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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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IV. Hauptstück.
darauf an, ob sie deutsch genug klingen, und ob sie viel
kürzer und nachdrücklicher sind, als die Umschreibungen,
die man dafür gebraucht?

§. 169. Vielleicht aber haben wir im Deutschen
Mittelwörter von einer ganz andern Art. Die Bedin-
gung, daß sie so viel als Beywörter seyn, oder statt der-
selben dienen sollen, scheint viel Willkührliches an sich
zu haben, und sie wird allgemeiner, wenn wir sie auch
auf die Hauptwörter und Zuwörter ausdehnen. Auf
diese Art wird zu einem Mittelwort erfordert, daß es
von einem Zeitwort herkomme, und die Ableitungsart
allgemein sey. Von diesen Bedingungen macht die er-
stere, daß der Begriff eines Thuns oder Lassens in
dem Mittelwort bleibt; die andere macht, daß die Mit-
telwörter nach einer allgemeinen Form gebildet, und zu-
gleich mit der Abwandlung der Zeitwörter erlernt wer-
den können.

§. 170. Diese zwo Bedingungen haben nun etwas
Allgemeines, und dem eigentlichsten Verstande des Na-
mens Mittelwort, Participium, gemäßes. Wir wol-
len nun einige Arten als Beyspiele anführen. Die er-
ste ist, daß wir im Deutschen jeden Jufinitivum zum
Hauptwort machen können. So sagen wir: das Sit-
zen, das Lesen, das Gehen, das Trinken, das
Wohlseyn,
etc. Ferner benennen wir den, der etwas
thut, ebenfalls von dem Zeitworte, welches die Hand-
lung anzeigt, mit Verwandlung der letzten Sylbe en
in er, welcher so viel als Mann bedeutet, oder in
erin, wenn es weiblichen Geschlechts ist, z. E. der
Liebhaber, der Richter, der Leser, der Hörer, etc.
die Beherrscherin, Richterin, Vorsteherin etc.

Ungeacht nun noch nicht alle Wörter, die sich auf
diese Art ableiten lassen, wirklich im Gebrauche sind, so
wird es doch wenig nothwendige Ausnahmen geben,
und sie haben in den behörigen Redensarten einen ih-

nen

IV. Hauptſtuͤck.
darauf an, ob ſie deutſch genug klingen, und ob ſie viel
kuͤrzer und nachdruͤcklicher ſind, als die Umſchreibungen,
die man dafuͤr gebraucht?

§. 169. Vielleicht aber haben wir im Deutſchen
Mittelwoͤrter von einer ganz andern Art. Die Bedin-
gung, daß ſie ſo viel als Beywoͤrter ſeyn, oder ſtatt der-
ſelben dienen ſollen, ſcheint viel Willkuͤhrliches an ſich
zu haben, und ſie wird allgemeiner, wenn wir ſie auch
auf die Hauptwoͤrter und Zuwoͤrter ausdehnen. Auf
dieſe Art wird zu einem Mittelwort erfordert, daß es
von einem Zeitwort herkomme, und die Ableitungsart
allgemein ſey. Von dieſen Bedingungen macht die er-
ſtere, daß der Begriff eines Thuns oder Laſſens in
dem Mittelwort bleibt; die andere macht, daß die Mit-
telwoͤrter nach einer allgemeinen Form gebildet, und zu-
gleich mit der Abwandlung der Zeitwoͤrter erlernt wer-
den koͤnnen.

§. 170. Dieſe zwo Bedingungen haben nun etwas
Allgemeines, und dem eigentlichſten Verſtande des Na-
mens Mittelwort, Participium, gemaͤßes. Wir wol-
len nun einige Arten als Beyſpiele anfuͤhren. Die er-
ſte iſt, daß wir im Deutſchen jeden Jufinitivum zum
Hauptwort machen koͤnnen. So ſagen wir: das Sit-
zen, das Leſen, das Gehen, das Trinken, das
Wohlſeyn,
ꝛc. Ferner benennen wir den, der etwas
thut, ebenfalls von dem Zeitworte, welches die Hand-
lung anzeigt, mit Verwandlung der letzten Sylbe en
in er, welcher ſo viel als Mann bedeutet, oder in
erin, wenn es weiblichen Geſchlechts iſt, z. E. der
Liebhaber, der Richter, der Leſer, der Hoͤrer, ꝛc.
die Beherrſcherin, Richterin, Vorſteherin ꝛc.

Ungeacht nun noch nicht alle Woͤrter, die ſich auf
dieſe Art ableiten laſſen, wirklich im Gebrauche ſind, ſo
wird es doch wenig nothwendige Ausnahmen geben,
und ſie haben in den behoͤrigen Redensarten einen ih-

nen
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[98/0104] IV. Hauptſtuͤck. darauf an, ob ſie deutſch genug klingen, und ob ſie viel kuͤrzer und nachdruͤcklicher ſind, als die Umſchreibungen, die man dafuͤr gebraucht? §. 169. Vielleicht aber haben wir im Deutſchen Mittelwoͤrter von einer ganz andern Art. Die Bedin- gung, daß ſie ſo viel als Beywoͤrter ſeyn, oder ſtatt der- ſelben dienen ſollen, ſcheint viel Willkuͤhrliches an ſich zu haben, und ſie wird allgemeiner, wenn wir ſie auch auf die Hauptwoͤrter und Zuwoͤrter ausdehnen. Auf dieſe Art wird zu einem Mittelwort erfordert, daß es von einem Zeitwort herkomme, und die Ableitungsart allgemein ſey. Von dieſen Bedingungen macht die er- ſtere, daß der Begriff eines Thuns oder Laſſens in dem Mittelwort bleibt; die andere macht, daß die Mit- telwoͤrter nach einer allgemeinen Form gebildet, und zu- gleich mit der Abwandlung der Zeitwoͤrter erlernt wer- den koͤnnen. §. 170. Dieſe zwo Bedingungen haben nun etwas Allgemeines, und dem eigentlichſten Verſtande des Na- mens Mittelwort, Participium, gemaͤßes. Wir wol- len nun einige Arten als Beyſpiele anfuͤhren. Die er- ſte iſt, daß wir im Deutſchen jeden Jufinitivum zum Hauptwort machen koͤnnen. So ſagen wir: das Sit- zen, das Leſen, das Gehen, das Trinken, das Wohlſeyn, ꝛc. Ferner benennen wir den, der etwas thut, ebenfalls von dem Zeitworte, welches die Hand- lung anzeigt, mit Verwandlung der letzten Sylbe en in er, welcher ſo viel als Mann bedeutet, oder in erin, wenn es weiblichen Geſchlechts iſt, z. E. der Liebhaber, der Richter, der Leſer, der Hoͤrer, ꝛc. die Beherrſcherin, Richterin, Vorſteherin ꝛc. Ungeacht nun noch nicht alle Woͤrter, die ſich auf dieſe Art ableiten laſſen, wirklich im Gebrauche ſind, ſo wird es doch wenig nothwendige Ausnahmen geben, und ſie haben in den behoͤrigen Redensarten einen ih- nen

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/104>, abgerufen am 27.11.2024.