weichung der Nadel rechnen könnte. Hier bleibt dem- nach die Abweichung an sich unerörtert und willkühr- lich, da sie hingegen im ersten Fall unbestimmt war, weil die Nadel keine decidirte Lage hat. Man sieht leicht, daß beyde Gründe zusammentreffen können, wenn nämlich die Richtung der magnetischen Kraft unter dem Pole vertical ist. Was die Kräfte und Lage in der Körperwelt sind, das sind Beweggründe und Verhältnißbegriffe in der Geisterwelt Die Aus- wahl von mehrern Entschlüssen oder Handlungen wird durch die Gleichheit der Beweggründe zurückgehalten oder aufgeschoben, und eine Handlung, die man aus mehrerley Beweggründen herleiten kann, läßt in so fern willkührliche Auslegungen zu.
§. 589.
Das andre, was wir bey Erfahrungen überhaupt anzumerken haben, ist, daß in den Empfindun- gen immer etwas positives ist. Es entsteht da- her wiederum die Frage, wiefern wir etwas ver- neinendes aus Erfahrungen herausbringen können? Hiebey giebt es verschiedene Stufen. Einmal das Bewußtleyn einer Empfindung und das nicht Bewußtseyn derselben lassen sich noch am leichtesten von einander unterscheiden. Denn die Probe, ob wir uns einer Sache bewußt sind oder nicht, ist un- ter allen Proben, die wir anstellen können, die un- mittelbarste, und wir können eben so auch die verschie- denen Stufen der Klarheit des Bewußtseyns empfinden.
§. 590.
Sind wir uns nun einer Empfindung nicht be- wußt, so läßt sich zwar noch nicht schließen, daß wir sie nicht gehabt haben, denn sie könnte von einer stär- kern unterdrückt worden seyn, oder man könnte sie vergessen, oder nicht darauf Achtung gehabt haben.
Noch
von der Erfahrung.
weichung der Nadel rechnen koͤnnte. Hier bleibt dem- nach die Abweichung an ſich uneroͤrtert und willkuͤhr- lich, da ſie hingegen im erſten Fall unbeſtimmt war, weil die Nadel keine decidirte Lage hat. Man ſieht leicht, daß beyde Gruͤnde zuſammentreffen koͤnnen, wenn naͤmlich die Richtung der magnetiſchen Kraft unter dem Pole vertical iſt. Was die Kraͤfte und Lage in der Koͤrperwelt ſind, das ſind Beweggruͤnde und Verhaͤltnißbegriffe in der Geiſterwelt Die Aus- wahl von mehrern Entſchluͤſſen oder Handlungen wird durch die Gleichheit der Beweggruͤnde zuruͤckgehalten oder aufgeſchoben, und eine Handlung, die man aus mehrerley Beweggruͤnden herleiten kann, laͤßt in ſo fern willkuͤhrliche Auslegungen zu.
§. 589.
Das andre, was wir bey Erfahrungen uͤberhaupt anzumerken haben, iſt, daß in den Empfindun- gen immer etwas poſitives iſt. Es entſteht da- her wiederum die Frage, wiefern wir etwas ver- neinendes aus Erfahrungen herausbringen koͤnnen? Hiebey giebt es verſchiedene Stufen. Einmal das Bewußtleyn einer Empfindung und das nicht Bewußtſeyn derſelben laſſen ſich noch am leichteſten von einander unterſcheiden. Denn die Probe, ob wir uns einer Sache bewußt ſind oder nicht, iſt un- ter allen Proben, die wir anſtellen koͤnnen, die un- mittelbarſte, und wir koͤnnen eben ſo auch die verſchie- denen Stufen der Klarheit des Bewußtſeyns empfinden.
§. 590.
Sind wir uns nun einer Empfindung nicht be- wußt, ſo laͤßt ſich zwar noch nicht ſchließen, daß wir ſie nicht gehabt haben, denn ſie koͤnnte von einer ſtaͤr- kern unterdruͤckt worden ſeyn, oder man koͤnnte ſie vergeſſen, oder nicht darauf Achtung gehabt haben.
Noch
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von der Erfahrung.
weichung der Nadel rechnen koͤnnte. Hier bleibt dem-
nach die Abweichung an ſich uneroͤrtert und willkuͤhr-
lich, da ſie hingegen im erſten Fall unbeſtimmt war,
weil die Nadel keine decidirte Lage hat. Man ſieht
leicht, daß beyde Gruͤnde zuſammentreffen koͤnnen,
wenn naͤmlich die Richtung der magnetiſchen Kraft
unter dem Pole vertical iſt. Was die Kraͤfte und
Lage in der Koͤrperwelt ſind, das ſind Beweggruͤnde
und Verhaͤltnißbegriffe in der Geiſterwelt Die Aus-
wahl von mehrern Entſchluͤſſen oder Handlungen wird
durch die Gleichheit der Beweggruͤnde zuruͤckgehalten
oder aufgeſchoben, und eine Handlung, die man aus
mehrerley Beweggruͤnden herleiten kann, laͤßt in ſo
fern willkuͤhrliche Auslegungen zu.
§. 589.
Das andre, was wir bey Erfahrungen uͤberhaupt
anzumerken haben, iſt, daß in den Empfindun-
gen immer etwas poſitives iſt. Es entſteht da-
her wiederum die Frage, wiefern wir etwas ver-
neinendes aus Erfahrungen herausbringen
koͤnnen? Hiebey giebt es verſchiedene Stufen. Einmal
das Bewußtleyn einer Empfindung und das nicht
Bewußtſeyn derſelben laſſen ſich noch am leichteſten
von einander unterſcheiden. Denn die Probe, ob
wir uns einer Sache bewußt ſind oder nicht, iſt un-
ter allen Proben, die wir anſtellen koͤnnen, die un-
mittelbarſte, und wir koͤnnen eben ſo auch die verſchie-
denen Stufen der Klarheit des Bewußtſeyns empfinden.
§. 590.
Sind wir uns nun einer Empfindung nicht be-
wußt, ſo laͤßt ſich zwar noch nicht ſchließen, daß wir
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/401>, abgerufen am 28.11.2024.
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