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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von der Art einer Sprache.
den Ausdruck: undeutsch klingen, sowohl von ein-
zeln Wörtern als von ganzen Redensarten. Wenn ein
solches Wort oder Redensart nach den Regeln einer
andern Sprache construirt ist, so benennt man diese Ab-
weichung von der Sprachähnlichkeit mit einem be-
sondern Namen. Dergleichen sind die Hebraismi in
dem Griechischen des neuen Testamentes, die Graecis-
mi
in vielen lateinischen Dichtern und andern Schrif-
ten. Jm Deutschen kommen etwan Gallicismi vor,
und bald ist keine Sprache, die nicht aus Nothwendig-
keit oder Ungeschicklichkeit Wörter und Constructionen
aus fremden Sprachen habe. Endlich, da die leben-
den Sprachen sich allmählig ändern, so unterscheidet
man auch alte Ausdrücke von neuen. Die Archaismi
sind solche abgelebte Ausdrücke, und im Deutschen sa-
gen wir etwan, es klinge altfränkisch, altväte-
risch
etc. Eben so werden auch pöbelhafte Ausdrücke
von den feinern und gesittetern, und in weitläuftigen
Ländern die Provinzialwörter, Idiomata und Dialecten
von dem allgemeinern oder reinern Dialecte und Mund-
art unterschieden.

§. 321. Aus diesem vielfachen Unterschiede, den
man unter den Wörtern einer Sprache macht, erhellet,
daß man das Feinere, Regelmäßigere und Allge-
meinere
besonders herausnimmt, und dasselbe gleich-
sam zum Maaßstabe und Probierstein von allem übri-
gen macht, daß diese Auswahl eine merklichere Har-
monie habe, und daß, ungeacht bald jedermann an der
Veränderung und Erweiterung der Sprache Antheil
hat, diese Harmonie dennoch dabey in so weit die Ober-
hand behalte, daß die Anzahl der Ausnahmen in der
Sprache geringer werde, und die Mehrheit der Stim-
men in diesem demokratischen Reiche der Jntellectual-
welt (§. 1.) da seyn müsse, ehe eine Neuerung geduldet
oder zugelassen wird.

§. 322.
N 2

Von der Art einer Sprache.
den Ausdruck: undeutſch klingen, ſowohl von ein-
zeln Woͤrtern als von ganzen Redensarten. Wenn ein
ſolches Wort oder Redensart nach den Regeln einer
andern Sprache conſtruirt iſt, ſo benennt man dieſe Ab-
weichung von der Sprachaͤhnlichkeit mit einem be-
ſondern Namen. Dergleichen ſind die Hebraiſmi in
dem Griechiſchen des neuen Teſtamentes, die Graecis-
mi
in vielen lateiniſchen Dichtern und andern Schrif-
ten. Jm Deutſchen kommen etwan Galliciſmi vor,
und bald iſt keine Sprache, die nicht aus Nothwendig-
keit oder Ungeſchicklichkeit Woͤrter und Conſtructionen
aus fremden Sprachen habe. Endlich, da die leben-
den Sprachen ſich allmaͤhlig aͤndern, ſo unterſcheidet
man auch alte Ausdruͤcke von neuen. Die Archaiſmi
ſind ſolche abgelebte Ausdruͤcke, und im Deutſchen ſa-
gen wir etwan, es klinge altfraͤnkiſch, altvaͤte-
riſch
ꝛc. Eben ſo werden auch poͤbelhafte Ausdruͤcke
von den feinern und geſittetern, und in weitlaͤuftigen
Laͤndern die Provinzialwoͤrter, Idiomata und Dialecten
von dem allgemeinern oder reinern Dialecte und Mund-
art unterſchieden.

§. 321. Aus dieſem vielfachen Unterſchiede, den
man unter den Woͤrtern einer Sprache macht, erhellet,
daß man das Feinere, Regelmaͤßigere und Allge-
meinere
beſonders herausnimmt, und daſſelbe gleich-
ſam zum Maaßſtabe und Probierſtein von allem uͤbri-
gen macht, daß dieſe Auswahl eine merklichere Har-
monie habe, und daß, ungeacht bald jedermann an der
Veraͤnderung und Erweiterung der Sprache Antheil
hat, dieſe Harmonie dennoch dabey in ſo weit die Ober-
hand behalte, daß die Anzahl der Ausnahmen in der
Sprache geringer werde, und die Mehrheit der Stim-
men in dieſem demokratiſchen Reiche der Jntellectual-
welt (§. 1.) da ſeyn muͤſſe, ehe eine Neuerung geduldet
oder zugelaſſen wird.

§. 322.
N 2
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[195/0201] Von der Art einer Sprache. den Ausdruck: undeutſch klingen, ſowohl von ein- zeln Woͤrtern als von ganzen Redensarten. Wenn ein ſolches Wort oder Redensart nach den Regeln einer andern Sprache conſtruirt iſt, ſo benennt man dieſe Ab- weichung von der Sprachaͤhnlichkeit mit einem be- ſondern Namen. Dergleichen ſind die Hebraiſmi in dem Griechiſchen des neuen Teſtamentes, die Graecis- mi in vielen lateiniſchen Dichtern und andern Schrif- ten. Jm Deutſchen kommen etwan Galliciſmi vor, und bald iſt keine Sprache, die nicht aus Nothwendig- keit oder Ungeſchicklichkeit Woͤrter und Conſtructionen aus fremden Sprachen habe. Endlich, da die leben- den Sprachen ſich allmaͤhlig aͤndern, ſo unterſcheidet man auch alte Ausdruͤcke von neuen. Die Archaiſmi ſind ſolche abgelebte Ausdruͤcke, und im Deutſchen ſa- gen wir etwan, es klinge altfraͤnkiſch, altvaͤte- riſch ꝛc. Eben ſo werden auch poͤbelhafte Ausdruͤcke von den feinern und geſittetern, und in weitlaͤuftigen Laͤndern die Provinzialwoͤrter, Idiomata und Dialecten von dem allgemeinern oder reinern Dialecte und Mund- art unterſchieden. §. 321. Aus dieſem vielfachen Unterſchiede, den man unter den Woͤrtern einer Sprache macht, erhellet, daß man das Feinere, Regelmaͤßigere und Allge- meinere beſonders herausnimmt, und daſſelbe gleich- ſam zum Maaßſtabe und Probierſtein von allem uͤbri- gen macht, daß dieſe Auswahl eine merklichere Har- monie habe, und daß, ungeacht bald jedermann an der Veraͤnderung und Erweiterung der Sprache Antheil hat, dieſe Harmonie dennoch dabey in ſo weit die Ober- hand behalte, daß die Anzahl der Ausnahmen in der Sprache geringer werde, und die Mehrheit der Stim- men in dieſem demokratiſchen Reiche der Jntellectual- welt (§. 1.) da ſeyn muͤſſe, ehe eine Neuerung geduldet oder zugelaſſen wird. §. 322. N 2

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/201>, abgerufen am 27.11.2024.