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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von dem psychologischen Schein.
in den Anweisungen zur Vernunftlehre angezeigt. Da-
fern aber der Fehler nicht in den Worten liegt, so läßt
sich mit Umkehrung und Verwandlung der Sätze jeder
Schluß leicht in die rechte Form bringen, und dadurch
wird der Fehler, so in der Form war, in die Materie
gebracht, und öfters auch der Schlußsatz geändert.

§. 118. Jn Ansehung der Worte kann sich ebenfalls
etwas bloß scheinbares in die Definitionen und Ange-
bung der Ursachen und Gründe einmengen. Eine De-
finition soll den Umfang eines Begriffes entweder durch
Angebung der wesentlichen Merkmale, oder der Ver-
hältnisse zu andern Begriffen und Sachen bestimmen.
Gebraucht man aber nur | grammatische Umschreibun-
gen oder gleichbedeutende Wörter, so giebt man nur
die Bedeutung des Worts auf eine grammatische Art
an, und man weiß von der Sache selbst weder mehr
noch minder, als nur, daß sie noch mit andern Wör-
tern benennt werden kann. Auf eine ähnliche Art, wenn
man die Urfache von der Wirkung her benennt, ohne
sie auf eine andere und von der Wirkung unabhängige
Art kenntlich zu machen, so weiß man dadurch von der
Ursache weder mehr noch minder, als man zuvor wußte.
Denn daß die Wirkung eine Ursach habe, ist für sich
klar, und eben so, daß die Ursach diejenige sey, die die
Wirkung hervorbringt, daran ist kein Zweifel. Wenn
man demnach auf die Frage, warum der Magnet das
Eisen anziehe, nur so viel antwortet, daß er eine anzie-
hende Kraft habe; so ist dieses nur ein Schluß, den
man aus der Voraussetzung der Frage macht, nicht
aber eine Angebung der Ursache. Denn diese Ange-
bung sollte in einer aus andern Versuchen gefundenen
Anzeige der wirkenden Materie, der Structur und des
Mechanismus bestehen. Die Schulweisheit hatte vor-
mals eine Menge solcher leeren Definitionen und An-
gebungen von Ursachen und Gründen. Es||sind auch

nicht
T 3

Von dem pſychologiſchen Schein.
in den Anweiſungen zur Vernunftlehre angezeigt. Da-
fern aber der Fehler nicht in den Worten liegt, ſo laͤßt
ſich mit Umkehrung und Verwandlung der Saͤtze jeder
Schluß leicht in die rechte Form bringen, und dadurch
wird der Fehler, ſo in der Form war, in die Materie
gebracht, und oͤfters auch der Schlußſatz geaͤndert.

§. 118. Jn Anſehung der Worte kann ſich ebenfalls
etwas bloß ſcheinbares in die Definitionen und Ange-
bung der Urſachen und Gruͤnde einmengen. Eine De-
finition ſoll den Umfang eines Begriffes entweder durch
Angebung der weſentlichen Merkmale, oder der Ver-
haͤltniſſe zu andern Begriffen und Sachen beſtimmen.
Gebraucht man aber nur | grammatiſche Umſchreibun-
gen oder gleichbedeutende Woͤrter, ſo giebt man nur
die Bedeutung des Worts auf eine grammatiſche Art
an, und man weiß von der Sache ſelbſt weder mehr
noch minder, als nur, daß ſie noch mit andern Woͤr-
tern benennt werden kann. Auf eine aͤhnliche Art, wenn
man die Urfache von der Wirkung her benennt, ohne
ſie auf eine andere und von der Wirkung unabhaͤngige
Art kenntlich zu machen, ſo weiß man dadurch von der
Urſache weder mehr noch minder, als man zuvor wußte.
Denn daß die Wirkung eine Urſach habe, iſt fuͤr ſich
klar, und eben ſo, daß die Urſach diejenige ſey, die die
Wirkung hervorbringt, daran iſt kein Zweifel. Wenn
man demnach auf die Frage, warum der Magnet das
Eiſen anziehe, nur ſo viel antwortet, daß er eine anzie-
hende Kraft habe; ſo iſt dieſes nur ein Schluß, den
man aus der Vorausſetzung der Frage macht, nicht
aber eine Angebung der Urſache. Denn dieſe Ange-
bung ſollte in einer aus andern Verſuchen gefundenen
Anzeige der wirkenden Materie, der Structur und des
Mechaniſmus beſtehen. Die Schulweisheit hatte vor-
mals eine Menge ſolcher leeren Definitionen und An-
gebungen von Urſachen und Gruͤnden. Es||ſind auch

nicht
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[293/0299] Von dem pſychologiſchen Schein. in den Anweiſungen zur Vernunftlehre angezeigt. Da- fern aber der Fehler nicht in den Worten liegt, ſo laͤßt ſich mit Umkehrung und Verwandlung der Saͤtze jeder Schluß leicht in die rechte Form bringen, und dadurch wird der Fehler, ſo in der Form war, in die Materie gebracht, und oͤfters auch der Schlußſatz geaͤndert. §. 118. Jn Anſehung der Worte kann ſich ebenfalls etwas bloß ſcheinbares in die Definitionen und Ange- bung der Urſachen und Gruͤnde einmengen. Eine De- finition ſoll den Umfang eines Begriffes entweder durch Angebung der weſentlichen Merkmale, oder der Ver- haͤltniſſe zu andern Begriffen und Sachen beſtimmen. Gebraucht man aber nur | grammatiſche Umſchreibun- gen oder gleichbedeutende Woͤrter, ſo giebt man nur die Bedeutung des Worts auf eine grammatiſche Art an, und man weiß von der Sache ſelbſt weder mehr noch minder, als nur, daß ſie noch mit andern Woͤr- tern benennt werden kann. Auf eine aͤhnliche Art, wenn man die Urfache von der Wirkung her benennt, ohne ſie auf eine andere und von der Wirkung unabhaͤngige Art kenntlich zu machen, ſo weiß man dadurch von der Urſache weder mehr noch minder, als man zuvor wußte. Denn daß die Wirkung eine Urſach habe, iſt fuͤr ſich klar, und eben ſo, daß die Urſach diejenige ſey, die die Wirkung hervorbringt, daran iſt kein Zweifel. Wenn man demnach auf die Frage, warum der Magnet das Eiſen anziehe, nur ſo viel antwortet, daß er eine anzie- hende Kraft habe; ſo iſt dieſes nur ein Schluß, den man aus der Vorausſetzung der Frage macht, nicht aber eine Angebung der Urſache. Denn dieſe Ange- bung ſollte in einer aus andern Verſuchen gefundenen Anzeige der wirkenden Materie, der Structur und des Mechaniſmus beſtehen. Die Schulweisheit hatte vor- mals eine Menge ſolcher leeren Definitionen und An- gebungen von Urſachen und Gruͤnden. Es||ſind auch nicht T 3

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/299>, abgerufen am 23.11.2024.