ge vorkommen, nach den bisher gegebenen Regeln verfährt, und Worte und Begriffe nach den Sachen richtet, sofern erhält man dadurch verschiedene Vor- theile. Die Worte, so man dabey gebraucht, be- halten die ihnen einmal gegebene Bedeutung vornehm- lich dadurch, weil sie einen realen Begriff von behö- rigem und genau bestimmtem Umfange ausdrücken. Leser, die bis dahin noch viel Unbestimmtes in ihren Begriffen hatten, tragen am wenigsten Bedenken, dieselben auf eben die Art zu bestimmen, wenn sie sehen, daß die Begriffe und Dinge real sind. Aus gleichem Grunde werden sie auch von andern hypo- thetisch angenommen, weil, wenn ein Schriftsteller seine Wörter definirt, und zeigt, daß sie reale Dinge vorstellen, es gar nicht schwer ist, ihm hierinn zu fol- gen. Man sieht nämlich mehr darauf, wiefern er in der Sache selbst, als aber nur in den Worten rich- tig geht.
§. 154.
Jndessen wird man so genau bestimmte Begriffe schwerlich im gemeinen Leben einführen können, weil da höchstens nur die oben (§. 138.) angeführten zwo Arten bestimmt bleiben. Hingegen bey abstracten Begriffen, deren Umfang durch Definitionen bestimmt werden muß, geht es nicht so leicht an, daß jeder einerley und gleich viele Merkmaale in einen Begriff zusammennehme, und folglich alle solche Begriffe bey allen Menschen weder weiter noch enger genommen werden. Der eigentliche Grund von solcher Unbe- stimmtheit ist folgender:
§. 155.
Wir gelangen auf eben die Art zu abstracten Be- griffen, wie wir zu den transcendenten gelangen. (§. 46. seqq.) Denn die transcendenten sind unter allen
abstra-
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von zuſammengeſetzten Begriffen.
ge vorkommen, nach den bisher gegebenen Regeln verfaͤhrt, und Worte und Begriffe nach den Sachen richtet, ſofern erhaͤlt man dadurch verſchiedene Vor- theile. Die Worte, ſo man dabey gebraucht, be- halten die ihnen einmal gegebene Bedeutung vornehm- lich dadurch, weil ſie einen realen Begriff von behoͤ- rigem und genau beſtimmtem Umfange ausdruͤcken. Leſer, die bis dahin noch viel Unbeſtimmtes in ihren Begriffen hatten, tragen am wenigſten Bedenken, dieſelben auf eben die Art zu beſtimmen, wenn ſie ſehen, daß die Begriffe und Dinge real ſind. Aus gleichem Grunde werden ſie auch von andern hypo- thetiſch angenommen, weil, wenn ein Schriftſteller ſeine Woͤrter definirt, und zeigt, daß ſie reale Dinge vorſtellen, es gar nicht ſchwer iſt, ihm hierinn zu fol- gen. Man ſieht naͤmlich mehr darauf, wiefern er in der Sache ſelbſt, als aber nur in den Worten rich- tig geht.
§. 154.
Jndeſſen wird man ſo genau beſtimmte Begriffe ſchwerlich im gemeinen Leben einfuͤhren koͤnnen, weil da hoͤchſtens nur die oben (§. 138.) angefuͤhrten zwo Arten beſtimmt bleiben. Hingegen bey abſtracten Begriffen, deren Umfang durch Definitionen beſtimmt werden muß, geht es nicht ſo leicht an, daß jeder einerley und gleich viele Merkmaale in einen Begriff zuſammennehme, und folglich alle ſolche Begriffe bey allen Menſchen weder weiter noch enger genommen werden. Der eigentliche Grund von ſolcher Unbe- ſtimmtheit iſt folgender:
§. 155.
Wir gelangen auf eben die Art zu abſtracten Be- griffen, wie wir zu den tranſcendenten gelangen. (§. 46. ſeqq.) Denn die tranſcendenten ſind unter allen
abſtra-
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von zuſammengeſetzten Begriffen.
ge vorkommen, nach den bisher gegebenen Regeln
verfaͤhrt, und Worte und Begriffe nach den Sachen
richtet, ſofern erhaͤlt man dadurch verſchiedene Vor-
theile. Die Worte, ſo man dabey gebraucht, be-
halten die ihnen einmal gegebene Bedeutung vornehm-
lich dadurch, weil ſie einen realen Begriff von behoͤ-
rigem und genau beſtimmtem Umfange ausdruͤcken.
Leſer, die bis dahin noch viel Unbeſtimmtes in ihren
Begriffen hatten, tragen am wenigſten Bedenken,
dieſelben auf eben die Art zu beſtimmen, wenn ſie
ſehen, daß die Begriffe und Dinge real ſind. Aus
gleichem Grunde werden ſie auch von andern hypo-
thetiſch angenommen, weil, wenn ein Schriftſteller
ſeine Woͤrter definirt, und zeigt, daß ſie reale Dinge
vorſtellen, es gar nicht ſchwer iſt, ihm hierinn zu fol-
gen. Man ſieht naͤmlich mehr darauf, wiefern er
in der Sache ſelbſt, als aber nur in den Worten rich-
tig geht.
§. 154.
Jndeſſen wird man ſo genau beſtimmte Begriffe
ſchwerlich im gemeinen Leben einfuͤhren koͤnnen, weil
da hoͤchſtens nur die oben (§. 138.) angefuͤhrten zwo
Arten beſtimmt bleiben. Hingegen bey abſtracten
Begriffen, deren Umfang durch Definitionen beſtimmt
werden muß, geht es nicht ſo leicht an, daß jeder
einerley und gleich viele Merkmaale in einen Begriff
zuſammennehme, und folglich alle ſolche Begriffe bey
allen Menſchen weder weiter noch enger genommen
werden. Der eigentliche Grund von ſolcher Unbe-
ſtimmtheit iſt folgender:
§. 155.
Wir gelangen auf eben die Art zu abſtracten Be-
griffen, wie wir zu den tranſcendenten gelangen. (§.
46. ſeqq.) Denn die tranſcendenten ſind unter allen
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/555>, abgerufen am 16.02.2025.
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