was alle möglichen Bestimmungen zuläßt, anfangen müsse. Denn es ist für sich klar, daß, wo das ein- fach ere an sich schon bestimmt ist, diese Bestimmung in dem zusammengesetzten nicht mehr willkührlich bleiben, und eben so das, was in dem einfachen an sich schon unmöglich ist, in dem Zusammengesetzten nicht mehr möglich werden könne. So z. E. wer- den die drey Winkel eines geradlinichten Triangels 180 Gr. machen, und zwo seiner Seiten größer seyn als die dritte, man mag den Triangel allein, oder als einen Theil einer größern Figur betrachten. Die Gränzen der Bestimmungen und der Möglich- keit werden in dem zusammengesetzten immer enger, als sie in dem einfachen sind, aber wie weit sie in dem einfachen an sich betrachtet gehen, das läßt sich allerdings füglicher finden, wenn man alles Fremde, so in der Zusammensetzung erst hinzukömmt, weg- läßt, und daher das einfache für sich vornimmt.
§. 695.
So haben wir auch (§. 661.) bereits schon an- gemerkt, daß man sich öfters begnügen kann, bey der bloßen Möglichkeit eines Begriffes anzufangen, ohne noch vorauszuwissen, wie weit sie sich erstrecke, und wiefern die Merkmaale, die ihm in einem ge- wissen Fall zukommen, in jeden Fällen, und mit welchen andern Bestimmungen sie demselben zu- kommen können. Z. E. Ein einiger Triangel ist genug, uns den Begriff zu geben, daß Triangel möglich sind, wiefern sie aber möglich sind, das läßt sich aus der nähern Betrachtung ausmachen, da man sucht, wiefern seine Seiten und Winkel eine Abwechslung zulassen. Jn den Euelidischen Ele-
menten
IX. Hauptſtuͤck,
was alle moͤglichen Beſtimmungen zulaͤßt, anfangen muͤſſe. Denn es iſt fuͤr ſich klar, daß, wo das ein- fach ere an ſich ſchon beſtimmt iſt, dieſe Beſtimmung in dem zuſammengeſetzten nicht mehr willkuͤhrlich bleiben, und eben ſo das, was in dem einfachen an ſich ſchon unmoͤglich iſt, in dem Zuſammengeſetzten nicht mehr moͤglich werden koͤnne. So z. E. wer- den die drey Winkel eines geradlinichten Triangels 180 Gr. machen, und zwo ſeiner Seiten groͤßer ſeyn als die dritte, man mag den Triangel allein, oder als einen Theil einer groͤßern Figur betrachten. Die Graͤnzen der Beſtimmungen und der Moͤglich- keit werden in dem zuſammengeſetzten immer enger, als ſie in dem einfachen ſind, aber wie weit ſie in dem einfachen an ſich betrachtet gehen, das laͤßt ſich allerdings fuͤglicher finden, wenn man alles Fremde, ſo in der Zuſammenſetzung erſt hinzukoͤmmt, weg- laͤßt, und daher das einfache fuͤr ſich vornimmt.
§. 695.
So haben wir auch (§. 661.) bereits ſchon an- gemerkt, daß man ſich oͤfters begnuͤgen kann, bey der bloßen Moͤglichkeit eines Begriffes anzufangen, ohne noch vorauszuwiſſen, wie weit ſie ſich erſtrecke, und wiefern die Merkmaale, die ihm in einem ge- wiſſen Fall zukommen, in jeden Faͤllen, und mit welchen andern Beſtimmungen ſie demſelben zu- kommen koͤnnen. Z. E. Ein einiger Triangel iſt genug, uns den Begriff zu geben, daß Triangel moͤglich ſind, wiefern ſie aber moͤglich ſind, das laͤßt ſich aus der naͤhern Betrachtung ausmachen, da man ſucht, wiefern ſeine Seiten und Winkel eine Abwechslung zulaſſen. Jn den Euelidiſchen Ele-
menten
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IX. Hauptſtuͤck,
was alle moͤglichen Beſtimmungen zulaͤßt, anfangen
muͤſſe. Denn es iſt fuͤr ſich klar, daß, wo das ein-
fach ere an ſich ſchon beſtimmt iſt, dieſe Beſtimmung
in dem zuſammengeſetzten nicht mehr willkuͤhrlich
bleiben, und eben ſo das, was in dem einfachen an
ſich ſchon unmoͤglich iſt, in dem Zuſammengeſetzten
nicht mehr moͤglich werden koͤnne. So z. E. wer-
den die drey Winkel eines geradlinichten Triangels
180 Gr. machen, und zwo ſeiner Seiten groͤßer
ſeyn als die dritte, man mag den Triangel allein,
oder als einen Theil einer groͤßern Figur betrachten.
Die Graͤnzen der Beſtimmungen und der Moͤglich-
keit werden in dem zuſammengeſetzten immer enger,
als ſie in dem einfachen ſind, aber wie weit ſie in
dem einfachen an ſich betrachtet gehen, das laͤßt ſich
allerdings fuͤglicher finden, wenn man alles Fremde,
ſo in der Zuſammenſetzung erſt hinzukoͤmmt, weg-
laͤßt, und daher das einfache fuͤr ſich vornimmt.
§. 695.
So haben wir auch (§. 661.) bereits ſchon an-
gemerkt, daß man ſich oͤfters begnuͤgen kann, bey
der bloßen Moͤglichkeit eines Begriffes anzufangen,
ohne noch vorauszuwiſſen, wie weit ſie ſich erſtrecke,
und wiefern die Merkmaale, die ihm in einem ge-
wiſſen Fall zukommen, in jeden Faͤllen, und mit
welchen andern Beſtimmungen ſie demſelben zu-
kommen koͤnnen. Z. E. Ein einiger Triangel iſt
genug, uns den Begriff zu geben, daß Triangel
moͤglich ſind, wiefern ſie aber moͤglich ſind, das laͤßt
ſich aus der naͤhern Betrachtung ausmachen, da
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/466>, abgerufen am 23.02.2025.
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