichkeit, und die Hoffnung zu leben, für jedes Alter zu finden. Eine Rechnung, die bey bil- liger Einrichtung der Leibrenten, Tontinen etc. und für viele andere Fälle des bürgerlichen Lebens von beträcht- lichem Nutzen ist.
§. 159. Es kommen aber auch Fälle vor, wo die Bestimmung der Grade der Wahrscheinlichkeit aus Betrachtung der Natur der Sache, eben so, wie bey den Glücksspielen, vorgenommen werden kann. So z. E. wenn man mit dem Zirkel die Länge einer Linie faßt, so wird man sie selten genau fassen. Der Grund ist, weil das Auge die beyden Enden der Linie nicht genau sieht. Man kann sich daher an jedem Ende einen kleinen Cir- cul gedenken, der sich der Schärfe des Auges entzieht. Jn jeden Punkt dieser Circul ist es nun gleich möglich, den Fuß des Zirkels zu setzen. Denn da das Auge darinn nichts mehr unterscheidet, so bleibt keine Aus- wahl. Combinirt man nun jede Punkte in jedem der beyden Circul mit einander, so läßt sich berechnen, wie vielmal jede Oeffnung des Circuls vorkommen kann, und wie groß folglich der Grad der Wahrscheinlichkeit
von
V. Hauptſtuͤck.
bringen, und dadurch die Geſetze der Witterung zu be- ſtimmen. Man ſehe auch Dianoiol. §. 584. ſeq.
§. 158. Aus ſolchen ſpecialern Verhaͤltniſſen und Wahrſcheinlichkeiten laſſen ſich ſodann, beſonders mit Zuziehung der|Grundſaͤtze vom Gleichgewichte, vom Beharrungsſtande und den Schranken der Kraͤf- te der Natur, noch andere herleiten, die ſich entweder nicht ſo unmittelbar oder gar nicht wuͤrden aus Beob- achtungen finden laſſen. So z. E. wenn man annimmt, daß in einer großen Stadt oder Lande die Anzahl der Lebenden beynahe gleich bleibe, ſo iſt es moͤglich, aus der durch Beobachtungen gefundenen Anzahl derer, die jaͤhrlich von jedem Alter ſterben, die Anzahl derer zu beſtimmen, die von jedem Alter leben, und daher auch den Grad der Sterblichkeit, und die Hoffnung zu leben, fuͤr jedes Alter zu finden. Eine Rechnung, die bey bil- liger Einrichtung der Leibrenten, Tontinen ꝛc. und fuͤr viele andere Faͤlle des buͤrgerlichen Lebens von betraͤcht- lichem Nutzen iſt.
§. 159. Es kommen aber auch Faͤlle vor, wo die Beſtimmung der Grade der Wahrſcheinlichkeit aus Betrachtung der Natur der Sache, eben ſo, wie bey den Gluͤcksſpielen, vorgenommen werden kann. So z. E. wenn man mit dem Zirkel die Laͤnge einer Linie faßt, ſo wird man ſie ſelten genau faſſen. Der Grund iſt, weil das Auge die beyden Enden der Linie nicht genau ſieht. Man kann ſich daher an jedem Ende einen kleinen Cir- cul gedenken, der ſich der Schaͤrfe des Auges entzieht. Jn jeden Punkt dieſer Circul iſt es nun gleich moͤglich, den Fuß des Zirkels zu ſetzen. Denn da das Auge darinn nichts mehr unterſcheidet, ſo bleibt keine Aus- wahl. Combinirt man nun jede Punkte in jedem der beyden Circul mit einander, ſo laͤßt ſich berechnen, wie vielmal jede Oeffnung des Circuls vorkommen kann, und wie groß folglich der Grad der Wahrſcheinlichkeit
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V. Hauptſtuͤck.
bringen, und dadurch die Geſetze der Witterung zu be-
ſtimmen. Man ſehe auch Dianoiol. §. 584. ſeq.
§. 158. Aus ſolchen ſpecialern Verhaͤltniſſen und
Wahrſcheinlichkeiten laſſen ſich ſodann, beſonders mit
Zuziehung der|Grundſaͤtze vom Gleichgewichte, vom
Beharrungsſtande und den Schranken der Kraͤf-
te der Natur, noch andere herleiten, die ſich entweder
nicht ſo unmittelbar oder gar nicht wuͤrden aus Beob-
achtungen finden laſſen. So z. E. wenn man annimmt,
daß in einer großen Stadt oder Lande die Anzahl der
Lebenden beynahe gleich bleibe, ſo iſt es moͤglich, aus
der durch Beobachtungen gefundenen Anzahl derer, die
jaͤhrlich von jedem Alter ſterben, die Anzahl derer zu
beſtimmen, die von jedem Alter leben, und daher auch
den Grad der Sterblichkeit, und die Hoffnung zu leben,
fuͤr jedes Alter zu finden. Eine Rechnung, die bey bil-
liger Einrichtung der Leibrenten, Tontinen ꝛc. und fuͤr
viele andere Faͤlle des buͤrgerlichen Lebens von betraͤcht-
lichem Nutzen iſt.
§. 159. Es kommen aber auch Faͤlle vor, wo die
Beſtimmung der Grade der Wahrſcheinlichkeit aus
Betrachtung der Natur der Sache, eben ſo, wie bey den
Gluͤcksſpielen, vorgenommen werden kann. So z. E.
wenn man mit dem Zirkel die Laͤnge einer Linie faßt, ſo
wird man ſie ſelten genau faſſen. Der Grund iſt, weil
das Auge die beyden Enden der Linie nicht genau ſieht.
Man kann ſich daher an jedem Ende einen kleinen Cir-
cul gedenken, der ſich der Schaͤrfe des Auges entzieht.
Jn jeden Punkt dieſer Circul iſt es nun gleich moͤglich,
den Fuß des Zirkels zu ſetzen. Denn da das Auge
darinn nichts mehr unterſcheidet, ſo bleibt keine Aus-
wahl. Combinirt man nun jede Punkte in jedem der
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vielmal jede Oeffnung des Circuls vorkommen kann,
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/332>, abgerufen am 23.11.2024.
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