Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.II. Hauptstück. ob jemand wirklich delirire, oder anfange das Conceptzu verlieren, oder ob nur allzulebhafte Vorstellungen und Affecten ihm die Welt für kurze Zeit anders vorstellen, als sie ist. Die Frage, ob man bey Sinnen sey, giebt die Anläße zu erkennen, wo einer des andern Reden und Thun nicht mehr begreift, und wo es dem einen oder dem andern an Einsicht zu fehlen anfängt. Denn diese Frage läßt es noch unerörtert, und es kömmt dar- auf an, ob man sich gegeneinander deutlicher erklären könne oder wolle, oder ob man es auf den Erfolg, auf Proben und Erfahrung müsse oder wolle ankommen lassen? §. 39. Das Auge hat weiter keine Zufälle, als daß §. 40.
II. Hauptſtuͤck. ob jemand wirklich delirire, oder anfange das Conceptzu verlieren, oder ob nur allzulebhafte Vorſtellungen und Affecten ihm die Welt fuͤr kurze Zeit anders vorſtellen, als ſie iſt. Die Frage, ob man bey Sinnen ſey, giebt die Anlaͤße zu erkennen, wo einer des andern Reden und Thun nicht mehr begreift, und wo es dem einen oder dem andern an Einſicht zu fehlen anfaͤngt. Denn dieſe Frage laͤßt es noch uneroͤrtert, und es koͤmmt dar- auf an, ob man ſich gegeneinander deutlicher erklaͤren koͤnne oder wolle, oder ob man es auf den Erfolg, auf Proben und Erfahrung muͤſſe oder wolle ankommen laſſen? §. 39. Das Auge hat weiter keine Zufaͤlle, als daß §. 40.
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II. Hauptſtuͤck.
ob jemand wirklich delirire, oder anfange das Concept
zu verlieren, oder ob nur allzulebhafte Vorſtellungen und
Affecten ihm die Welt fuͤr kurze Zeit anders vorſtellen,
als ſie iſt. Die Frage, ob man bey Sinnen ſey, giebt
die Anlaͤße zu erkennen, wo einer des andern Reden
und Thun nicht mehr begreift, und wo es dem einen
oder dem andern an Einſicht zu fehlen anfaͤngt. Denn
dieſe Frage laͤßt es noch uneroͤrtert, und es koͤmmt dar-
auf an, ob man ſich gegeneinander deutlicher erklaͤren
koͤnne oder wolle, oder ob man es auf den Erfolg, auf
Proben und Erfahrung muͤſſe oder wolle ankommen
laſſen?
§. 39. Das Auge hat weiter keine Zufaͤlle, als daß
ſeine Saͤfte gefaͤrbt oder truͤbe werden, und daß man
nur in gewiſſer Entfernung deutlich ſieht. Erſteres iſt
auch bey geringem Bewußtſeyn, wie die Objecte vorhin
ausgeſehen, leicht zu erkennen, beſonders, wenn die Aen-
derung der Saͤfte nicht unvermerkt, wie bey zunehmen-
dem Alter, ſondern ſchneller vergehen, wie bey der Gelb-
ſucht oder andern Zufaͤllen. Die Aenderung in der
Farbe, Helligkeit und Deutlichkeit breitet ſich auf alle
Objecte aus, ſo daß man ſicher genug ſchließen kann,
daß weder das Licht noch die Objecte, ſondern das Auge
ſich geaͤndert habe. Die Grenzen des deutlichen Sehens
laſſen ſich ausmeſſen, und folglich kann die Aenderung,
ſo darinn vorgeht, auf Zahl und Maaß gebracht wer-
den. Und dermalen hat man Augenglaͤſer, ſo die Ge-
genſtaͤnde in jeder Entfernung deutlich vorſtellen. Uebri-
gens machen die ſogenannten Viſionarii, die wachend
Geſichte ſehen, eine beſondere Claſſe von Menſchen aus,
bey denen die Bilder der Einbildungskraft lebhaft ge-
nug ſind, die Eindruͤcke der aͤußern Sinnen zu verdun-
keln, und ſich an der Vorſtellung von jenen zu verwei-
len. Verſchiedene Geſpenſtergeſchichten haben etwas
mit ſolchen Viſionen gemein.
§. 40.
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