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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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von der wissenschaftlichen Erkenntniß.
be, woraus man es hätte finden können. Da nun
dieses nicht geschehen, so hat man es müssen auf die
Erfahrung ankommen lassen.
Und dieses wird
nothwendig, so oft man die Sache wirklich oder ipso
facto
nicht voraus weis, man hätte sie nun mögen können
voraus wissen oder nicht. Denn auf diese Art wird erst
nachher entschieden, ob es uns möglich gewesen
wäre. Man sehe das Beyspiel §. 3. welches in dieser
Absicht bald zum Sprüchwort geworden.

§. 636.

Jn solchen besondern Fällen gebrauchen wir eben
die Redensarten a priori, a posteriori nicht, theils,
weil sie in dem gemeinen Leben unbekannter sind, theils
auch, weil sie sich überhaupt auf die Ordnung in dem
Zusammenhang unsrer Erkenntniß beziehen. Denn
da wir die Vordersätze haben müssen, ehe wir den
Schlußsatz ziehen können, so gehen die Vordersätze
dem Schlußsatz vor, und dieses heißt demnach aller-
dings a priori gehen. Hingegen, wenn wir die Vor-
dersätze nicht haben, oder uns derselben nicht zugleich
bewußt sind, um den Schlußsatz ziehen zu können,
so haben wir kein ander Mittel, als die Erfahrung,
welche uns jeden Satz gleichsam als für sich subsisti-
rend vorstellt, (§. 605.) und wir müssen es, um den
Satz zu wissen, auf die Erfahrung ankommen lassen.
Da nun dieses nicht a priori ist, so hat man es a po-
steriori
genennt, und dadurch aus diesem letztern Be-
griffe einen Terminum infinitum (§. 89.) gemacht.

§. 637.

Man sieht aber leicht, daß diese beyden Begriffe
müssen verhältnißweise genommen werden. Denn
wollte man schließen, daß nicht nur die unmittelbaren
Erfahrungen, sondern auch alles, was wir daraus
finden können, a posteriori seyn: so würde sich der Be-

griff

von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß.
be, woraus man es haͤtte finden koͤnnen. Da nun
dieſes nicht geſchehen, ſo hat man es muͤſſen auf die
Erfahrung ankommen laſſen.
Und dieſes wird
nothwendig, ſo oft man die Sache wirklich oder ipſo
facto
nicht voraus weis, man haͤtte ſie nun moͤgen koͤnnen
voraus wiſſen oder nicht. Denn auf dieſe Art wird erſt
nachher entſchieden, ob es uns moͤglich geweſen
waͤre. Man ſehe das Beyſpiel §. 3. welches in dieſer
Abſicht bald zum Spruͤchwort geworden.

§. 636.

Jn ſolchen beſondern Faͤllen gebrauchen wir eben
die Redensarten a priori, a poſteriori nicht, theils,
weil ſie in dem gemeinen Leben unbekannter ſind, theils
auch, weil ſie ſich uͤberhaupt auf die Ordnung in dem
Zuſammenhang unſrer Erkenntniß beziehen. Denn
da wir die Vorderſaͤtze haben muͤſſen, ehe wir den
Schlußſatz ziehen koͤnnen, ſo gehen die Vorderſaͤtze
dem Schlußſatz vor, und dieſes heißt demnach aller-
dings a priori gehen. Hingegen, wenn wir die Vor-
derſaͤtze nicht haben, oder uns derſelben nicht zugleich
bewußt ſind, um den Schlußſatz ziehen zu koͤnnen,
ſo haben wir kein ander Mittel, als die Erfahrung,
welche uns jeden Satz gleichſam als fuͤr ſich ſubſiſti-
rend vorſtellt, (§. 605.) und wir muͤſſen es, um den
Satz zu wiſſen, auf die Erfahrung ankommen laſſen.
Da nun dieſes nicht a priori iſt, ſo hat man es a po-
ſteriori
genennt, und dadurch aus dieſem letztern Be-
griffe einen Terminum infinitum (§. 89.) gemacht.

§. 637.

Man ſieht aber leicht, daß dieſe beyden Begriffe
muͤſſen verhaͤltnißweiſe genommen werden. Denn
wollte man ſchließen, daß nicht nur die unmittelbaren
Erfahrungen, ſondern auch alles, was wir daraus
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griff
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[413/0435] von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß. be, woraus man es haͤtte finden koͤnnen. Da nun dieſes nicht geſchehen, ſo hat man es muͤſſen auf die Erfahrung ankommen laſſen. Und dieſes wird nothwendig, ſo oft man die Sache wirklich oder ipſo facto nicht voraus weis, man haͤtte ſie nun moͤgen koͤnnen voraus wiſſen oder nicht. Denn auf dieſe Art wird erſt nachher entſchieden, ob es uns moͤglich geweſen waͤre. Man ſehe das Beyſpiel §. 3. welches in dieſer Abſicht bald zum Spruͤchwort geworden. §. 636. Jn ſolchen beſondern Faͤllen gebrauchen wir eben die Redensarten a priori, a poſteriori nicht, theils, weil ſie in dem gemeinen Leben unbekannter ſind, theils auch, weil ſie ſich uͤberhaupt auf die Ordnung in dem Zuſammenhang unſrer Erkenntniß beziehen. Denn da wir die Vorderſaͤtze haben muͤſſen, ehe wir den Schlußſatz ziehen koͤnnen, ſo gehen die Vorderſaͤtze dem Schlußſatz vor, und dieſes heißt demnach aller- dings a priori gehen. Hingegen, wenn wir die Vor- derſaͤtze nicht haben, oder uns derſelben nicht zugleich bewußt ſind, um den Schlußſatz ziehen zu koͤnnen, ſo haben wir kein ander Mittel, als die Erfahrung, welche uns jeden Satz gleichſam als fuͤr ſich ſubſiſti- rend vorſtellt, (§. 605.) und wir muͤſſen es, um den Satz zu wiſſen, auf die Erfahrung ankommen laſſen. Da nun dieſes nicht a priori iſt, ſo hat man es a po- ſteriori genennt, und dadurch aus dieſem letztern Be- griffe einen Terminum infinitum (§. 89.) gemacht. §. 637. Man ſieht aber leicht, daß dieſe beyden Begriffe muͤſſen verhaͤltnißweiſe genommen werden. Denn wollte man ſchließen, daß nicht nur die unmittelbaren Erfahrungen, ſondern auch alles, was wir daraus finden koͤnnen, a poſteriori ſeyn: ſo wuͤrde ſich der Be- griff

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/435>, abgerufen am 22.12.2024.