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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von den Nennwörtern.
Daher entstehen sehr natürlich die heftigern Streitig-
keiten für und wider eine neu aufkommende Secte in
der Weltweisheit und Theologie, und großentheils auch
die Abwechslungen in den Systemen dieser Wissenschaf-
ten, und die Verdunklung der klarsten Sätze, wenn
man sie in einen Kram von Worten willkührlichen Um-
fanges und Bedeutung verwickelt.

§. 196. Wir haben bereits oben (§. 123.) ange-
merkt, daß die ersten Urheber der Sprachen, in Benen-
nung der Dinge bey Ganzen anfiengen, und nicht wohl
anders verfahren konnten. Die Dinge der Natur so-
wohl am Himmel als auf der Erdfläche haben entwe-
der für sich oder in ihrer Art etwas Fortdaurendes und
nach den Gesetzen des Beharrungsstandes Eingerichte-
tes. Und da hiebey die Worte nicht so fast mit den
Begriffen, als mit den Sachen selbst verbunden wur-
den, die jedesmal wiederum vorgelegt oder empfunden
werden konnten, so war auch der Umfang in der Bedeu-
tung ihrer Namen ein für allemal bezeichnet. Man-
weiß, daß die Sache im Ganzen existirt, und daß folg-
lich ihr Name ein wirkliches Ding, und daher auch den
Begriff eines wirklichen Dinges vorstellt. Auf diese
Art haben Sonne, Mond, Sterne, Wolken, Regen,
Schnee, Berge, Thäler, Flüsse, die Arten der Thiere,
Pflanzen, Metallen, die Gliedmaßen der Thiere, die
Theile der Pflanzen, Werkzeuge, Hausrath etc. ihre be-
standigen Namen bekommen, welche gleichsam der
Maaßstab von der allmähligen Abänderung der Spra-
chen sind.

§. 197. Bey solchen Namen ist es an sich betrach-
tet gleichviel, ob es Wurzelwörter oder abgeleitete Wör-
ter sind. Denn da die Sache selbst immer vor Augen
gelegt werden kann, so läßt sich auch der Begriff des
Wortes unmittelbar mit der Sache verbinden, und bey
sehr zusammengesetzten Ganzen, dergleichen die Thiere

und
H 2

Von den Nennwoͤrtern.
Daher entſtehen ſehr natuͤrlich die heftigern Streitig-
keiten fuͤr und wider eine neu aufkommende Secte in
der Weltweisheit und Theologie, und großentheils auch
die Abwechslungen in den Syſtemen dieſer Wiſſenſchaf-
ten, und die Verdunklung der klarſten Saͤtze, wenn
man ſie in einen Kram von Worten willkuͤhrlichen Um-
fanges und Bedeutung verwickelt.

§. 196. Wir haben bereits oben (§. 123.) ange-
merkt, daß die erſten Urheber der Sprachen, in Benen-
nung der Dinge bey Ganzen anfiengen, und nicht wohl
anders verfahren konnten. Die Dinge der Natur ſo-
wohl am Himmel als auf der Erdflaͤche haben entwe-
der fuͤr ſich oder in ihrer Art etwas Fortdaurendes und
nach den Geſetzen des Beharrungsſtandes Eingerichte-
tes. Und da hiebey die Worte nicht ſo faſt mit den
Begriffen, als mit den Sachen ſelbſt verbunden wur-
den, die jedesmal wiederum vorgelegt oder empfunden
werden konnten, ſo war auch der Umfang in der Bedeu-
tung ihrer Namen ein fuͤr allemal bezeichnet. Man-
weiß, daß die Sache im Ganzen exiſtirt, und daß folg-
lich ihr Name ein wirkliches Ding, und daher auch den
Begriff eines wirklichen Dinges vorſtellt. Auf dieſe
Art haben Sonne, Mond, Sterne, Wolken, Regen,
Schnee, Berge, Thaͤler, Fluͤſſe, die Arten der Thiere,
Pflanzen, Metallen, die Gliedmaßen der Thiere, die
Theile der Pflanzen, Werkzeuge, Hausrath ꝛc. ihre be-
ſtandigen Namen bekommen, welche gleichſam der
Maaßſtab von der allmaͤhligen Abaͤnderung der Spra-
chen ſind.

§. 197. Bey ſolchen Namen iſt es an ſich betrach-
tet gleichviel, ob es Wurzelwoͤrter oder abgeleitete Woͤr-
ter ſind. Denn da die Sache ſelbſt immer vor Augen
gelegt werden kann, ſo laͤßt ſich auch der Begriff des
Wortes unmittelbar mit der Sache verbinden, und bey
ſehr zuſammengeſetzten Ganzen, dergleichen die Thiere

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H 2
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[115/0121] Von den Nennwoͤrtern. Daher entſtehen ſehr natuͤrlich die heftigern Streitig- keiten fuͤr und wider eine neu aufkommende Secte in der Weltweisheit und Theologie, und großentheils auch die Abwechslungen in den Syſtemen dieſer Wiſſenſchaf- ten, und die Verdunklung der klarſten Saͤtze, wenn man ſie in einen Kram von Worten willkuͤhrlichen Um- fanges und Bedeutung verwickelt. §. 196. Wir haben bereits oben (§. 123.) ange- merkt, daß die erſten Urheber der Sprachen, in Benen- nung der Dinge bey Ganzen anfiengen, und nicht wohl anders verfahren konnten. Die Dinge der Natur ſo- wohl am Himmel als auf der Erdflaͤche haben entwe- der fuͤr ſich oder in ihrer Art etwas Fortdaurendes und nach den Geſetzen des Beharrungsſtandes Eingerichte- tes. Und da hiebey die Worte nicht ſo faſt mit den Begriffen, als mit den Sachen ſelbſt verbunden wur- den, die jedesmal wiederum vorgelegt oder empfunden werden konnten, ſo war auch der Umfang in der Bedeu- tung ihrer Namen ein fuͤr allemal bezeichnet. Man- weiß, daß die Sache im Ganzen exiſtirt, und daß folg- lich ihr Name ein wirkliches Ding, und daher auch den Begriff eines wirklichen Dinges vorſtellt. Auf dieſe Art haben Sonne, Mond, Sterne, Wolken, Regen, Schnee, Berge, Thaͤler, Fluͤſſe, die Arten der Thiere, Pflanzen, Metallen, die Gliedmaßen der Thiere, die Theile der Pflanzen, Werkzeuge, Hausrath ꝛc. ihre be- ſtandigen Namen bekommen, welche gleichſam der Maaßſtab von der allmaͤhligen Abaͤnderung der Spra- chen ſind. §. 197. Bey ſolchen Namen iſt es an ſich betrach- tet gleichviel, ob es Wurzelwoͤrter oder abgeleitete Woͤr- ter ſind. Denn da die Sache ſelbſt immer vor Augen gelegt werden kann, ſo laͤßt ſich auch der Begriff des Wortes unmittelbar mit der Sache verbinden, und bey ſehr zuſammengeſetzten Ganzen, dergleichen die Thiere und H 2

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/121>, abgerufen am 27.11.2024.