Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.Von dem Wahrscheinlichen. chen Möglichkeit aller Fälle beweist, daß es geschehenmüsse. Wären aber nicht alle Fälle gleich möglich, so müßte man der Ungleichheit Rechnung tragen, und da- mit würde die Anzahl der ausgezogenen Zettel der An- zahl der Eingelegten nicht mehr proportional seyn, son- dern sich auch nach dem Gesetze der ungleichen Möglich- keit richten. Solche Gesetze können sich, ohne daß man gleich darauf achtet, aus bloß physischen Gründen mit einmengen. Die gleiche Möglichkeit aber gründet sich, auch bey der weisesten Einrichtung des Laufs der Din- ge in der Welt, auf die Menge einzelner Ursachen, die bey den Glücksspielen, jede nach ihren eigenen Gesetzen so zusammentreffen, daß sie eben so leichte den einen Fall als den andern hervorbringen, und bey Fortsetzung des Spieles einander compensiren. Dadurch aber kömmt jeder Fall desto häufiger vor, je wahrscheinlicher er an sich ist. §. 153. Die Glücksspiele haben das besonders, daß §. 154. X 2
Von dem Wahrſcheinlichen. chen Moͤglichkeit aller Faͤlle beweiſt, daß es geſchehenmuͤſſe. Waͤren aber nicht alle Faͤlle gleich moͤglich, ſo muͤßte man der Ungleichheit Rechnung tragen, und da- mit wuͤrde die Anzahl der ausgezogenen Zettel der An- zahl der Eingelegten nicht mehr proportional ſeyn, ſon- dern ſich auch nach dem Geſetze der ungleichen Moͤglich- keit richten. Solche Geſetze koͤnnen ſich, ohne daß man gleich darauf achtet, aus bloß phyſiſchen Gruͤnden mit einmengen. Die gleiche Moͤglichkeit aber gruͤndet ſich, auch bey der weiſeſten Einrichtung des Laufs der Din- ge in der Welt, auf die Menge einzelner Urſachen, die bey den Gluͤcksſpielen, jede nach ihren eigenen Geſetzen ſo zuſammentreffen, daß ſie eben ſo leichte den einen Fall als den andern hervorbringen, und bey Fortſetzung des Spieles einander compenſiren. Dadurch aber koͤmmt jeder Fall deſto haͤufiger vor, je wahrſcheinlicher er an ſich iſt. §. 153. Die Gluͤcksſpiele haben das beſonders, daß §. 154. X 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0329" n="323"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Wahrſcheinlichen.</hi></fw><lb/> chen Moͤglichkeit aller Faͤlle beweiſt, daß es geſchehen<lb/> muͤſſe. Waͤren aber nicht alle Faͤlle gleich moͤglich, ſo<lb/> muͤßte man der Ungleichheit Rechnung tragen, und da-<lb/> mit wuͤrde die Anzahl der ausgezogenen Zettel der An-<lb/> zahl der Eingelegten nicht mehr proportional ſeyn, ſon-<lb/> dern ſich auch nach dem Geſetze der ungleichen Moͤglich-<lb/> keit richten. Solche Geſetze koͤnnen ſich, ohne daß man<lb/> gleich darauf achtet, aus bloß phyſiſchen Gruͤnden mit<lb/> einmengen. Die gleiche Moͤglichkeit aber gruͤndet ſich,<lb/> auch bey der weiſeſten Einrichtung des Laufs der Din-<lb/> ge in der Welt, auf die Menge einzelner Urſachen, die<lb/> bey den Gluͤcksſpielen, jede nach ihren eigenen Geſetzen<lb/> ſo zuſammentreffen, daß ſie eben ſo leichte den einen<lb/> Fall als den andern hervorbringen, und bey Fortſetzung<lb/> des Spieles einander compenſiren. Dadurch aber koͤmmt<lb/> jeder Fall deſto haͤufiger vor, je wahrſcheinlicher er an<lb/> ſich iſt.</p><lb/> <p>§. 