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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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I. Hauptstück. Von der symbolischen
nen Zergliederung der Mittel zu solchen Zeichen derge-
stalt, daß, ungeachtet wir auch Bewegung und Figu-
ren
dazu gebrauchen können, die Rede selbst dennoch
unentbehrlich bleibt, und uns den Vorzug giebt, den
Redende über Taube und Stumme haben.

§. 15. Bey so bewandten Sachen ist nicht zu zwei-
feln, daß nicht die Natur des Menschen ganz dazu ein-
gerichtet seyn sollte. Jn der That umgiebt uns die
Luft, welche den Schall fortpflanzet, aller Orten, und
so, daß wir ohne dieselbe nicht leben könnten. Die mei-
sten lernen von dem mündlichen Vortrage leichter, als
wenn sie eben denselben lesen müßten, und viele können,
ohne laut zu lesen, mit dem Lesen nicht fortkommen.
Der Schall ist ferner von der Art, daß man selten ge-
nöthigt ist, das Ohr nach demselben zu wenden, wie wir
das Auge gegen die Sache richten müssen: und da die
Gränzen des deutlichen Sehens innerhalb wenigen Zol-
len enthalten sind, so können wir den Schall in ungleich
größern Entfernungen vernehmlich hören, und die Re-
de durch merklich viele Stuffen verstärken etc.

§. 16. Die Zeichen thun uns ferner den Dienst,
daß dadurch alle unser Denken in eine unun-
terbrochene Reihe von Empfindungen und
klaren Vorstellungen verwandelt wird.
Denn
wir können keine andere Zeichen gebrauchen, als solche,
die empfunden werden können (§. 10). So lange wir
nun keine Zeichen empfinden, sind wir uns im Wachen
jeder andern stärkern Empfindung bewußt. Demnach
gehen uns Empfindungen nie ab.

§. 17. Da wir ferner weder immer die Dinge em-
pfinden, an welche wir denken, und viele Abstracta nicht
empfunden werden können, so füllet die Empfindung
der Zeichen die meisten Lücken in unserem Denken aus,
und besonders ist unsere allgemeine oder abstracte

Erkennt-

I. Hauptſtuͤck. Von der ſymboliſchen
nen Zergliederung der Mittel zu ſolchen Zeichen derge-
ſtalt, daß, ungeachtet wir auch Bewegung und Figu-
ren
dazu gebrauchen koͤnnen, die Rede ſelbſt dennoch
unentbehrlich bleibt, und uns den Vorzug giebt, den
Redende uͤber Taube und Stumme haben.

§. 15. Bey ſo bewandten Sachen iſt nicht zu zwei-
feln, daß nicht die Natur des Menſchen ganz dazu ein-
gerichtet ſeyn ſollte. Jn der That umgiebt uns die
Luft, welche den Schall fortpflanzet, aller Orten, und
ſo, daß wir ohne dieſelbe nicht leben koͤnnten. Die mei-
ſten lernen von dem muͤndlichen Vortrage leichter, als
wenn ſie eben denſelben leſen muͤßten, und viele koͤnnen,
ohne laut zu leſen, mit dem Leſen nicht fortkommen.
Der Schall iſt ferner von der Art, daß man ſelten ge-
noͤthigt iſt, das Ohr nach demſelben zu wenden, wie wir
das Auge gegen die Sache richten muͤſſen: und da die
Graͤnzen des deutlichen Sehens innerhalb wenigen Zol-
len enthalten ſind, ſo koͤnnen wir den Schall in ungleich
groͤßern Entfernungen vernehmlich hoͤren, und die Re-
de durch merklich viele Stuffen verſtaͤrken ꝛc.

§. 16. Die Zeichen thun uns ferner den Dienſt,
daß dadurch alle unſer Denken in eine unun-
terbrochene Reihe von Empfindungen und
klaren Vorſtellungen verwandelt wird.
Denn
wir koͤnnen keine andere Zeichen gebrauchen, als ſolche,
die empfunden werden koͤnnen (§. 10). So lange wir
nun keine Zeichen empfinden, ſind wir uns im Wachen
jeder andern ſtaͤrkern Empfindung bewußt. Demnach
gehen uns Empfindungen nie ab.

§. 17. Da wir ferner weder immer die Dinge em-
pfinden, an welche wir denken, und viele Abſtracta nicht
empfunden werden koͤnnen, ſo fuͤllet die Empfindung
der Zeichen die meiſten Luͤcken in unſerem Denken aus,
und beſonders iſt unſere allgemeine oder abſtracte

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[12/0018] I. Hauptſtuͤck. Von der ſymboliſchen nen Zergliederung der Mittel zu ſolchen Zeichen derge- ſtalt, daß, ungeachtet wir auch Bewegung und Figu- ren dazu gebrauchen koͤnnen, die Rede ſelbſt dennoch unentbehrlich bleibt, und uns den Vorzug giebt, den Redende uͤber Taube und Stumme haben. §. 15. Bey ſo bewandten Sachen iſt nicht zu zwei- feln, daß nicht die Natur des Menſchen ganz dazu ein- gerichtet ſeyn ſollte. Jn der That umgiebt uns die Luft, welche den Schall fortpflanzet, aller Orten, und ſo, daß wir ohne dieſelbe nicht leben koͤnnten. Die mei- ſten lernen von dem muͤndlichen Vortrage leichter, als wenn ſie eben denſelben leſen muͤßten, und viele koͤnnen, ohne laut zu leſen, mit dem Leſen nicht fortkommen. Der Schall iſt ferner von der Art, daß man ſelten ge- noͤthigt iſt, das Ohr nach demſelben zu wenden, wie wir das Auge gegen die Sache richten muͤſſen: und da die Graͤnzen des deutlichen Sehens innerhalb wenigen Zol- len enthalten ſind, ſo koͤnnen wir den Schall in ungleich groͤßern Entfernungen vernehmlich hoͤren, und die Re- de durch merklich viele Stuffen verſtaͤrken ꝛc. §. 16. Die Zeichen thun uns ferner den Dienſt, daß dadurch alle unſer Denken in eine unun- terbrochene Reihe von Empfindungen und klaren Vorſtellungen verwandelt wird. Denn wir koͤnnen keine andere Zeichen gebrauchen, als ſolche, die empfunden werden koͤnnen (§. 10). So lange wir nun keine Zeichen empfinden, ſind wir uns im Wachen jeder andern ſtaͤrkern Empfindung bewußt. Demnach gehen uns Empfindungen nie ab. §. 17. Da wir ferner weder immer die Dinge em- pfinden, an welche wir denken, und viele Abſtracta nicht empfunden werden koͤnnen, ſo fuͤllet die Empfindung der Zeichen die meiſten Luͤcken in unſerem Denken aus, und beſonders iſt unſere allgemeine oder abſtracte Erkennt-

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/18>, abgerufen am 23.11.2024.