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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von dem sinnlichen Schein.
hang der Dinge in der Natur Schlüsse ziehen müsse,
die den Anstand aufheben etc.

§. 75. So z. E. wenn man einen durchaus vergül-
deten und einen wirklich güldenen Becher vor sich hat,
so wird das Auge sie nicht unterscheiden. Hingegen
kann das Ohr aus der Verschiedenheit des Klanges den
Unterschied des Metalls bemerken, und zwar auf eine
gedoppelte Art, wenn beyde von gleicher Figur und
Größe sind. Unter eben dieser Bedingung wird sich
auch ein Unterschied am Gewichte bemerken lassen.
Die Chymie und Metallurgie geben eine Menge von
Proben an, wodurch jede Mineralien und Metalle und
ihre Grade geprüft werden können, welche die Sinnen
nicht zureichend beurtheilen würden. Jn der Astrono-
mie hingegen hat man aus der Einrichtung des Welt-
baues den Schluß gemacht, daß die Erscheinungen am
Himmel, die nicht den 24stündigen Umlauf mit den
Sternen gemein haben, nicht zum Firmamente gehören,
sondern nur in der Luft sind.

§. 76. Wir können aus diesen Beyspielen sehen,
daß die Wiederholung der Empfindung einer Sache
in jeden Umständen und Abwechslungen, die genauere
Kenntniß dieser Umstände und der Gesetze ihrer Ver-
änderungen dazu beytragen, dieselbe kenntlicher zu ma-
chen, und sie von andern, die nur den Schein davon ha-
ben, zu unterscheiden. So irren wir uns selten in An-
sehung der Dinge, mit welchen wir täglich umgehen,
oder die den Gegenstand unserer Lebensart und Be-
schäfftigung ausmachen, und in unbekanntern Dingen
sind wir gewöhnt, diejenigen zu fragen, die Uebung und
Erfahrung darinn haben. Ein Juwelierer, der täglich
Edelgesteine von jeden Arten unter Händen hat, macht
sich ihre Kennzeichen dergestalt bekannt, daß er sie nicht
nur von einander, und die wahren von den falschen un-
terscheiden, sondern auch die Grade ihrer Feinheit und

Güte
R 3

Von dem ſinnlichen Schein.
hang der Dinge in der Natur Schluͤſſe ziehen muͤſſe,
die den Anſtand aufheben ꝛc.

§. 75. So z. E. wenn man einen durchaus verguͤl-
deten und einen wirklich guͤldenen Becher vor ſich hat,
ſo wird das Auge ſie nicht unterſcheiden. Hingegen
kann das Ohr aus der Verſchiedenheit des Klanges den
Unterſchied des Metalls bemerken, und zwar auf eine
gedoppelte Art, wenn beyde von gleicher Figur und
Groͤße ſind. Unter eben dieſer Bedingung wird ſich
auch ein Unterſchied am Gewichte bemerken laſſen.
Die Chymie und Metallurgie geben eine Menge von
Proben an, wodurch jede Mineralien und Metalle und
ihre Grade gepruͤft werden koͤnnen, welche die Sinnen
nicht zureichend beurtheilen wuͤrden. Jn der Aſtrono-
mie hingegen hat man aus der Einrichtung des Welt-
baues den Schluß gemacht, daß die Erſcheinungen am
Himmel, die nicht den 24ſtuͤndigen Umlauf mit den
Sternen gemein haben, nicht zum Firmamente gehoͤren,
ſondern nur in der Luft ſind.

§. 76. Wir koͤnnen aus dieſen Beyſpielen ſehen,
daß die Wiederholung der Empfindung einer Sache
in jeden Umſtaͤnden und Abwechslungen, die genauere
Kenntniß dieſer Umſtaͤnde und der Geſetze ihrer Ver-
aͤnderungen dazu beytragen, dieſelbe kenntlicher zu ma-
chen, und ſie von andern, die nur den Schein davon ha-
ben, zu unterſcheiden. So irren wir uns ſelten in An-
ſehung der Dinge, mit welchen wir taͤglich umgehen,
oder die den Gegenſtand unſerer Lebensart und Be-
ſchaͤfftigung ausmachen, und in unbekanntern Dingen
ſind wir gewoͤhnt, diejenigen zu fragen, die Uebung und
Erfahrung darinn haben. Ein Juwelierer, der taͤglich
Edelgeſteine von jeden Arten unter Haͤnden hat, macht
ſich ihre Kennzeichen dergeſtalt bekannt, daß er ſie nicht
nur von einander, und die wahren von den falſchen un-
terſcheiden, ſondern auch die Grade ihrer Feinheit und

Guͤte
R 3
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[261/0267] Von dem ſinnlichen Schein. hang der Dinge in der Natur Schluͤſſe ziehen muͤſſe, die den Anſtand aufheben ꝛc. §. 75. So z. E. wenn man einen durchaus verguͤl- deten und einen wirklich guͤldenen Becher vor ſich hat, ſo wird das Auge ſie nicht unterſcheiden. Hingegen kann das Ohr aus der Verſchiedenheit des Klanges den Unterſchied des Metalls bemerken, und zwar auf eine gedoppelte Art, wenn beyde von gleicher Figur und Groͤße ſind. Unter eben dieſer Bedingung wird ſich auch ein Unterſchied am Gewichte bemerken laſſen. Die Chymie und Metallurgie geben eine Menge von Proben an, wodurch jede Mineralien und Metalle und ihre Grade gepruͤft werden koͤnnen, welche die Sinnen nicht zureichend beurtheilen wuͤrden. Jn der Aſtrono- mie hingegen hat man aus der Einrichtung des Welt- baues den Schluß gemacht, daß die Erſcheinungen am Himmel, die nicht den 24ſtuͤndigen Umlauf mit den Sternen gemein haben, nicht zum Firmamente gehoͤren, ſondern nur in der Luft ſind. §. 76. Wir koͤnnen aus dieſen Beyſpielen ſehen, daß die Wiederholung der Empfindung einer Sache in jeden Umſtaͤnden und Abwechslungen, die genauere Kenntniß dieſer Umſtaͤnde und der Geſetze ihrer Ver- aͤnderungen dazu beytragen, dieſelbe kenntlicher zu ma- chen, und ſie von andern, die nur den Schein davon ha- ben, zu unterſcheiden. So irren wir uns ſelten in An- ſehung der Dinge, mit welchen wir taͤglich umgehen, oder die den Gegenſtand unſerer Lebensart und Be- ſchaͤfftigung ausmachen, und in unbekanntern Dingen ſind wir gewoͤhnt, diejenigen zu fragen, die Uebung und Erfahrung darinn haben. Ein Juwelierer, der taͤglich Edelgeſteine von jeden Arten unter Haͤnden hat, macht ſich ihre Kennzeichen dergeſtalt bekannt, daß er ſie nicht nur von einander, und die wahren von den falſchen un- terſcheiden, ſondern auch die Grade ihrer Feinheit und Guͤte R 3

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/267>, abgerufen am 23.11.2024.