heit mehr zu finden glauben, oder durch Be- trachtungen von der Art, wie ich sie im Anfange dieser Vorrede kurz angeführt habe, zum Zwei- feln verleitet werden.
Vergleicht man die Zeichnung, so ich für wahrscheinliche Sätze, und so auch für bestimm- te Sätze gegeben, aus welchen wahrscheinliche folgen, mit dem in der Semiotic §. 23. ange- gebenen Merkmal wissenschaftlicher Zeichen: so wird man diese Zeichnung nach aller Strenge wissenschaftlich finden. Nämlich ein Satz, des- sen Bindwörtgen mit einem Bruche multipli- cirt ist, ist ein wahrscheinlicher Satz, und der Bruch drückt den Grad der Wahrscheinlichkeit aus, die sich gleichförmig über den ganzen Satz ausbreitet. Und hinwiederum müssen solche Sätze auf diese Art gezeichnet werden, wenn man das Willkührliche vermeiden will, und die Theorie der Zeichnung statt der Theorie der Sache dienen soll. Die Frage, woher die Wahrscheinlichkeit eines Satzes entstehe, wird dadurch in die verwandelt, woher das Bind- wörtgen mit einem Bruche behaftet werde. Und da zeige ich, daß dieser Bruch entstehe, wenn in den Vordersätzen der Schlußrede, wo- durch man den Satz beweißt, das Mittelglied mit Brüchen behaftet ist, und daher der Allgemeinheit des Subjects, oder der Vollstän- digkeit des Prädieats etwas abgeht. Und die- ses ist die Grundlage zur Berechnung jeder
Wahr-
Vorrede.
heit mehr zu finden glauben, oder durch Be- trachtungen von der Art, wie ich ſie im Anfange dieſer Vorrede kurz angefuͤhrt habe, zum Zwei- feln verleitet werden.
Vergleicht man die Zeichnung, ſo ich fuͤr wahrſcheinliche Saͤtze, und ſo auch fuͤr beſtimm- te Saͤtze gegeben, aus welchen wahrſcheinliche folgen, mit dem in der Semiotic §. 23. ange- gebenen Merkmal wiſſenſchaftlicher Zeichen: ſo wird man dieſe Zeichnung nach aller Strenge wiſſenſchaftlich finden. Naͤmlich ein Satz, deſ- ſen Bindwoͤrtgen mit einem Bruche multipli- cirt iſt, iſt ein wahrſcheinlicher Satz, und der Bruch druͤckt den Grad der Wahrſcheinlichkeit aus, die ſich gleichfoͤrmig uͤber den ganzen Satz ausbreitet. Und hinwiederum muͤſſen ſolche Saͤtze auf dieſe Art gezeichnet werden, wenn man das Willkuͤhrliche vermeiden will, und die Theorie der Zeichnung ſtatt der Theorie der Sache dienen ſoll. Die Frage, woher die Wahrſcheinlichkeit eines Satzes entſtehe, wird dadurch in die verwandelt, woher das Bind- woͤrtgen mit einem Bruche behaftet werde. Und da zeige ich, daß dieſer Bruch entſtehe, wenn in den Vorderſaͤtzen der Schlußrede, wo- durch man den Satz beweißt, das Mittelglied mit Bruͤchen behaftet iſt, und daher der Allgemeinheit des Subjects, oder der Vollſtaͤn- digkeit des Praͤdieats etwas abgeht. Und die- ſes iſt die Grundlage zur Berechnung jeder
Wahr-
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[0019]
Vorrede.
heit mehr zu finden glauben, oder durch Be-
trachtungen von der Art, wie ich ſie im Anfange
dieſer Vorrede kurz angefuͤhrt habe, zum Zwei-
feln verleitet werden.
Vergleicht man die Zeichnung, ſo ich fuͤr
wahrſcheinliche Saͤtze, und ſo auch fuͤr beſtimm-
te Saͤtze gegeben, aus welchen wahrſcheinliche
folgen, mit dem in der Semiotic §. 23. ange-
gebenen Merkmal wiſſenſchaftlicher Zeichen: ſo
wird man dieſe Zeichnung nach aller Strenge
wiſſenſchaftlich finden. Naͤmlich ein Satz, deſ-
ſen Bindwoͤrtgen mit einem Bruche multipli-
cirt iſt, iſt ein wahrſcheinlicher Satz, und der
Bruch druͤckt den Grad der Wahrſcheinlichkeit
aus, die ſich gleichfoͤrmig uͤber den ganzen Satz
ausbreitet. Und hinwiederum muͤſſen ſolche
Saͤtze auf dieſe Art gezeichnet werden, wenn man
das Willkuͤhrliche vermeiden will, und die
Theorie der Zeichnung ſtatt der Theorie der
Sache dienen ſoll. Die Frage, woher die
Wahrſcheinlichkeit eines Satzes entſtehe, wird
dadurch in die verwandelt, woher das Bind-
woͤrtgen mit einem Bruche behaftet werde.
Und da zeige ich, daß dieſer Bruch entſtehe,
wenn in den Vorderſaͤtzen der Schlußrede, wo-
durch man den Satz beweißt, das Mittelglied
mit Bruͤchen behaftet iſt, und daher der
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/19>, abgerufen am 23.11.2024.
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