weiß, daß besonders in abstracten Wissenschaf- ten ein großer Theil der Verschiedenheit in den Meynungen, wenn man sie näher betrachtet, auf bloße Wortstreite hinauslaufen.
Da die Sprache nicht nur an sich nothwen- dig, und ungemein weitläuftig ist, sondern bey jeden andern Arten von Zeichen ebenfalls vor- kömmt, so wird man sich nicht wundern, daß ich den übrigen Zeichen das erste Hauptstück der Semiotic allein gewiedmet, hingegen die Be- trachtung der Sprache durch die neun folgende Hauptstücke ausgedehnt habe. Denn die übrigen Arten der Zeichen sind viel zu special, als daß ich von jeder eine besondere Theorie hätte geben sollen, die aber, wie z. E. in der Music, Choreographie, Arithmetic, Algeber etc. schon großentheils vorhanden ist. Hingegen bleibt die Sprache immer das allgemeine Ma gazin unserer ganzen Erkenntniß, und faßt wah- res, irriges und scheinbares ohne Unterschied. Um desto mehr mußte sie besonders und in jeden Absichten betrachtet werden.
Von der Phänomenologie ist bisher in den Vernunftlehren noch wenig vorgekommen, so nothwendig es auch ist, das Wahre von dem Schein zu unterscheiden. Sie geht zwar auch nicht durchaus unmittelbar auf die sogenann- te logische, sondern mehr auf die metaphysi- sche Wahrheit, weil der Schein mehrentheils
dem
Vorrede.
weiß, daß beſonders in abſtracten Wiſſenſchaf- ten ein großer Theil der Verſchiedenheit in den Meynungen, wenn man ſie naͤher betrachtet, auf bloße Wortſtreite hinauslaufen.
Da die Sprache nicht nur an ſich nothwen- dig, und ungemein weitlaͤuftig iſt, ſondern bey jeden andern Arten von Zeichen ebenfalls vor- koͤmmt, ſo wird man ſich nicht wundern, daß ich den uͤbrigen Zeichen das erſte Hauptſtuͤck der Semiotic allein gewiedmet, hingegen die Be- trachtung der Sprache durch die neun folgende Hauptſtuͤcke ausgedehnt habe. Denn die uͤbrigen Arten der Zeichen ſind viel zu ſpecial, als daß ich von jeder eine beſondere Theorie haͤtte geben ſollen, die aber, wie z. E. in der Muſic, Choreographie, Arithmetic, Algeber ꝛc. ſchon großentheils vorhanden iſt. Hingegen bleibt die Sprache immer das allgemeine Ma gazin unſerer ganzen Erkenntniß, und faßt wah- res, irriges und ſcheinbares ohne Unterſchied. Um deſto mehr mußte ſie beſonders und in jeden Abſichten betrachtet werden.
Von der Phaͤnomenologie iſt bisher in den Vernunftlehren noch wenig vorgekommen, ſo nothwendig es auch iſt, das Wahre von dem Schein zu unterſcheiden. Sie geht zwar auch nicht durchaus unmittelbar auf die ſogenann- te logiſche, ſondern mehr auf die metaphyſi- ſche Wahrheit, weil der Schein mehrentheils
dem
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[0017]
Vorrede.
weiß, daß beſonders in abſtracten Wiſſenſchaf-
ten ein großer Theil der Verſchiedenheit in den
Meynungen, wenn man ſie naͤher betrachtet, auf
bloße Wortſtreite hinauslaufen.
Da die Sprache nicht nur an ſich nothwen-
dig, und ungemein weitlaͤuftig iſt, ſondern bey
jeden andern Arten von Zeichen ebenfalls vor-
koͤmmt, ſo wird man ſich nicht wundern, daß
ich den uͤbrigen Zeichen das erſte Hauptſtuͤck der
Semiotic allein gewiedmet, hingegen die Be-
trachtung der Sprache durch die neun folgende
Hauptſtuͤcke ausgedehnt habe. Denn die
uͤbrigen Arten der Zeichen ſind viel zu ſpecial,
als daß ich von jeder eine beſondere Theorie
haͤtte geben ſollen, die aber, wie z. E. in der
Muſic, Choreographie, Arithmetic, Algeber ꝛc.
ſchon großentheils vorhanden iſt. Hingegen
bleibt die Sprache immer das allgemeine Ma
gazin unſerer ganzen Erkenntniß, und faßt wah-
res, irriges und ſcheinbares ohne Unterſchied.
Um deſto mehr mußte ſie beſonders und in jeden
Abſichten betrachtet werden.
Von der Phaͤnomenologie iſt bisher in
den Vernunftlehren noch wenig vorgekommen,
ſo nothwendig es auch iſt, das Wahre von
dem Schein zu unterſcheiden. Sie geht zwar auch
nicht durchaus unmittelbar auf die ſogenann-
te logiſche, ſondern mehr auf die metaphyſi-
ſche Wahrheit, weil der Schein mehrentheils
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/17>, abgerufen am 21.11.2024.
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