um das, was die Erfahrung davon lehrt, begreiflich zu machen und herzuleiten. Die cartesische Philo- sophie ist voller Beyspiele hievon. Jst nun ein sol- cher Begriff richtig, so ist auch unstreitig, daß alles, was daraus mit Zuziehung wahrer Sätze gefolgert werden kann, durch die Erfahrung nothwendig wird bekräftigt werden. Folgt hingegen etwas falsches daraus, so fällt die Hypothese auch mehr oder minder weg, und es bleibt zu untersuchen, wiefern und was daraus wegfalle. Denn es geschieht selten, oder niemals, daß eine Hypothese, besonders wenn sie weit- läuftig ist, ganz falsch seyn sollte. Man würde dem- nach ungereimt verfahren, wenn man mit derselben die darinn verflochtenen wahren Sätze zugleich ver- werfen wollte, so wenig man sie ganz wiederum anzu- nehmen hat, wenn man etwas wahres darinn findet. Wir merken dieses hier überhaupt an, weil die Ge- schichte der Gelehrsamkeit häufige Beyspiele giebt, wie man bald zu jeden Zeiten die Meynungen unge- fehr wie die Moden abgeändert, und wechselsweise angenommen und wieder verworfen hat.
§. 568.
Die Regel Falsi in der Rechenkunst giebt uns ein Beyspiel von Hypothesen, und von der Art sie zu gebrauchen. Sie schreibt vor, man soll statt der gesuchten Zahl jede beliebige annehmen, und damit so verfahren, als wenn es die wahre wäre. Erfüllt sie die Bedingung der Aufgabe, so ist es wenigstens eine von den wahren, weil zuweilen mehrere, und wo die Aufgabe indeterminirt ist, unendlich viele möglich sind. Thut aber die willkührlich angenom- mene Zahl der Bedingung der Aufgabe nicht genügen, so sieht man, wie sie davon abweicht, und aus der Abweichung bestimmt sich sodann die Zahl, die gar
nicht
VIII. Hauptſtuͤck,
um das, was die Erfahrung davon lehrt, begreiflich zu machen und herzuleiten. Die carteſiſche Philo- ſophie iſt voller Beyſpiele hievon. Jſt nun ein ſol- cher Begriff richtig, ſo iſt auch unſtreitig, daß alles, was daraus mit Zuziehung wahrer Saͤtze gefolgert werden kann, durch die Erfahrung nothwendig wird bekraͤftigt werden. Folgt hingegen etwas falſches daraus, ſo faͤllt die Hypotheſe auch mehr oder minder weg, und es bleibt zu unterſuchen, wiefern und was daraus wegfalle. Denn es geſchieht ſelten, oder niemals, daß eine Hypotheſe, beſonders wenn ſie weit- laͤuftig iſt, ganz falſch ſeyn ſollte. Man wuͤrde dem- nach ungereimt verfahren, wenn man mit derſelben die darinn verflochtenen wahren Saͤtze zugleich ver- werfen wollte, ſo wenig man ſie ganz wiederum anzu- nehmen hat, wenn man etwas wahres darinn findet. Wir merken dieſes hier uͤberhaupt an, weil die Ge- ſchichte der Gelehrſamkeit haͤufige Beyſpiele giebt, wie man bald zu jeden Zeiten die Meynungen unge- fehr wie die Moden abgeaͤndert, und wechſelsweiſe angenommen und wieder verworfen hat.
§. 568.
Die Regel Falſi in der Rechenkunſt giebt uns ein Beyſpiel von Hypotheſen, und von der Art ſie zu gebrauchen. Sie ſchreibt vor, man ſoll ſtatt der geſuchten Zahl jede beliebige annehmen, und damit ſo verfahren, als wenn es die wahre waͤre. Erfuͤllt ſie die Bedingung der Aufgabe, ſo iſt es wenigſtens eine von den wahren, weil zuweilen mehrere, und wo die Aufgabe indeterminirt iſt, unendlich viele moͤglich ſind. Thut aber die willkuͤhrlich angenom- mene Zahl der Bedingung der Aufgabe nicht genuͤgen, ſo ſieht man, wie ſie davon abweicht, und aus der Abweichung beſtimmt ſich ſodann die Zahl, die gar
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VIII. Hauptſtuͤck,
um das, was die Erfahrung davon lehrt, begreiflich
zu machen und herzuleiten. Die carteſiſche Philo-
ſophie iſt voller Beyſpiele hievon. Jſt nun ein ſol-
cher Begriff richtig, ſo iſt auch unſtreitig, daß alles,
was daraus mit Zuziehung wahrer Saͤtze gefolgert
werden kann, durch die Erfahrung nothwendig wird
bekraͤftigt werden. Folgt hingegen etwas falſches
daraus, ſo faͤllt die Hypotheſe auch mehr oder minder
weg, und es bleibt zu unterſuchen, wiefern und was
daraus wegfalle. Denn es geſchieht ſelten, oder
niemals, daß eine Hypotheſe, beſonders wenn ſie weit-
laͤuftig iſt, ganz falſch ſeyn ſollte. Man wuͤrde dem-
nach ungereimt verfahren, wenn man mit derſelben
die darinn verflochtenen wahren Saͤtze zugleich ver-
werfen wollte, ſo wenig man ſie ganz wiederum anzu-
nehmen hat, wenn man etwas wahres darinn findet.
Wir merken dieſes hier uͤberhaupt an, weil die Ge-
ſchichte der Gelehrſamkeit haͤufige Beyſpiele giebt,
wie man bald zu jeden Zeiten die Meynungen unge-
fehr wie die Moden abgeaͤndert, und wechſelsweiſe
angenommen und wieder verworfen hat.
§. 568.
Die Regel Falſi in der Rechenkunſt giebt uns ein
Beyſpiel von Hypotheſen, und von der Art ſie zu
gebrauchen. Sie ſchreibt vor, man ſoll ſtatt der
geſuchten Zahl jede beliebige annehmen, und damit
ſo verfahren, als wenn es die wahre waͤre. Erfuͤllt
ſie die Bedingung der Aufgabe, ſo iſt es wenigſtens
eine von den wahren, weil zuweilen mehrere, und
wo die Aufgabe indeterminirt iſt, unendlich viele
moͤglich ſind. Thut aber die willkuͤhrlich angenom-
mene Zahl der Bedingung der Aufgabe nicht genuͤgen,
ſo ſieht man, wie ſie davon abweicht, und aus der
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/382>, abgerufen am 16.07.2024.
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