Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

IX. Hauptstück,
hätte. Man vermeidet demnach unnöthige Wort-
streitc,
die ohne diese Sorgfalt leicht würden veran-
laßt werden, weil nicht jeder jedes Wort in
gleicher Bedeutung, noch jeden Begriff in glei-
chem Umfange nimmt,
sondern beyde nach seiner
bis dahin gehabten Erfahrung richtet. (§. 28. 48.)
Bilfinger, der eine besondre Geschicklichkeit hatte,
Licht und Ordnung und Genauigkeit in seine Be-
griffe zu bringen, hat diesen Weg in seinen Diluci-
dationen
genommen, und dadurch der damals noch
neuen und heftig bestrittenen Wolfischen Weltweis-
heit in vielen Stücken bessere Dienste gethan, als
Wolf selbsten. Denn in der That ist es für uns
und andre nützlicher, wenn wir, anstatt so-
gleich zu Definitionen zu eilen, und diese nach
unsern öfters noch vermengten Begriffen ein-
zurichten, vorerst etwas genauer nachsehen,
woher wir diese Begriffe haben, ob nichts
darinn sorgfältiger auseinander zu lesen sey,
und ob andre in dem Begriffe, den sie sich
von der Sache und von den Worten machen,
nichts auszulesen haben, ehe sie mit uns eins
werden können?
Versäumt man dieses, so ist es
gar leicht möglich, daß man entweder selbst mehr
oder minder in einer Verwirrung der Begriffe bleibt,
oder daß man andre darinn läßt, oder daß beydes zu-
gleich geschieht. Zum Beyspiel des letztern mögen
diejenigen Streitigkeiten dienen, wo keine Partey
weis, wovon die Rede ist, oder worüber sie eigentlich
streitet. (§. 426 seqq.)

§. 633.

Wir haben bisher die (§. 619.) angegebenen Re-
quisita
des Auseinanderlesens der Stücke einer histo-
rischen Erkenntniß ausführlicher betrachtet, und zu-

gleich

IX. Hauptſtuͤck,
haͤtte. Man vermeidet demnach unnoͤthige Wort-
ſtreitc,
die ohne dieſe Sorgfalt leicht wuͤrden veran-
laßt werden, weil nicht jeder jedes Wort in
gleicher Bedeutung, noch jeden Begriff in glei-
chem Umfange nimmt,
ſondern beyde nach ſeiner
bis dahin gehabten Erfahrung richtet. (§. 28. 48.)
Bilfinger, der eine beſondre Geſchicklichkeit hatte,
Licht und Ordnung und Genauigkeit in ſeine Be-
griffe zu bringen, hat dieſen Weg in ſeinen Diluci-
dationen
genommen, und dadurch der damals noch
neuen und heftig beſtrittenen Wolfiſchen Weltweis-
heit in vielen Stuͤcken beſſere Dienſte gethan, als
Wolf ſelbſten. Denn in der That iſt es fuͤr uns
und andre nuͤtzlicher, wenn wir, anſtatt ſo-
gleich zu Definitionen zu eilen, und dieſe nach
unſern oͤfters noch vermengten Begriffen ein-
zurichten, vorerſt etwas genauer nachſehen,
woher wir dieſe Begriffe haben, ob nichts
darinn ſorgfaͤltiger auseinander zu leſen ſey,
und ob andre in dem Begriffe, den ſie ſich
von der Sache und von den Worten machen,
nichts auszuleſen haben, ehe ſie mit uns eins
werden koͤnnen?
Verſaͤumt man dieſes, ſo iſt es
gar leicht moͤglich, daß man entweder ſelbſt mehr
oder minder in einer Verwirrung der Begriffe bleibt,
oder daß man andre darinn laͤßt, oder daß beydes zu-
gleich geſchieht. Zum Beyſpiel des letztern moͤgen
diejenigen Streitigkeiten dienen, wo keine Partey
weis, wovon die Rede iſt, oder woruͤber ſie eigentlich
ſtreitet. (§. 426 ſeqq.)

§. 633.

Wir haben bisher die (§. 619.) angegebenen Re-
quiſita
des Auseinanderleſens der Stuͤcke einer hiſto-
riſchen Erkenntniß ausfuͤhrlicher betrachtet, und zu-

