so kann man andern, wenn sie einander zuwiderlau- fende Meynungen behaupten, zeigen, daß sie sich selbst widersprechen, aber aus dem bloßen Widerspruch lassen sich die wahren Sätze von den falschen nicht unterscheiden. Man muß wenigstens von den wahren so viele wissen, als zureicht, die irrigen dadurch zu erkennen.
§. 380.
Vergleichen wir nun die directen Beweise mit den apogogischen, so findet sich, daß in den erstern von dem Gegentheil des Satzes, der bewiesen werden soll, keine Rede ist; und daß hingegen im andern das Ge- gentheil schlechthin widerlegt wird, indem man zeigt, daß es die Bedingung, oder eine bereits ausgemachte Wahrheit umstoße. Man sieht leicht, daß es eben nicht nöthig ist, einen Satz, der falsch ist, als ein Gegentheil zu betrachten. Denn da man zuweilen noch nicht weis, ob er wahr oder falsch sey, so kann man ihn bedingungsweise annehmen, und Schlüsse daraus ziehen, indem man ihn mit wahren Sätzen zusammenhängt. Folgt nun etwas Widersprechendes daraus, so stößt dieses den angenommenen Satz um, und man macht den Schluß, daß sein Gegentheil wahr sey. Es ist zwar nicht an sich nothwendig, daß im- mer etwas falsches daraus folge, wenn der angenom- mene Satz falsch ist. Aber es ist dennoch an sich möglich, solche Sätze damit zu verbinden, die auf einen falschen Schlußsatz führen. So z. E. die beyden ersten Sätze. (§. 379.)
Ein Viereck ist eine Figur,
Ein Triangel ist ein Viereck,
geben einen wahren Schlußsatz, nämlich, daß ein Triangel eine Figur sey, ungeachtet der Untersatz falsch ist. Es trifft aber nur deswegen so zu, weil das
Prädi-
Q 4
von den Beweiſen.
ſo kann man andern, wenn ſie einander zuwiderlau- fende Meynungen behaupten, zeigen, daß ſie ſich ſelbſt widerſprechen, aber aus dem bloßen Widerſpruch laſſen ſich die wahren Saͤtze von den falſchen nicht unterſcheiden. Man muß wenigſtens von den wahren ſo viele wiſſen, als zureicht, die irrigen dadurch zu erkennen.
§. 380.
Vergleichen wir nun die directen Beweiſe mit den apogogiſchen, ſo findet ſich, daß in den erſtern von dem Gegentheil des Satzes, der bewieſen werden ſoll, keine Rede iſt; und daß hingegen im andern das Ge- gentheil ſchlechthin widerlegt wird, indem man zeigt, daß es die Bedingung, oder eine bereits ausgemachte Wahrheit umſtoße. Man ſieht leicht, daß es eben nicht noͤthig iſt, einen Satz, der falſch iſt, als ein Gegentheil zu betrachten. Denn da man zuweilen noch nicht weis, ob er wahr oder falſch ſey, ſo kann man ihn bedingungsweiſe annehmen, und Schluͤſſe daraus ziehen, indem man ihn mit wahren Saͤtzen zuſammenhaͤngt. Folgt nun etwas Widerſprechendes daraus, ſo ſtoͤßt dieſes den angenommenen Satz um, und man macht den Schluß, daß ſein Gegentheil wahr ſey. Es iſt zwar nicht an ſich nothwendig, daß im- mer etwas falſches daraus folge, wenn der angenom- mene Satz falſch iſt. Aber es iſt dennoch an ſich moͤglich, ſolche Saͤtze damit zu verbinden, die auf einen falſchen Schlußſatz fuͤhren. So z. E. die beyden erſten Saͤtze. (§. 379.)
Ein Viereck iſt eine Figur,
Ein Triangel iſt ein Viereck,
geben einen wahren Schlußſatz, naͤmlich, daß ein Triangel eine Figur ſey, ungeachtet der Unterſatz falſch iſt. Es trifft aber nur deswegen ſo zu, weil das
Praͤdi-
Q 4
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von den Beweiſen.
ſo kann man andern, wenn ſie einander zuwiderlau-
fende Meynungen behaupten, zeigen, daß ſie ſich ſelbſt
widerſprechen, aber aus dem bloßen Widerſpruch
laſſen ſich die wahren Saͤtze von den falſchen nicht
unterſcheiden. Man muß wenigſtens von den wahren
ſo viele wiſſen, als zureicht, die irrigen dadurch zu
erkennen.
§. 380.
Vergleichen wir nun die directen Beweiſe mit den
apogogiſchen, ſo findet ſich, daß in den erſtern von
dem Gegentheil des Satzes, der bewieſen werden ſoll,
keine Rede iſt; und daß hingegen im andern das Ge-
gentheil ſchlechthin widerlegt wird, indem man zeigt,
daß es die Bedingung, oder eine bereits ausgemachte
Wahrheit umſtoße. Man ſieht leicht, daß es eben
nicht noͤthig iſt, einen Satz, der falſch iſt, als ein
Gegentheil zu betrachten. Denn da man zuweilen
noch nicht weis, ob er wahr oder falſch ſey, ſo kann
man ihn bedingungsweiſe annehmen, und Schluͤſſe
daraus ziehen, indem man ihn mit wahren Saͤtzen
zuſammenhaͤngt. Folgt nun etwas Widerſprechendes
daraus, ſo ſtoͤßt dieſes den angenommenen Satz um,
und man macht den Schluß, daß ſein Gegentheil wahr
ſey. Es iſt zwar nicht an ſich nothwendig, daß im-
mer etwas falſches daraus folge, wenn der angenom-
mene Satz falſch iſt. Aber es iſt dennoch an ſich
moͤglich, ſolche Saͤtze damit zu verbinden, die auf einen
falſchen Schlußſatz fuͤhren. So z. E. die beyden
erſten Saͤtze. (§. 379.)
Ein Viereck iſt eine Figur,
Ein Triangel iſt ein Viereck,
geben einen wahren Schlußſatz, naͤmlich, daß ein
Triangel eine Figur ſey, ungeachtet der Unterſatz falſch
iſt. Es trifft aber nur deswegen ſo zu, weil das
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/269>, abgerufen am 24.11.2024.
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