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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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I. Hauptstück.
der Sache nichts, weil sie ist, was sie ist. Hingegen
hat es einen merklichen Einfluß auf den Begriff, den
er sich davon macht, und die Seite, die er sich von der
Sache vorstellt, erhält dadurch sehr individuale Bestim-
mungen.

§. 30. Wir haben oben (§. 16.) schon angemerkt,
daß in dem Gedankenreiche der Schein auf die Rich-
tigkeit
der Begriffe, auf die Wahrheit der Urtheile,
und auf die Zuläßigkeit der Fragen gehe. Von die-
sen dreyen Arten hat man bereits schon die zweyte be-
sonders herausgenommen, und das Wahrscheinli-
che
dem Wahren gewissermaßen entgegengesetzt, und
für das erstere eine besondere Vernunftlehre zu haben
verlangt. Da das Wahrscheinliche eine determinirte
Art des Scheins ist, und zwar eine sehr speciale, so
macht diese Vernunftlehre einen einzeln und sehr spe-
cialen Theil der Phänomenologie aus. Das Wahr-
scheinliche besteht in einer unzureichenden Anzahl Ver-
hältnisse eines Satzes zu andern wahren oder auch nur
wahrscheinlichen Sätzen. Und diese Verhältnisse zu-
sammengenommen, machen die Seite aus, von wel-
cher der Satz in einem gewissen Grade wahrscheinlich
ist (§. 27.). Scheint er, von einer andern Seite be-
trachtet, falsch zu seyn, so kömmt es auf eine Verglei-
chung der Grade, oder der Gründe und Gegengründe
an, ob die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlich-
keit überwiege? Auf eine ähnliche Art läßt sich die
scheinbare Richtigkeit und Vollständigkeit der Begriffe,
wie auch die scheinbare Zuläßigkeit der Fragen bestim-
men, als deren Theorie mit zu dem erstbemeldten specia-
len Theile der Phänomenologie gehört. Das Gute
kann, eben so wie das Wahre, mit dem Begriffe
des Scheins verbunden werden, weil zwischen gut
scheinen
und gut seyn, ein ähnlicher Unterschied ist
(§. 13.).

§. 31.

I. Hauptſtuͤck.
der Sache nichts, weil ſie iſt, was ſie iſt. Hingegen
hat es einen merklichen Einfluß auf den Begriff, den
er ſich davon macht, und die Seite, die er ſich von der
Sache vorſtellt, erhaͤlt dadurch ſehr individuale Beſtim-
mungen.

§. 30. Wir haben oben (§. 16.) ſchon angemerkt,
daß in dem Gedankenreiche der Schein auf die Rich-
tigkeit
der Begriffe, auf die Wahrheit der Urtheile,
und auf die Zulaͤßigkeit der Fragen gehe. Von die-
ſen dreyen Arten hat man bereits ſchon die zweyte be-
ſonders herausgenommen, und das Wahrſcheinli-
che
dem Wahren gewiſſermaßen entgegengeſetzt, und
fuͤr das erſtere eine beſondere Vernunftlehre zu haben
verlangt. Da das Wahrſcheinliche eine determinirte
Art des Scheins iſt, und zwar eine ſehr ſpeciale, ſo
macht dieſe Vernunftlehre einen einzeln und ſehr ſpe-
cialen Theil der Phaͤnomenologie aus. Das Wahr-
ſcheinliche beſteht in einer unzureichenden Anzahl Ver-
haͤltniſſe eines Satzes zu andern wahren oder auch nur
wahrſcheinlichen Saͤtzen. Und dieſe Verhaͤltniſſe zu-
ſammengenommen, machen die Seite aus, von wel-
cher der Satz in einem gewiſſen Grade wahrſcheinlich
iſt (§. 27.). Scheint er, von einer andern Seite be-
trachtet, falſch zu ſeyn, ſo koͤmmt es auf eine Verglei-
chung der Grade, oder der Gruͤnde und Gegengruͤnde
an, ob die Wahrſcheinlichkeit oder Unwahrſcheinlich-
keit uͤberwiege? Auf eine aͤhnliche Art laͤßt ſich die
ſcheinbare Richtigkeit und Vollſtaͤndigkeit der Begriffe,
wie auch die ſcheinbare Zulaͤßigkeit der Fragen beſtim-
men, als deren Theorie mit zu dem erſtbemeldten ſpecia-
len Theile der Phaͤnomenologie gehoͤrt. Das Gute
kann, eben ſo wie das Wahre, mit dem Begriffe
des Scheins verbunden werden, weil zwiſchen gut
ſcheinen
und gut ſeyn, ein aͤhnlicher Unterſchied iſt
(§. 13.).

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[234/0240] I. Hauptſtuͤck. der Sache nichts, weil ſie iſt, was ſie iſt. Hingegen hat es einen merklichen Einfluß auf den Begriff, den er ſich davon macht, und die Seite, die er ſich von der Sache vorſtellt, erhaͤlt dadurch ſehr individuale Beſtim- mungen. §. 30. Wir haben oben (§. 16.) ſchon angemerkt, daß in dem Gedankenreiche der Schein auf die Rich- tigkeit der Begriffe, auf die Wahrheit der Urtheile, und auf die Zulaͤßigkeit der Fragen gehe. Von die- ſen dreyen Arten hat man bereits ſchon die zweyte be- ſonders herausgenommen, und das Wahrſcheinli- che dem Wahren gewiſſermaßen entgegengeſetzt, und fuͤr das erſtere eine beſondere Vernunftlehre zu haben verlangt. Da das Wahrſcheinliche eine determinirte Art des Scheins iſt, und zwar eine ſehr ſpeciale, ſo macht dieſe Vernunftlehre einen einzeln und ſehr ſpe- cialen Theil der Phaͤnomenologie aus. Das Wahr- ſcheinliche beſteht in einer unzureichenden Anzahl Ver- haͤltniſſe eines Satzes zu andern wahren oder auch nur wahrſcheinlichen Saͤtzen. Und dieſe Verhaͤltniſſe zu- ſammengenommen, machen die Seite aus, von wel- cher der Satz in einem gewiſſen Grade wahrſcheinlich iſt (§. 27.). Scheint er, von einer andern Seite be- trachtet, falſch zu ſeyn, ſo koͤmmt es auf eine Verglei- chung der Grade, oder der Gruͤnde und Gegengruͤnde an, ob die Wahrſcheinlichkeit oder Unwahrſcheinlich- keit uͤberwiege? Auf eine aͤhnliche Art laͤßt ſich die ſcheinbare Richtigkeit und Vollſtaͤndigkeit der Begriffe, wie auch die ſcheinbare Zulaͤßigkeit der Fragen beſtim- men, als deren Theorie mit zu dem erſtbemeldten ſpecia- len Theile der Phaͤnomenologie gehoͤrt. Das Gute kann, eben ſo wie das Wahre, mit dem Begriffe des Scheins verbunden werden, weil zwiſchen gut ſcheinen und gut ſeyn, ein aͤhnlicher Unterſchied iſt (§. 13.). §. 31.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/240>, abgerufen am 23.11.2024.