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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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II. Hauptstück.
bestimmt werden kann. Damit darf man nur aufzeich-
nen, was man wirklich ausmißt, und diß sind ordentlich
Zeit und Winkel, weil die scheinbare Ausdehnung
durch Winkel gemessen, und zur Bestimmung der schein-
baren Bewegung, die Zeit mit in die Rechnung gezogen
werden muß. Hievon geben bald alle Astronomische
Observationen Beyspiele, und es war den Astronomen
leichter, und fast das einzige, was sie thun konnten, sich
mit Ausmessung der Zeit und Winkel zu beschäfftigen,
und beydes so, wie sie es befunden, aufzuzeichnen. Man
hat auch Ursach, das, so jemand aus seinen Beobachtun-
gen schließt, dahingestellt seyn zu lassen, dafern er nicht
diese angiebt, und ausführlich zeigt, wie er die Schlüsse
daraus gezogen. Es ist leicht, Umstände zu vergessen,
sich zu überrechnen, sich im Schließen zu übereilen etc.

§. 93. Bey den Begriffen der ersten Classe (§. 85.)
geht es hingegen nicht so leicht an, die Beobachtungen
von den Schlüssen, so man daraus zieht, zu trennen,
und in der Beschreibung der Beobachtungen nichts an-
ders zu benennen, als was wir unmittelbar empfinden.
Man würde öfters dadurch ohne Noth in eine fast lä-
cherliche Weitläuftigkeit fallen, wenn man statt des Na-
mens der Dinge und ihrer Theile, die Figur, Farbe,
scheinbare oder wahre Größe etc. anzeigen wollte. Die-
ses thut man nur in Ansehung ganz unbekannter Dinge.
Und solche Beschreibungen sind mehrentheils so man-
gelhaft, daß man die Sache daraus nicht erkennen wür-
de. Man ist daher längst schon darauf verfallen, solche
Beschreibungen durch Gemählde, Figuren, Modelle, etc.
abzukürzen, und dadurch die Dinge denen kenntlicher zu
machen, die sie selbst noch nicht gesehen haben. Bey be-
kannten und täglich vor Augen schwebenden Dingen be-
gnügt man sich allerdings kürzer mit dem Namen der
Sache, und in zweifelhaftern Fällen, oder wo man sorg-
fältiger seyn muß, sich zu versichern, ob es eben die

Sache

II. Hauptſtuͤck.
beſtimmt werden kann. Damit darf man nur aufzeich-
nen, was man wirklich ausmißt, und diß ſind ordentlich
Zeit und Winkel, weil die ſcheinbare Ausdehnung
durch Winkel gemeſſen, und zur Beſtimmung der ſchein-
baren Bewegung, die Zeit mit in die Rechnung gezogen
werden muß. Hievon geben bald alle Aſtronomiſche
Obſervationen Beyſpiele, und es war den Aſtronomen
leichter, und faſt das einzige, was ſie thun konnten, ſich
mit Ausmeſſung der Zeit und Winkel zu beſchaͤfftigen,
und beydes ſo, wie ſie es befunden, aufzuzeichnen. Man
hat auch Urſach, das, ſo jemand aus ſeinen Beobachtun-
gen ſchließt, dahingeſtellt ſeyn zu laſſen, dafern er nicht
dieſe angiebt, und ausfuͤhrlich zeigt, wie er die Schluͤſſe
daraus gezogen. Es iſt leicht, Umſtaͤnde zu vergeſſen,
ſich zu uͤberrechnen, ſich im Schließen zu uͤbereilen ꝛc.