153. Die Gluͤcksſpiele haben das beſonders, daß<lb/> man aus ihrer Einrichtung die moͤglichen Faͤlle abzaͤh-<lb/> len, und den Grad der Moͤglichkeit von jeden beſtimmen<lb/> kann. Auf dieſe Art wird die Wahrſcheinlichkeit jeder<lb/> Faͤlle <hi rendition="#aq">a priori</hi> berechnet. Es erhellet aber aus erſtge-<lb/> ſagtem, daß es auch <hi rendition="#aq">a poſteriori</hi> geſchehen koͤnnte, wenn<lb/> man das Spiel lange oder unendlich vielmale wieder-<lb/> holte. Man hat aus dieſem Grunde angefangen, die<lb/> Lehre der Wahrſcheinlichkeit auch in andern Faͤllen zu<lb/> gebrauchen. Denn da die Natur nicht nur bey Gluͤcks-<lb/> ſpielen, ſondern in unzaͤhligen andern Dingen, nach ſehr<lb/> zuſammengeſetzten Geſetzen wirkt, ſo daß man aus der<lb/> Erfahrung nur das Product von allen erkennen kann,<lb/> ſo hat man dieſe Producte abgezaͤhlt, um dadurch den<lb/> Grad eines jeden Geſetzes, und die Probabilitaͤt der<lb/> Faͤlle, da es die Oberhand hat, zu finden. Dieſes iſt<lb/> nun die zweyte allgemeine Art der Wahrſcheinlichkeit,<lb/> die wir umſtaͤndlicher erlaͤutern werden.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">X 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">§. 154.</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [323/0329]
Von dem Wahrſcheinlichen.
chen Moͤglichkeit aller Faͤlle beweiſt, daß es geſchehen
muͤſſe. Waͤren aber nicht alle Faͤlle gleich moͤglich, ſo
muͤßte man der Ungleichheit Rechnung tragen, und da-
mit wuͤrde die Anzahl der ausgezogenen Zettel der An-
zahl der Eingelegten nicht mehr proportional ſeyn, ſon-
dern ſich auch nach dem Geſetze der ungleichen Moͤglich-
keit richten. Solche Geſetze koͤnnen ſich, ohne daß man
gleich darauf achtet, aus bloß phyſiſchen Gruͤnden mit
einmengen. Die gleiche Moͤglichkeit aber gruͤndet ſich,
auch bey der weiſeſten Einrichtung des Laufs der Din-
ge in der Welt, auf die Menge einzelner Urſachen, die
bey den Gluͤcksſpielen, jede nach ihren eigenen Geſetzen
ſo zuſammentreffen, daß ſie eben ſo leichte den einen
Fall als den andern hervorbringen, und bey Fortſetzung
des Spieles einander compenſiren. Dadurch aber koͤmmt
jeder Fall deſto haͤufiger vor, je wahrſcheinlicher er an
ſich iſt.
§. 153. Die Gluͤcksſpiele haben das beſonders, daß
man aus ihrer Einrichtung die moͤglichen Faͤlle abzaͤh-
len, und den Grad der Moͤglichkeit von jeden beſtimmen
kann. Auf dieſe Art wird die Wahrſcheinlichkeit jeder
Faͤlle a priori berechnet. Es erhellet aber aus erſtge-
ſagtem, daß es auch a poſteriori geſchehen koͤnnte, wenn
man das Spiel lange oder unendlich vielmale wieder-
holte. Man hat aus dieſem Grunde angefangen, die
Lehre der Wahrſcheinlichkeit auch in andern Faͤllen zu
gebrauchen. Denn da die Natur nicht nur bey Gluͤcks-
ſpielen, ſondern in unzaͤhligen andern Dingen, nach ſehr
zuſammengeſetzten Geſetzen wirkt, ſo daß man aus der
Erfahrung nur das Product von allen erkennen kann,
ſo hat man dieſe Producte abgezaͤhlt, um dadurch den
Grad eines jeden Geſetzes, und die Probabilitaͤt der
Faͤlle, da es die Oberhand hat, zu finden. Dieſes iſt
nun die zweyte allgemeine Art der Wahrſcheinlichkeit,
die wir umſtaͤndlicher erlaͤutern werden.
§. 154.
X 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |