Bey allen solchen Begriffen, deren Umfang will- kührlich ist, wird es nothwendig, denselben durch ge- naue Definitionen zu bestimmen, wozu wir im ersten Hauptstücke der Dianoiologie ausführliche Anweisung gegeben haben. Da sie zusammengesetzt sind, so muß nicht nur die Möglichkeit eines jeden Merkmaals für sich, sondern auch die Möglichkeit der Zusam- mensetzung erwiesen werden, es sey, daß man durch die Erfahrung zeige, daß solche Merkmaale irgend beysammen sind; oder daß man es aus Gründen aus- mache. Jm ersten Fall werden sie zu richtigen und erwiesenen Erfahrungsbegriffen, im andern Fall aber zu eigentlich sogenannten Lehrbegriffen ge- macht. Wir können noch anmerken, daß sich solche Begriffe unter allen am leichtesten definiren lassen. Denn da sie aus einer gewissen Anzahl von Merkmaa- len bestehen, die man zusammennimmt, so gebraucht es nichts weiters, als daß man diese Merkmaale aufsuche, und sehe, wie sie mit einander verbunden sind. Die meisten metaphysischen und moralischen Begriffe gehören in diese Klasse. Man muß sich aber vor dem vorhin (§. 125.) angezeigten Fehler dabey hüten, weil sonst solche Definitionen zu einem leeren Wortkram werden.
§. 145.
Man thut hiebey auch wohl, wenn man solche Fälle anführen kann, wobey das Wort, oder besser zu sagen, der Begriff, den es vorstellt, am wenigsten mit fremden Umständen vermengt vorkömmt, aber ganz dabey vorkömmt. Solche Fälle dürfen eben nicht immer special seyn, sondern öfters giebt es ganze Klassen. Z. E. Um sich vorzustellen, daß das will- kührliche in dem Umfange der zusammengesetzten
Be-
III. Hauptſtuͤck,
§. 144.
Bey allen ſolchen Begriffen, deren Umfang will- kuͤhrlich iſt, wird es nothwendig, denſelben durch ge- naue Definitionen zu beſtimmen, wozu wir im erſten Hauptſtuͤcke der Dianoiologie ausfuͤhrliche Anweiſung gegeben haben. Da ſie zuſammengeſetzt ſind, ſo muß nicht nur die Moͤglichkeit eines jeden Merkmaals fuͤr ſich, ſondern auch die Moͤglichkeit der Zuſam- menſetzung erwieſen werden, es ſey, daß man durch die Erfahrung zeige, daß ſolche Merkmaale irgend beyſammen ſind; oder daß man es aus Gruͤnden aus- mache. Jm erſten Fall werden ſie zu richtigen und erwieſenen Erfahrungsbegriffen, im andern Fall aber zu eigentlich ſogenannten Lehrbegriffen ge- macht. Wir koͤnnen noch anmerken, daß ſich ſolche Begriffe unter allen am leichteſten definiren laſſen. Denn da ſie aus einer gewiſſen Anzahl von Merkmaa- len beſtehen, die man zuſammennimmt, ſo gebraucht es nichts weiters, als daß man dieſe Merkmaale aufſuche, und ſehe, wie ſie mit einander verbunden ſind. Die meiſten metaphyſiſchen und moraliſchen Begriffe gehoͤren in dieſe Klaſſe. Man muß ſich aber vor dem vorhin (§. 125.) angezeigten Fehler dabey huͤten, weil ſonſt ſolche Definitionen zu einem leeren Wortkram werden.
§. 145.
Man thut hiebey auch wohl, wenn man ſolche Faͤlle anfuͤhren kann, wobey das Wort, oder beſſer zu ſagen, der Begriff, den es vorſtellt, am wenigſten mit fremden Umſtaͤnden vermengt vorkoͤmmt, aber ganz dabey vorkoͤmmt. Solche Faͤlle duͤrfen eben nicht immer ſpecial ſeyn, ſondern oͤfters giebt es ganze Klaſſen. Z. E. Um ſich vorzuſtellen, daß das will- kuͤhrliche in dem Umfange der zuſammengeſetzten
Be-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0550"n="528"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">III.</hi> Hauptſtuͤck,</hi></fw><lb/><divn="3"><head>§. 144.</head><lb/><p>Bey allen ſolchen Begriffen, deren <hirendition="#fr">Umfang</hi> will-<lb/>
kuͤhrlich iſt, wird es nothwendig, denſelben durch ge-<lb/>
naue Definitionen zu beſtimmen, wozu wir im erſten<lb/>
Hauptſtuͤcke der Dianoiologie ausfuͤhrliche Anweiſung<lb/>
gegeben haben. Da ſie zuſammengeſetzt ſind, ſo muß<lb/>
nicht nur die Moͤglichkeit eines jeden Merkmaals<lb/>
fuͤr ſich, ſondern auch die Moͤglichkeit der Zuſam-<lb/>
menſetzung erwieſen werden, es ſey, daß man durch<lb/>
die Erfahrung zeige, daß ſolche Merkmaale irgend<lb/>
beyſammen <hirendition="#fr">ſind;</hi> oder daß man es aus Gruͤnden aus-<lb/>
mache. Jm erſten Fall werden ſie zu richtigen und<lb/>
erwieſenen <hirendition="#fr">Erfahrungsbegriffen,</hi> im andern Fall<lb/>
aber zu eigentlich ſogenannten <hirendition="#fr">Lehrbegriffen</hi> ge-<lb/>
macht. Wir koͤnnen noch anmerken, daß ſich ſolche<lb/>
Begriffe unter allen am leichteſten definiren laſſen.<lb/>
Denn da ſie aus einer gewiſſen Anzahl von Merkmaa-<lb/>
len beſtehen, die man zuſammennimmt, ſo gebraucht<lb/>
es nichts weiters, als daß man dieſe Merkmaale<lb/>
aufſuche, und ſehe, wie ſie mit einander verbunden<lb/>ſind. Die meiſten metaphyſiſchen und moraliſchen<lb/>
Begriffe gehoͤren in dieſe Klaſſe. Man muß ſich aber<lb/>
vor dem vorhin (§. 125.) angezeigten Fehler dabey<lb/>
huͤten, weil ſonſt ſolche Definitionen zu einem leeren<lb/>
Wortkram werden.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 145.</head><lb/><p>Man thut hiebey auch wohl, wenn man ſolche<lb/>
Faͤlle anfuͤhren kann, wobey das Wort, oder beſſer zu<lb/>ſagen, der Begriff, den es vorſtellt, am wenigſten<lb/>
mit fremden Umſtaͤnden vermengt vorkoͤmmt, aber<lb/>
ganz dabey vorkoͤmmt. Solche Faͤlle duͤrfen eben<lb/>
nicht immer ſpecial ſeyn, ſondern oͤfters giebt es ganze<lb/>
Klaſſen. Z. E. Um ſich vorzuſtellen, daß das will-<lb/>
kuͤhrliche in dem Umfange der zuſammengeſetzten<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Be-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[528/0550]
III. Hauptſtuͤck,
§. 144.
Bey allen ſolchen Begriffen, deren Umfang will-
kuͤhrlich iſt, wird es nothwendig, denſelben durch ge-
naue Definitionen zu beſtimmen, wozu wir im erſten
Hauptſtuͤcke der Dianoiologie ausfuͤhrliche Anweiſung
gegeben haben. Da ſie zuſammengeſetzt ſind, ſo muß
nicht nur die Moͤglichkeit eines jeden Merkmaals
fuͤr ſich, ſondern auch die Moͤglichkeit der Zuſam-
menſetzung erwieſen werden, es ſey, daß man durch
die Erfahrung zeige, daß ſolche Merkmaale irgend
beyſammen ſind; oder daß man es aus Gruͤnden aus-
mache. Jm erſten Fall werden ſie zu richtigen und
erwieſenen Erfahrungsbegriffen, im andern Fall
aber zu eigentlich ſogenannten Lehrbegriffen ge-
macht. Wir koͤnnen noch anmerken, daß ſich ſolche
Begriffe unter allen am leichteſten definiren laſſen.
Denn da ſie aus einer gewiſſen Anzahl von Merkmaa-
len beſtehen, die man zuſammennimmt, ſo gebraucht
es nichts weiters, als daß man dieſe Merkmaale
aufſuche, und ſehe, wie ſie mit einander verbunden
ſind. Die meiſten metaphyſiſchen und moraliſchen
Begriffe gehoͤren in dieſe Klaſſe. Man muß ſich aber
vor dem vorhin (§. 125.) angezeigten Fehler dabey
huͤten, weil ſonſt ſolche Definitionen zu einem leeren
Wortkram werden.
§. 145.
Man thut hiebey auch wohl, wenn man ſolche
Faͤlle anfuͤhren kann, wobey das Wort, oder beſſer zu
ſagen, der Begriff, den es vorſtellt, am wenigſten
mit fremden Umſtaͤnden vermengt vorkoͤmmt, aber
ganz dabey vorkoͤmmt. Solche Faͤlle duͤrfen eben
nicht immer ſpecial ſeyn, ſondern oͤfters giebt es ganze
Klaſſen. Z. E. Um ſich vorzuſtellen, daß das will-
kuͤhrliche in dem Umfange der zuſammengeſetzten
Be-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/550>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.