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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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I. Hauptstück,
zunehmen, ferner nichts mehr zusetzen kann. Z E.
in einem Triangel kann man anfangen das Ver-
hältniß der Seiten zu bestimmen, nachgehends ihre
wirkliche Größe. Jst dieses geschehen, so bleibt nichts
mehr übrig, als ihn in der That zu zeichnen, und
dadurch wird er vollkommen bestimmt, oder in-
dividual,
weil er nun an Zeit und Ort gebunden
ist.

§. 19.

Die einzelnen Dinge ändern sich nach und nach,
wie es die tägliche Erfahrung zeiget. Durch diese
Aenderung fallen einige Merkmaale weg, und an de-
ren Statt kommen andre. So lange diese Ver-
wechselung der Merkmaale nur diejenigen betrifft, die
der Sache eigen sind, so behält sie noch immer ihren
Namen der Arten und Gattungen, unter welche sie
gehört. Zum Exempel, ein Viereck bleibt ein Vier-
eck, so lange es 4 Seiten behält, man mag ihre
Länge und Verhältniß ändern, wie man will. Wird
aber eine Seite immer kleiner, und endlich = 0, so
verschwindet auch der Begriff des Viereckes, weil
sich die Figur dadurch in einen Triangel verwandelt.
Aber der Begriff, daß es noch eine Figur sey, bleibt.
Macht man aber von diesem Triangel eine Seite =0,
so verschwindet auch der Begriff von der Figur, und
es bleibt nur der Begriff von zwoen Linien. Jn der
Natur finden sich solche Verwandlungen häufig, wo-
durch der Begriff der Sache und damit zugleich ihr
Name sich ändert. Man nehme die Verwandlung
der Raupen in Schmetterlinge zum Beyspiel. Jn-
gleichen die Verwandlung der Nahrung in Fleisch,
Blut, Gebeine etc. und überhaupt auch die meisten
chymischen Verwandlungen.

§. 20.

I. Hauptſtuͤck,
zunehmen, ferner nichts mehr zuſetzen kann. Z E.
in einem Triangel kann man anfangen das Ver-
haͤltniß der Seiten zu beſtimmen, nachgehends ihre
wirkliche Groͤße. Jſt dieſes geſchehen, ſo bleibt nichts
mehr uͤbrig, als ihn in der That zu zeichnen, und
dadurch wird er vollkommen beſtimmt, oder in-
dividual,
weil er nun an Zeit und Ort gebunden
iſt.

§. 19.

Die einzelnen Dinge aͤndern ſich nach und nach,
wie es die taͤgliche Erfahrung zeiget. Durch dieſe
Aenderung fallen einige Merkmaale weg, und an de-
ren Statt kommen andre. So lange dieſe Ver-
wechſelung der Merkmaale nur diejenigen betrifft, die
der Sache eigen ſind, ſo behaͤlt ſie noch immer ihren
Namen der Arten und Gattungen, unter welche ſie
gehoͤrt. Zum Exempel, ein Viereck bleibt ein Vier-
eck, ſo lange es 4 Seiten behaͤlt, man mag ihre
Laͤnge und Verhaͤltniß aͤndern, wie man will. Wird
aber eine Seite immer kleiner, und endlich = 0, ſo
verſchwindet auch der Begriff des Viereckes, weil
ſich die Figur dadurch in einen Triangel verwandelt.
Aber der Begriff, daß es noch eine Figur ſey, bleibt.
Macht man aber von dieſem Triangel eine Seite =0,
ſo verſchwindet auch der Begriff von der Figur, und
es bleibt nur der Begriff von zwoen Linien. Jn der
Natur finden ſich ſolche Verwandlungen haͤufig, wo-
durch der Begriff der Sache und damit zugleich ihr
Name ſich aͤndert. Man nehme die Verwandlung
der Raupen in Schmetterlinge zum Beyſpiel. Jn-
gleichen die Verwandlung der Nahrung in Fleiſch,
Blut, Gebeine ꝛc. und uͤberhaupt auch die meiſten
chymiſchen Verwandlungen.

§. 20.
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[12/0034] I. Hauptſtuͤck, zunehmen, ferner nichts mehr zuſetzen kann. Z E. in einem Triangel kann man anfangen das Ver- haͤltniß der Seiten zu beſtimmen, nachgehends ihre wirkliche Groͤße. Jſt dieſes geſchehen, ſo bleibt nichts mehr uͤbrig, als ihn in der That zu zeichnen, und dadurch wird er vollkommen beſtimmt, oder in- dividual, weil er nun an Zeit und Ort gebunden iſt. §. 19. Die einzelnen Dinge aͤndern ſich nach und nach, wie es die taͤgliche Erfahrung zeiget. Durch dieſe Aenderung fallen einige Merkmaale weg, und an de- ren Statt kommen andre. So lange dieſe Ver- wechſelung der Merkmaale nur diejenigen betrifft, die der Sache eigen ſind, ſo behaͤlt ſie noch immer ihren Namen der Arten und Gattungen, unter welche ſie gehoͤrt. Zum Exempel, ein Viereck bleibt ein Vier- eck, ſo lange es 4 Seiten behaͤlt, man mag ihre Laͤnge und Verhaͤltniß aͤndern, wie man will. Wird aber eine Seite immer kleiner, und endlich = 0, ſo verſchwindet auch der Begriff des Viereckes, weil ſich die Figur dadurch in einen Triangel verwandelt. Aber der Begriff, daß es noch eine Figur ſey, bleibt. Macht man aber von dieſem Triangel eine Seite =0, ſo verſchwindet auch der Begriff von der Figur, und es bleibt nur der Begriff von zwoen Linien. Jn der Natur finden ſich ſolche Verwandlungen haͤufig, wo- durch der Begriff der Sache und damit zugleich ihr Name ſich aͤndert. Man nehme die Verwandlung der Raupen in Schmetterlinge zum Beyſpiel. Jn- gleichen die Verwandlung der Nahrung in Fleiſch, Blut, Gebeine ꝛc. und uͤberhaupt auch die meiſten chymiſchen Verwandlungen. §. 20.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/34>, abgerufen am 21.11.2024.