§. 93. Bey den Begriffen der erſten Claſſe (§. 85.)
geht es hingegen nicht ſo leicht an, die Beobachtungen
von den Schluͤſſen, ſo man daraus zieht, zu trennen,
und in der Beſchreibung der Beobachtungen nichts an-
ders zu benennen, als was wir unmittelbar empfinden.
Man wuͤrde oͤfters dadurch ohne Noth in eine faſt laͤ-
cherliche Weitlaͤuftigkeit fallen, wenn man ſtatt des Na-
mens der Dinge und ihrer Theile, die Figur, Farbe,
ſcheinbare oder wahre Groͤße ꝛc. anzeigen wollte. Die-
ſes thut man nur in Anſehung ganz unbekannter Dinge.
Und ſolche Beſchreibungen ſind mehrentheils ſo man-
gelhaft, daß man die Sache daraus nicht erkennen wuͤr-
de. Man iſt daher laͤngſt ſchon darauf verfallen, ſolche
Beſchreibungen durch Gemaͤhlde, Figuren, Modelle, ꝛc.
abzukuͤrzen, und dadurch die Dinge denen kenntlicher zu
machen, die ſie ſelbſt noch nicht geſehen haben. Bey be-
kannten und taͤglich vor Augen ſchwebenden Dingen be-
gnuͤgt man ſich allerdings kuͤrzer mit dem Namen der
Sache, und in zweifelhaftern Faͤllen, oder wo man ſorg-
faͤltiger ſeyn muß, ſich zu verſichern, ob es eben die

Sache
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[274/0280] II. Hauptſtuͤck. beſtimmt werden kann. Damit darf man nur aufzeich- nen, was man wirklich ausmißt, und diß ſind ordentlich Zeit und Winkel, weil die ſcheinbare Ausdehnung durch Winkel gemeſſen, und zur Beſtimmung der ſchein- baren Bewegung, die Zeit mit in die Rechnung gezogen werden muß. Hievon geben bald alle Aſtronomiſche Obſervationen Beyſpiele, und es war den Aſtronomen leichter, und faſt das einzige, was ſie thun konnten, ſich mit Ausmeſſung der Zeit und Winkel zu beſchaͤfftigen, und beydes ſo, wie ſie es befunden, aufzuzeichnen. Man hat auch Urſach, das, ſo jemand aus ſeinen Beobachtun- gen ſchließt, dahingeſtellt ſeyn zu laſſen, dafern er nicht dieſe angiebt, und ausfuͤhrlich zeigt, wie er die Schluͤſſe daraus gezogen. Es iſt leicht, Umſtaͤnde zu vergeſſen, ſich zu uͤberrechnen, ſich im Schließen zu uͤbereilen ꝛc. §. 93. Bey den Begriffen der erſten Claſſe (§. 85.) geht es hingegen nicht ſo leicht an, die Beobachtungen von den Schluͤſſen, ſo man daraus zieht, zu trennen, und in der Beſchreibung der Beobachtungen nichts an- ders zu benennen, als was wir unmittelbar empfinden. Man wuͤrde oͤfters dadurch ohne Noth in eine faſt laͤ- cherliche Weitlaͤuftigkeit fallen, wenn man ſtatt des Na- mens der Dinge und ihrer Theile, die Figur, Farbe, ſcheinbare oder wahre Groͤße ꝛc. anzeigen wollte. Die- ſes thut man nur in Anſehung ganz unbekannter Dinge. Und ſolche Beſchreibungen ſind mehrentheils ſo man- gelhaft, daß man die Sache daraus nicht erkennen wuͤr- de. Man iſt daher laͤngſt ſchon darauf verfallen, ſolche Beſchreibungen durch Gemaͤhlde, Figuren, Modelle, ꝛc. abzukuͤrzen, und dadurch die Dinge denen kenntlicher zu machen, die ſie ſelbſt noch nicht geſehen haben. Bey be- kannten und taͤglich vor Augen ſchwebenden Dingen be- gnuͤgt man ſich allerdings kuͤrzer mit dem Namen der Sache, und in zweifelhaftern Faͤllen, oder wo man ſorg- faͤltiger ſeyn muß, ſich zu verſichern, ob es eben die Sache

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/280>, abgerufen am 23.11.2024.