gleich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0432" n="410"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IX.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">ha&#x0364;tte.</hi> Man vermeidet demnach unno&#x0364;thige <hi rendition="#fr">Wort-<lb/>
&#x017F;treitc,</hi> die ohne die&#x017F;e Sorgfalt leicht wu&#x0364;rden veran-<lb/>
laßt werden, <hi rendition="#fr">weil nicht jeder jedes Wort in<lb/>
gleicher Bedeutung, noch jeden Begriff in glei-<lb/>
chem Umfange nimmt,</hi> &#x017F;ondern beyde nach &#x017F;einer<lb/>
bis dahin gehabten Erfahrung richtet. (§. 28. 48.)<lb/><hi rendition="#fr">Bilfinger,</hi> der eine be&#x017F;ondre Ge&#x017F;chicklichkeit hatte,<lb/>
Licht und Ordnung und Genauigkeit in &#x017F;eine Be-<lb/>
griffe zu bringen, hat die&#x017F;en Weg in &#x017F;einen <hi rendition="#fr">Diluci-<lb/>
dationen</hi> genommen, und dadurch der damals noch<lb/>
neuen und heftig be&#x017F;trittenen Wolfi&#x017F;chen Weltweis-<lb/>
heit in vielen Stu&#x0364;cken be&#x017F;&#x017F;ere Dien&#x017F;te gethan, als<lb/><hi rendition="#fr">Wolf</hi> &#x017F;elb&#x017F;ten. Denn in der That i&#x017F;t es fu&#x0364;r uns<lb/>
und andre nu&#x0364;tzlicher, <hi rendition="#fr">wenn wir, an&#x017F;tatt &#x017F;o-<lb/>
gleich zu Definitionen zu eilen, und die&#x017F;e nach<lb/>
un&#x017F;ern o&#x0364;fters noch vermengten Begriffen ein-<lb/>
zurichten, vorer&#x017F;t etwas genauer nach&#x017F;ehen,<lb/>
woher wir die&#x017F;e Begriffe haben, ob nichts<lb/>
darinn &#x017F;orgfa&#x0364;ltiger auseinander zu le&#x017F;en &#x017F;ey,<lb/>
und ob andre in dem Begriffe, den &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
von der Sache und von den Worten machen,<lb/>
nichts auszule&#x017F;en haben, ehe &#x017F;ie mit uns eins<lb/>
werden ko&#x0364;nnen?</hi> Ver&#x017F;a&#x0364;umt man die&#x017F;es, &#x017F;o i&#x017F;t es<lb/>
gar leicht mo&#x0364;glich, daß man entweder &#x017F;elb&#x017F;t mehr<lb/>
oder minder in einer Verwirrung der Begriffe bleibt,<lb/>
oder daß man andre darinn la&#x0364;ßt, oder daß beydes zu-<lb/>
gleich ge&#x017F;chieht. Zum Bey&#x017F;piel des letztern mo&#x0364;gen<lb/>
diejenigen Streitigkeiten dienen, wo keine Partey<lb/>
weis, wovon die Rede i&#x017F;t, oder woru&#x0364;ber &#x017F;ie eigentlich<lb/>
&#x017F;treitet. (§. 426 &#x017F;eqq.)</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 633.</head><lb/>
            <p>Wir haben bisher die (§. 619.) angegebenen <hi rendition="#aq">Re-<lb/>
qui&#x017F;ita</hi> des Auseinanderle&#x017F;ens der Stu&#x0364;cke einer hi&#x017F;to-<lb/>
ri&#x017F;chen Erkenntniß ausfu&#x0364;hrlicher betrachtet, und zu-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gleich</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[410/0432] IX. Hauptſtuͤck, haͤtte. Man vermeidet demnach unnoͤthige Wort- ſtreitc, die ohne dieſe Sorgfalt leicht wuͤrden veran- laßt werden, weil nicht jeder jedes Wort in gleicher Bedeutung, noch jeden Begriff in glei- chem Umfange nimmt, ſondern beyde nach ſeiner bis dahin gehabten Erfahrung richtet. (§. 28. 48.) Bilfinger, der eine beſondre Geſchicklichkeit hatte, Licht und Ordnung und Genauigkeit in ſeine Be- griffe zu bringen, hat dieſen Weg in ſeinen Diluci- dationen genommen, und dadurch der damals noch neuen und heftig beſtrittenen Wolfiſchen Weltweis- heit in vielen Stuͤcken beſſere Dienſte gethan, als Wolf ſelbſten. Denn in der That iſt es fuͤr uns und andre nuͤtzlicher, wenn wir, anſtatt ſo- gleich zu Definitionen zu eilen, und dieſe nach unſern oͤfters noch vermengten Begriffen ein- zurichten, vorerſt etwas genauer nachſehen, woher wir dieſe Begriffe haben, ob nichts darinn ſorgfaͤltiger auseinander zu leſen ſey, und ob andre in dem Begriffe, den ſie ſich von der Sache und von den Worten machen, nichts auszuleſen haben, ehe ſie mit uns eins werden koͤnnen? Verſaͤumt man dieſes, ſo iſt es gar leicht moͤglich, daß man entweder ſelbſt mehr oder minder in einer Verwirrung der Begriffe bleibt, oder daß man andre darinn laͤßt, oder daß beydes zu- gleich geſchieht. Zum Beyſpiel des letztern moͤgen diejenigen Streitigkeiten dienen, wo keine Partey weis, wovon die Rede iſt, oder woruͤber ſie eigentlich ſtreitet. (§. 426 ſeqq.) §. 633. Wir haben bisher die (§. 619.) angegebenen Re- quiſita des Auseinanderleſens der Stuͤcke einer hiſto- riſchen Erkenntniß ausfuͤhrlicher betrachtet, und zu- gleich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/432
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/432>, abgerufen am 28.11.2024.