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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von den Zeitwörtern.
solchen Misverstande am besten vorbeugt, gehört wie-
derum zu dem, was man: einer Sprache mächtig
seyn,
nennt, und fordert, daß man auch die Sache
selbst genug verstehe.

§. 173. Wir haben ferner in den Sprachen Zeit-
wörter, die zwar überhaupt einerley Sache, aber zu-
gleich auch die verschiedenen Stuffen derselben, nebst
andern Modificationen vorstellen. Auf diese Art sind
z. E. die Wörter: schleichen, gehen, schreiten, ei-
len, laufen, rennen,
von einander verschieden, welche
bald keine andere Modificationen vorstellen, als solche,
die mit dem verschiedenen Grade der Geschwindigkeit
an sich verbunden sind, da hingegen die Wörter: flie-
hen, entgehen, entfernen, nahen, nähern, wan-
deln, wandern, reisen, kommen,
etc. schon einige
Bestimmungen mehr haben. Solche Wörter haben
nun einen ihnen eigenen Nachdruck, wenn sie richtig ge-
braucht werden, und um sie richtig zu gebrauchen, muß
man ihre Nebenbestimmungen und Stuffen genau ken-
nen. Es ist aber auch schwerer, fest zu setzen, wo jede
Stuffe anfängt, zumal da solche öfters nur Verhältniß-
weise größer oder kleiner sind. Man verwirrt auch
die Sprache, wenn man solche Wörter ohne Grund
verwechselt, und überhaupt rührt eine solche Verwechs-
lung auch mehrentheils nur daher, daß man den jedem
Wort eigenen Nachdruck nicht genug kennt. Denn
auf diese Art verwechselt man die Umstände der Sache
mit derjenigen, die das unschicklich gebrauchte Wort
vorstellt.

§. 174. Ungeacht es nun einen Reichthum der Spra-
che anzeigt, wenn sie Wörter für jede Stuffen und Mo-
dificationen einer Handlung hat, so ist dieser Reichthum
dennoch nur alsdann eine Vollkommenheit, wenn solche
Wörter nicht, oder wenigstens nicht alle, Wurzelwörter
sind. Denn da es unzählige Handlungen giebt, die

mehrere
G 3

Von den Zeitwoͤrtern.
ſolchen Misverſtande am beſten vorbeugt, gehoͤrt wie-
derum zu dem, was man: einer Sprache maͤchtig
ſeyn,
nennt, und fordert, daß man auch die Sache
ſelbſt genug verſtehe.

§. 173. Wir haben ferner in den Sprachen Zeit-
woͤrter, die zwar uͤberhaupt einerley Sache, aber zu-
gleich auch die verſchiedenen Stuffen derſelben, nebſt
andern Modificationen vorſtellen. Auf dieſe Art ſind
z. E. die Woͤrter: ſchleichen, gehen, ſchreiten, ei-
len, laufen, rennen,
von einander verſchieden, welche
bald keine andere Modificationen vorſtellen, als ſolche,
die mit dem verſchiedenen Grade der Geſchwindigkeit
an ſich verbunden ſind, da hingegen die Woͤrter: flie-
hen, entgehen, entfernen, nahen, naͤhern, wan-
deln, wandern, reiſen, kommen,
ꝛc. ſchon einige
Beſtimmungen mehr haben. Solche Woͤrter haben
nun einen ihnen eigenen Nachdruck, wenn ſie richtig ge-
braucht werden, und um ſie richtig zu gebrauchen, muß
man ihre Nebenbeſtimmungen und Stuffen genau ken-
nen. Es iſt aber auch ſchwerer, feſt zu ſetzen, wo jede
Stuffe anfaͤngt, zumal da ſolche oͤfters nur Verhaͤltniß-
weiſe groͤßer oder kleiner ſind. Man verwirrt auch
die Sprache, wenn man ſolche Woͤrter ohne Grund
verwechſelt, und uͤberhaupt ruͤhrt eine ſolche Verwechs-
lung auch mehrentheils nur daher, daß man den jedem
Wort eigenen Nachdruck nicht genug kennt. Denn
auf dieſe Art verwechſelt man die Umſtaͤnde der Sache
mit derjenigen, die das unſchicklich gebrauchte Wort
vorſtellt.

§. 174. Ungeacht es nun einen Reichthum der Spra-
che anzeigt, wenn ſie Woͤrter fuͤr jede Stuffen und Mo-
dificationen einer Handlung hat, ſo iſt dieſer Reichthum
dennoch nur alsdann eine Vollkommenheit, wenn ſolche
Woͤrter nicht, oder wenigſtens nicht alle, Wurzelwoͤrter
ſind. Denn da es unzaͤhlige Handlungen giebt, die

mehrere
G 3
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[101/0107] Von den Zeitwoͤrtern. ſolchen Misverſtande am beſten vorbeugt, gehoͤrt wie- derum zu dem, was man: einer Sprache maͤchtig ſeyn, nennt, und fordert, daß man auch die Sache ſelbſt genug verſtehe. §. 173. Wir haben ferner in den Sprachen Zeit- woͤrter, die zwar uͤberhaupt einerley Sache, aber zu- gleich auch die verſchiedenen Stuffen derſelben, nebſt andern Modificationen vorſtellen. Auf dieſe Art ſind z. E. die Woͤrter: ſchleichen, gehen, ſchreiten, ei- len, laufen, rennen, von einander verſchieden, welche bald keine andere Modificationen vorſtellen, als ſolche, die mit dem verſchiedenen Grade der Geſchwindigkeit an ſich verbunden ſind, da hingegen die Woͤrter: flie- hen, entgehen, entfernen, nahen, naͤhern, wan- deln, wandern, reiſen, kommen, ꝛc. ſchon einige Beſtimmungen mehr haben. Solche Woͤrter haben nun einen ihnen eigenen Nachdruck, wenn ſie richtig ge- braucht werden, und um ſie richtig zu gebrauchen, muß man ihre Nebenbeſtimmungen und Stuffen genau ken- nen. Es iſt aber auch ſchwerer, feſt zu ſetzen, wo jede Stuffe anfaͤngt, zumal da ſolche oͤfters nur Verhaͤltniß- weiſe groͤßer oder kleiner ſind. Man verwirrt auch die Sprache, wenn man ſolche Woͤrter ohne Grund verwechſelt, und uͤberhaupt ruͤhrt eine ſolche Verwechs- lung auch mehrentheils nur daher, daß man den jedem Wort eigenen Nachdruck nicht genug kennt. Denn auf dieſe Art verwechſelt man die Umſtaͤnde der Sache mit derjenigen, die das unſchicklich gebrauchte Wort vorſtellt. §. 174. Ungeacht es nun einen Reichthum der Spra- che anzeigt, wenn ſie Woͤrter fuͤr jede Stuffen und Mo- dificationen einer Handlung hat, ſo iſt dieſer Reichthum dennoch nur alsdann eine Vollkommenheit, wenn ſolche Woͤrter nicht, oder wenigſtens nicht alle, Wurzelwoͤrter ſind. Denn da es unzaͤhlige Handlungen giebt, die mehrere G 3

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/107>, abgerufen am 24.11.2024.