wie das Wasser, welcher ihn auf den Einfall gebracht hatte, sie auf eine ähnliche Art aus einem Fasse ab- zuziehen, in den Satz verwandelt, daß die Luft ela- stisch sey, weil er gefunden, daß sie sich bey dem Aus- pumpen nicht herunter setze, sondern immer durch den ganzen Raum ausgedehnt bleibe. Es sind aber solche Fälle in der Naturlehre nicht sehr häufig, und meh- rentheils sind es nicht Ausbesserungen der Hypothesen, sondern die oben (§. 404 seqq.) angegebene analytische Methode, die auf das Wahre führt, wozu eine irrige Hypothese in so fern Anlaß geben kann, als uns etwann bey Widerlegung derselben die wahren Grün- de zu Sinne kommen. (§. 663.)
§. 572.
Ferner ist das Jndividuale, so sich bey einer Empfindung in die Vorstellung derselben mit einmengt, (§. 566.) mehrentheils etwas von dem, was wir schon vorhin bey ähnlichen Empfindungen uns vorgestellt haben, und selbst in Ansehung der Empfindung be- merken wir die Theile der Sache leichter und mit mehrerm Bewußtseyn, wozu wir eine natürliche oder angewöhnte Disposition haben. Diese macht einen Gesichtspunkt aus, aus welchem wir die Sache von einer Seite betrachten, und dabey von den übrigen Seiten mehr oder minder abstrahiren. Von diesen Seiten ist die mathematische wiederum diejenige, die sich noch am sichersten allein betrachten läßt, und daher kömmt es auch, daß man in dieser Wissenschaft große Schritte thun kann, und weit kömmt; da sich hingegen die Qualitäten der Sachen von sehr vie- lerley Seiten betrachten lassen, aber immer unvoll- ständig betrachtet werden, wenn man nur eine der- selben vornimmt, und sein Augenmerk darauf richtet.
§. 573.
VIII. Hauptſtuͤck,
wie das Waſſer, welcher ihn auf den Einfall gebracht hatte, ſie auf eine aͤhnliche Art aus einem Faſſe ab- zuziehen, in den Satz verwandelt, daß die Luft ela- ſtiſch ſey, weil er gefunden, daß ſie ſich bey dem Aus- pumpen nicht herunter ſetze, ſondern immer durch den ganzen Raum ausgedehnt bleibe. Es ſind aber ſolche Faͤlle in der Naturlehre nicht ſehr haͤufig, und meh- rentheils ſind es nicht Ausbeſſerungen der Hypotheſen, ſondern die oben (§. 404 ſeqq.) angegebene analytiſche Methode, die auf das Wahre fuͤhrt, wozu eine irrige Hypotheſe in ſo fern Anlaß geben kann, als uns etwann bey Widerlegung derſelben die wahren Gruͤn- de zu Sinne kommen. (§. 663.)
§. 572.
Ferner iſt das Jndividuale, ſo ſich bey einer Empfindung in die Vorſtellung derſelben mit einmengt, (§. 566.) mehrentheils etwas von dem, was wir ſchon vorhin bey aͤhnlichen Empfindungen uns vorgeſtellt haben, und ſelbſt in Anſehung der Empfindung be- merken wir die Theile der Sache leichter und mit mehrerm Bewußtſeyn, wozu wir eine natuͤrliche oder angewoͤhnte Diſpoſition haben. Dieſe macht einen Geſichtspunkt aus, aus welchem wir die Sache von einer Seite betrachten, und dabey von den uͤbrigen Seiten mehr oder minder abſtrahiren. Von dieſen Seiten iſt die mathematiſche wiederum diejenige, die ſich noch am ſicherſten allein betrachten laͤßt, und daher koͤmmt es auch, daß man in dieſer Wiſſenſchaft große Schritte thun kann, und weit koͤmmt; da ſich hingegen die Qualitaͤten der Sachen von ſehr vie- lerley Seiten betrachten laſſen, aber immer unvoll- ſtaͤndig betrachtet werden, wenn man nur eine der- ſelben vornimmt, und ſein Augenmerk darauf richtet.
§. 573.
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VIII. Hauptſtuͤck,
wie das Waſſer, welcher ihn auf den Einfall gebracht
hatte, ſie auf eine aͤhnliche Art aus einem Faſſe ab-
zuziehen, in den Satz verwandelt, daß die Luft ela-
ſtiſch ſey, weil er gefunden, daß ſie ſich bey dem Aus-
pumpen nicht herunter ſetze, ſondern immer durch den
ganzen Raum ausgedehnt bleibe. Es ſind aber ſolche
Faͤlle in der Naturlehre nicht ſehr haͤufig, und meh-
rentheils ſind es nicht Ausbeſſerungen der Hypotheſen,
ſondern die oben (§. 404 ſeqq.) angegebene analytiſche
Methode, die auf das Wahre fuͤhrt, wozu eine irrige
Hypotheſe in ſo fern Anlaß geben kann, als uns
etwann bey Widerlegung derſelben die wahren Gruͤn-
de zu Sinne kommen. (§. 663.)
§. 572.
Ferner iſt das Jndividuale, ſo ſich bey einer
Empfindung in die Vorſtellung derſelben mit einmengt,
(§. 566.) mehrentheils etwas von dem, was wir ſchon
vorhin bey aͤhnlichen Empfindungen uns vorgeſtellt
haben, und ſelbſt in Anſehung der Empfindung be-
merken wir die Theile der Sache leichter und mit
mehrerm Bewußtſeyn, wozu wir eine natuͤrliche oder
angewoͤhnte Diſpoſition haben. Dieſe macht einen
Geſichtspunkt aus, aus welchem wir die Sache
von einer Seite betrachten, und dabey von den uͤbrigen
Seiten mehr oder minder abſtrahiren. Von dieſen
Seiten iſt die mathematiſche wiederum diejenige,
die ſich noch am ſicherſten allein betrachten laͤßt, und
daher koͤmmt es auch, daß man in dieſer Wiſſenſchaft
große Schritte thun kann, und weit koͤmmt; da ſich
hingegen die Qualitaͤten der Sachen von ſehr vie-
lerley Seiten betrachten laſſen, aber immer unvoll-
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/386>, abgerufen am 24.11.2024.
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