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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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II. Hauptstück.
Güte schätzen kann. Man ist eben so in allen Dingen,
wo Verfälschung und Betrug mit unterläuft, auf feine-
re Unterscheidungsstücke des Wahren von dem Falschen
bedacht, um sich nicht durch nachgeäften Schein blen-
den zu lassen. Und dieses ist auch alles, was man für
solche Fälle anrathen kann, wo man Betrug, Schaden
und Verspottung zu befahren hat, wenn man den
Schein von dem Wahren, und das Falsche von dem
Aechten nicht zu unterscheiden weiß. Uebrigens giebt
es auch Fälle, wo Kenner sich irren, und wo ihre
Scharfsichtigkeit und Sorgfalt nicht ausreicht, den Be-
trug zu bemerken, oder wo die Sache selbst die feinern
Proben nicht zuläßt. Die Archimedische Probe, die
Verfälschung einer güldenen Krone durch den Unter-
schied des Gewichts zu entdecken, ist bey einem solchen
Anlasse erfunden worden. Die Krone sollte ganz blei-
ben, allenfalls sie ächt befunden würde.

§. 77. Ueberhaupt betrachtet, machen die gar zu
große Aehnlichkeit zwoer verschiedener Sachen, und
hinwiederum die gar zu große Veränderung einer glei-
chen Sache, die Fälle aus, wo uns der Schein am
leichtesten täuscht, und zwar ohne Rücksicht auf das, was
der Mangel des behörigen Bewußtseyns der Aufmerk-
samkeit und Uebung dazu beytragen kann. Der erste
Fall, wo nämlich die Aehnlichkeit täuscht, begreift zween
specialere Fälle unter sich. Denn einmal können zwey
Indiuidua einander sehr ähnlich seyn, und uns verleiten,
eines für das andere zu nehmen. Jn vielen Fällen hat
dieses nichts zu sagen. So z. E. wenn man von je-
mand Geld zurückzufordern hat, und man sieht nur auf
die Summe, so wäre es unnöthig, und mehrentheils un-
möglich, eben die Stücke wiederzufordern, die man
ausgeliehen. Hingegen vertauscht man solche Dinge,
die ein Pretium affectionis haben, nicht gern gegen an-
dere oder nachgemachte von gleicher Art. Man ist auch

längst

II. Hauptſtuͤck.
Guͤte ſchaͤtzen kann. Man iſt eben ſo in allen Dingen,
wo Verfaͤlſchung und Betrug mit unterlaͤuft, auf feine-
re Unterſcheidungsſtuͤcke des Wahren von dem Falſchen
bedacht, um ſich nicht durch nachgeaͤften Schein blen-
den zu laſſen. Und dieſes iſt auch alles, was man fuͤr
ſolche Faͤlle anrathen kann, wo man Betrug, Schaden
und Verſpottung zu befahren hat, wenn man den
Schein von dem Wahren, und das Falſche von dem
Aechten nicht zu unterſcheiden weiß. Uebrigens giebt
es auch Faͤlle, wo Kenner ſich irren, und wo ihre
Scharfſichtigkeit und Sorgfalt nicht ausreicht, den Be-
trug zu bemerken, oder wo die Sache ſelbſt die feinern
Proben nicht zulaͤßt. Die Archimediſche Probe, die
Verfaͤlſchung einer guͤldenen Krone durch den Unter-
ſchied des Gewichts zu entdecken, iſt bey einem ſolchen
Anlaſſe erfunden worden. Die Krone ſollte ganz blei-
ben, allenfalls ſie aͤcht befunden wuͤrde.

§. 77. Ueberhaupt betrachtet, machen die gar zu
große Aehnlichkeit zwoer verſchiedener Sachen, und
hinwiederum die gar zu große Veraͤnderung einer glei-
chen Sache, die Faͤlle aus, wo uns der Schein am
leichteſten taͤuſcht, und zwar ohne Ruͤckſicht auf das, was
der Mangel des behoͤrigen Bewußtſeyns der Aufmerk-
ſamkeit und Uebung dazu beytragen kann. Der erſte
Fall, wo naͤmlich die Aehnlichkeit taͤuſcht, begreift zween
ſpecialere Faͤlle unter ſich. Denn einmal koͤnnen zwey
Indiuidua einander ſehr aͤhnlich ſeyn, und uns verleiten,
eines fuͤr das andere zu nehmen. Jn vielen Faͤllen hat
dieſes nichts zu ſagen. So z. E. wenn man von je-
mand Geld zuruͤckzufordern hat, und man ſieht nur auf
die Summe, ſo waͤre es unnoͤthig, und mehrentheils un-
moͤglich, eben die Stuͤcke wiederzufordern, die man
ausgeliehen. Hingegen vertauſcht man ſolche Dinge,
die ein Pretium affectionis haben, nicht gern gegen an-
dere oder nachgemachte von gleicher Art. Man iſt auch

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[262/0268] II. Hauptſtuͤck. Guͤte ſchaͤtzen kann. Man iſt eben ſo in allen Dingen, wo Verfaͤlſchung und Betrug mit unterlaͤuft, auf feine- re Unterſcheidungsſtuͤcke des Wahren von dem Falſchen bedacht, um ſich nicht durch nachgeaͤften Schein blen- den zu laſſen. Und dieſes iſt auch alles, was man fuͤr ſolche Faͤlle anrathen kann, wo man Betrug, Schaden und Verſpottung zu befahren hat, wenn man den Schein von dem Wahren, und das Falſche von dem Aechten nicht zu unterſcheiden weiß. Uebrigens giebt es auch Faͤlle, wo Kenner ſich irren, und wo ihre Scharfſichtigkeit und Sorgfalt nicht ausreicht, den Be- trug zu bemerken, oder wo die Sache ſelbſt die feinern Proben nicht zulaͤßt. Die Archimediſche Probe, die Verfaͤlſchung einer guͤldenen Krone durch den Unter- ſchied des Gewichts zu entdecken, iſt bey einem ſolchen Anlaſſe erfunden worden. Die Krone ſollte ganz blei- ben, allenfalls ſie aͤcht befunden wuͤrde. §. 77. Ueberhaupt betrachtet, machen die gar zu große Aehnlichkeit zwoer verſchiedener Sachen, und hinwiederum die gar zu große Veraͤnderung einer glei- chen Sache, die Faͤlle aus, wo uns der Schein am leichteſten taͤuſcht, und zwar ohne Ruͤckſicht auf das, was der Mangel des behoͤrigen Bewußtſeyns der Aufmerk- ſamkeit und Uebung dazu beytragen kann. Der erſte Fall, wo naͤmlich die Aehnlichkeit taͤuſcht, begreift zween ſpecialere Faͤlle unter ſich. Denn einmal koͤnnen zwey Indiuidua einander ſehr aͤhnlich ſeyn, und uns verleiten, eines fuͤr das andere zu nehmen. Jn vielen Faͤllen hat dieſes nichts zu ſagen. So z. E. wenn man von je- mand Geld zuruͤckzufordern hat, und man ſieht nur auf die Summe, ſo waͤre es unnoͤthig, und mehrentheils un- moͤglich, eben die Stuͤcke wiederzufordern, die man ausgeliehen. Hingegen vertauſcht man ſolche Dinge, die ein Pretium affectionis haben, nicht gern gegen an- dere oder nachgemachte von gleicher Art. Man iſt auch laͤngſt

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/268>, abgerufen am 23.11.2024.