Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.Von der Wortfügung. merken wir an, daß es unter den vielen Redensarten,worinn ein Wort vorkömmt, auch solche giebt, worinn seine Bedeutung mit den wenigsten fremden Umstän- den untermengt ist, und folglich das Wesentliche in dem Begriffe und in seinem Umfange den Verstand der Redensart genauer bestimmt. Von dieser Art sind nun unstreitig, und nach aller Schärfe genommen, die Definitionen. Sie haben aber eine Form, die in dem gemeinen Gebrauche der Sprache seltener vorkömmt, wo die definirte Sache öfters in Casu obliquo, oder in der Form anderer Redensarten und Nebenbestimmun- gen verwickelt liegt. Von diesen haben wir einige in der Dianoiologie (§. 499. seqq.) betrachtet, und das Charakteristische, so bey dem Zusetzen und Weglassen der Bestimmungsbegriffe vorkömmt, mit dem Multi- pliciren in der Rechenkunst verglichen (§. 500. l. cit.). Die Hauptfrage hiebey ist demnach allerdings diese: Wiefern man solche Redensarten, worinn ein Wort in dem genauen Umfange seiner Be- deutung vorkömmt, durch eine bloß gramma- tische Verwandlung der Wörter, oder durch die wenigsten Substitutionen anderer Wörter in die Form einer Definition bringen könne? Diese Frage läßt sich nicht allgemein auflösen. Jn- dessen wo sich etwan Fälle anbieten, da lohnt es sich, zum Behufe des Charakteristischen in den Spra- chen, der Mühe, sie in dieser Absicht genauer zu be- trachten. §. 313. Was wir vorhin (§. 310.) in Ansehung der gefähr
Von der Wortfuͤgung. merken wir an, daß es unter den vielen Redensarten,worinn ein Wort vorkoͤmmt, auch ſolche giebt, worinn ſeine Bedeutung mit den wenigſten fremden Umſtaͤn- den untermengt iſt, und folglich das Weſentliche in dem Begriffe und in ſeinem Umfange den Verſtand der Redensart genauer beſtimmt. Von dieſer Art ſind nun unſtreitig, und nach aller Schaͤrfe genommen, die Definitionen. Sie haben aber eine Form, die in dem gemeinen Gebrauche der Sprache ſeltener vorkoͤmmt, wo die definirte Sache oͤfters in Caſu obliquo, oder in der Form anderer Redensarten und Nebenbeſtimmun- gen verwickelt liegt. Von dieſen haben wir einige in der Dianoiologie (§. 499. ſeqq.) betrachtet, und das Charakteriſtiſche, ſo bey dem Zuſetzen und Weglaſſen der Beſtimmungsbegriffe vorkoͤmmt, mit dem Multi- pliciren in der Rechenkunſt verglichen (§. 500. l. cit.). Die Hauptfrage hiebey iſt demnach allerdings dieſe: Wiefern man ſolche Redensarten, worinn ein Wort in dem genauen Umfange ſeiner Be- deutung vorkoͤmmt, durch eine bloß gramma- tiſche Verwandlung der Woͤrter, oder durch die wenigſten Subſtitutionen anderer Woͤrter in die Form einer Definition bringen koͤnne? Dieſe Frage laͤßt ſich nicht allgemein aufloͤſen. Jn- deſſen wo ſich etwan Faͤlle anbieten, da lohnt es ſich, zum Behufe des Charakteriſtiſchen in den Spra- chen, der Muͤhe, ſie in dieſer Abſicht genauer zu be- trachten. §. 313. Was wir vorhin (§. 310.) in Anſehung der gefaͤhr
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Von der Wortfuͤgung.
merken wir an, daß es unter den vielen Redensarten,
worinn ein Wort vorkoͤmmt, auch ſolche giebt, worinn
ſeine Bedeutung mit den wenigſten fremden Umſtaͤn-
den untermengt iſt, und folglich das Weſentliche in dem
Begriffe und in ſeinem Umfange den Verſtand der
Redensart genauer beſtimmt. Von dieſer Art ſind
nun unſtreitig, und nach aller Schaͤrfe genommen, die
Definitionen. Sie haben aber eine Form, die in dem
gemeinen Gebrauche der Sprache ſeltener vorkoͤmmt,
wo die definirte Sache oͤfters in Caſu obliquo, oder in
der Form anderer Redensarten und Nebenbeſtimmun-
gen verwickelt liegt. Von dieſen haben wir einige in
der Dianoiologie (§. 499. ſeqq.) betrachtet, und das
Charakteriſtiſche, ſo bey dem Zuſetzen und Weglaſſen
der Beſtimmungsbegriffe vorkoͤmmt, mit dem Multi-
pliciren in der Rechenkunſt verglichen (§. 500. l. cit.).
Die Hauptfrage hiebey iſt demnach allerdings dieſe:
Wiefern man ſolche Redensarten, worinn ein
Wort in dem genauen Umfange ſeiner Be-
deutung vorkoͤmmt, durch eine bloß gramma-
tiſche Verwandlung der Woͤrter, oder durch
die wenigſten Subſtitutionen anderer Woͤrter
in die Form einer Definition bringen koͤnne?
Dieſe Frage laͤßt ſich nicht allgemein aufloͤſen. Jn-
deſſen wo ſich etwan Faͤlle anbieten, da lohnt es ſich,
zum Behufe des Charakteriſtiſchen in den Spra-
chen, der Muͤhe, ſie in dieſer Abſicht genauer zu be-
trachten.
§. 313. Was wir vorhin (§. 310.) in Anſehung der
Mutterſprache angemerkt haben, dehnt ſich ebenfalls
auf die Erlernung fremder Sprachen aus. Man faͤngt
bey der Sprachlehre und Woͤrterbuͤchern an. Allein
aus dieſen kann man von den meiſten Woͤrtern nur
beylaͤufig den Umfang ihrer Bedeutung kennen lernen,
ſo ferne naͤmlich in der Mutterſprache Woͤrter von un-
gefaͤhr
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