kräftet, und so bleibt die Wahrheit B noch unumge- stoßen. Folglich gehet es nicht an, daß das Läugnen einer Wahrheit das Läugnen jeder andern nach sich zie- he. Demnach hängen auch die Wahrheiten nicht auf diese Art zusammen, daß es sollte angehen können.
§. 271.
Man kann diesem Beweise noch beyfügen, daß es an sich unmöglich ist, alle Wahrheiten zugleich zu läugnen, (§. 258. 259.) und daß es folglich auch aus diesem Grunde nicht angeht, daß das Läugnen einer Wahrheit das Läugnen jeder andern nach sich ziehen sollte. Uebrigens müssen wir anmerken, daß der erst erwiesene Satz keinen Mangel, sondern einen Vor- zug der Wahrheiten und ihres Zusammenhanges an- zeigt, wenn man ihn von seiner wahren Seite betrach- tet. Es bleiben nämlich bey dem Läugnen ei- ner Wahrheit nothwendig noch immer so viel andre aufrecht, daß der Läugnende sich seines Jrrthums versichern kann; oder: Jede Wahr- heit wird von den übrigen gerettet. Denn will der Läugnende nicht ganz dem Denken absagen, so muß er immer die einfachen Begriffe in der geläugneten Wahrheit, und mit denselben zugleich die Postulata von der Möglichkeit ihrer Zusammensetzung einräu- men. (§. 259. 203.)
§. 272.
Wenn die Möglichkeit eines Begriffes ge- läugnet wird, so fallen dadurch alle Sätze und Begriffe weg, in welchen er vorkommt. Denn läugnet man die Möglichkeit eines Begriffes, so setzt man, er sey A und nichtA. (§. 162.) Demnach muß man nothwendig auch setzen, dieses A und nicht A ziehe sich mit dem Begriffe in alle andre Begriffe und Sätze, in welchen er vorkömmt. Da sich nun
A und
des Wahren und Jrrigen.
kraͤftet, und ſo bleibt die Wahrheit B noch unumge- ſtoßen. Folglich gehet es nicht an, daß das Laͤugnen einer Wahrheit das Laͤugnen jeder andern nach ſich zie- he. Demnach haͤngen auch die Wahrheiten nicht auf dieſe Art zuſammen, daß es ſollte angehen koͤnnen.
§. 271.
Man kann dieſem Beweiſe noch beyfuͤgen, daß es an ſich unmoͤglich iſt, alle Wahrheiten zugleich zu laͤugnen, (§. 258. 259.) und daß es folglich auch aus dieſem Grunde nicht angeht, daß das Laͤugnen einer Wahrheit das Laͤugnen jeder andern nach ſich ziehen ſollte. Uebrigens muͤſſen wir anmerken, daß der erſt erwieſene Satz keinen Mangel, ſondern einen Vor- zug der Wahrheiten und ihres Zuſammenhanges an- zeigt, wenn man ihn von ſeiner wahren Seite betrach- tet. Es bleiben naͤmlich bey dem Laͤugnen ei- ner Wahrheit nothwendig noch immer ſo viel andre aufrecht, daß der Laͤugnende ſich ſeines Jrrthums verſichern kann; oder: Jede Wahr- heit wird von den uͤbrigen gerettet. Denn will der Laͤugnende nicht ganz dem Denken abſagen, ſo muß er immer die einfachen Begriffe in der gelaͤugneten Wahrheit, und mit denſelben zugleich die Poſtulata von der Moͤglichkeit ihrer Zuſammenſetzung einraͤu- men. (§. 259. 203.)
§. 272.
Wenn die Moͤglichkeit eines Begriffes ge- laͤugnet wird, ſo fallen dadurch alle Saͤtze und Begriffe weg, in welchen er vorkommt. Denn laͤugnet man die Moͤglichkeit eines Begriffes, ſo ſetzt man, er ſey A und nichtA. (§. 162.) Demnach muß man nothwendig auch ſetzen, dieſes A und nicht A ziehe ſich mit dem Begriffe in alle andre Begriffe und Saͤtze, in welchen er vorkoͤmmt. Da ſich nun
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des Wahren und Jrrigen.
kraͤftet, und ſo bleibt die Wahrheit B noch unumge-
ſtoßen. Folglich gehet es nicht an, daß das Laͤugnen
einer Wahrheit das Laͤugnen jeder andern nach ſich zie-
he. Demnach haͤngen auch die Wahrheiten nicht auf
dieſe Art zuſammen, daß es ſollte angehen koͤnnen.
§. 271.
Man kann dieſem Beweiſe noch beyfuͤgen, daß
es an ſich unmoͤglich iſt, alle Wahrheiten zugleich zu
laͤugnen, (§. 258. 259.) und daß es folglich auch aus
dieſem Grunde nicht angeht, daß das Laͤugnen einer
Wahrheit das Laͤugnen jeder andern nach ſich ziehen
ſollte. Uebrigens muͤſſen wir anmerken, daß der erſt
erwieſene Satz keinen Mangel, ſondern einen Vor-
zug der Wahrheiten und ihres Zuſammenhanges an-
zeigt, wenn man ihn von ſeiner wahren Seite betrach-
tet. Es bleiben naͤmlich bey dem Laͤugnen ei-
ner Wahrheit nothwendig noch immer ſo viel
andre aufrecht, daß der Laͤugnende ſich ſeines
Jrrthums verſichern kann; oder: Jede Wahr-
heit wird von den uͤbrigen gerettet. Denn will
der Laͤugnende nicht ganz dem Denken abſagen, ſo muß
er immer die einfachen Begriffe in der gelaͤugneten
Wahrheit, und mit denſelben zugleich die Poſtulata
von der Moͤglichkeit ihrer Zuſammenſetzung einraͤu-
men. (§. 259. 203.)
§. 272.
Wenn die Moͤglichkeit eines Begriffes ge-
laͤugnet wird, ſo fallen dadurch alle Saͤtze und
Begriffe weg, in welchen er vorkommt. Denn
laͤugnet man die Moͤglichkeit eines Begriffes, ſo ſetzt
man, er ſey A und nicht A. (§. 162.) Demnach
muß man nothwendig auch ſetzen, dieſes A und nicht
A ziehe ſich mit dem Begriffe in alle andre Begriffe
und Saͤtze, in welchen er vorkoͤmmt. Da ſich nun
A und
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/613>, abgerufen am 24.11.2024.
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