Die Cosmologische Gründe, die Sie mir, mein Herr, zu Unterstützung meines Systems an- gegeben haben, sind mir desto angenehmer gewesen, weil ich eben im Begriffe ware, dasselbe von dieser Seite, auf eine genauere Art zu untersuchen. Ich bedaure nur, daß Sie so bald abgebrochen haben. Verlassen Sie sich vielleicht so sehr auf die Harmonie unserer Gedenkensart, daß Sie glauben, ich müsse mit Ihnen nothwendig bey einerley Anlässen einerley Vorstellungen haben? So sehr ich mich jederzeit be- müht habe, mich dieser vollkommenen Uebereinstim- mung zu nähern, so finde ich doch immer, daß andere Gegenstände andere und nicht vorgesehene Eindrücke machen, und das Vergnügen häuft sich bey dieser Man- nigfaltigkeit, da es genug ist, wenn Freunde in jeden Grundsätzen einig sind, weil sie sodann jede neue Fol- gen von diesen Grundsätzen einander mittheilen, und sie auch da noch harmonirend finden werden. So finde ich die mir so angenehmen Anmerkungen in Ihrem Schrei- ben, und so hoffe ich, daß Sie auch meine Antworten auf die Fragen finden werden, die Sie mir vorgelegt haben. Wir bestreben uns immermehr, Lieblinge der edlen Wahrheit zu werden, die uns ihre Grundsätze an- gabe, und so sehr wir auch anfangs verschieden dach- ten, so nahe werden wir nach der Untersuchung des Un- terschiedes zusammen treffen, und jede neue Entdeckung zu einem festen Grunde neuer harmonirender Gedanken
machen.
uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
Sechster Brief.
Die Coſmologiſche Gruͤnde, die Sie mir, mein Herr, zu Unterſtuͤtzung meines Syſtems an- gegeben haben, ſind mir deſto angenehmer geweſen, weil ich eben im Begriffe ware, daſſelbe von dieſer Seite, auf eine genauere Art zu unterſuchen. Ich bedaure nur, daß Sie ſo bald abgebrochen haben. Verlaſſen Sie ſich vielleicht ſo ſehr auf die Harmonie unſerer Gedenkensart, daß Sie glauben, ich muͤſſe mit Ihnen nothwendig bey einerley Anlaͤſſen einerley Vorſtellungen haben? So ſehr ich mich jederzeit be- muͤht habe, mich dieſer vollkommenen Uebereinſtim- mung zu naͤhern, ſo finde ich doch immer, daß andere Gegenſtaͤnde andere und nicht vorgeſehene Eindruͤcke machen, und das Vergnuͤgen haͤuft ſich bey dieſer Man- nigfaltigkeit, da es genug iſt, wenn Freunde in jeden Grundſaͤtzen einig ſind, weil ſie ſodann jede neue Fol- gen von dieſen Grundſaͤtzen einander mittheilen, und ſie auch da noch harmonirend finden werden. So finde ich die mir ſo angenehmen Anmerkungen in Ihrem Schrei- ben, und ſo hoffe ich, daß Sie auch meine Antworten auf die Fragen finden werden, die Sie mir vorgelegt haben. Wir beſtreben uns immermehr, Lieblinge der edlen Wahrheit zu werden, die uns ihre Grundſaͤtze an- gabe, und ſo ſehr wir auch anfangs verſchieden dach- ten, ſo nahe werden wir nach der Unterſuchung des Un- terſchiedes zuſammen treffen, und jede neue Entdeckung zu einem feſten Grunde neuer harmonirender Gedanken
machen.
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uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
Sechster Brief.
Die Coſmologiſche Gruͤnde, die Sie mir, mein
Herr, zu Unterſtuͤtzung meines Syſtems an-
gegeben haben, ſind mir deſto angenehmer
geweſen, weil ich eben im Begriffe ware, daſſelbe von
dieſer Seite, auf eine genauere Art zu unterſuchen.
Ich bedaure nur, daß Sie ſo bald abgebrochen haben.
Verlaſſen Sie ſich vielleicht ſo ſehr auf die Harmonie
unſerer Gedenkensart, daß Sie glauben, ich muͤſſe
mit Ihnen nothwendig bey einerley Anlaͤſſen einerley
Vorſtellungen haben? So ſehr ich mich jederzeit be-
muͤht habe, mich dieſer vollkommenen Uebereinſtim-
mung zu naͤhern, ſo finde ich doch immer, daß andere
Gegenſtaͤnde andere und nicht vorgeſehene Eindruͤcke
machen, und das Vergnuͤgen haͤuft ſich bey dieſer Man-
nigfaltigkeit, da es genug iſt, wenn Freunde in jeden
Grundſaͤtzen einig ſind, weil ſie ſodann jede neue Fol-
gen von dieſen Grundſaͤtzen einander mittheilen, und ſie
auch da noch harmonirend finden werden. So finde ich
die mir ſo angenehmen Anmerkungen in Ihrem Schrei-
ben, und ſo hoffe ich, daß Sie auch meine Antworten
auf die Fragen finden werden, die Sie mir vorgelegt
haben. Wir beſtreben uns immermehr, Lieblinge der
edlen Wahrheit zu werden, die uns ihre Grundſaͤtze an-
gabe, und ſo ſehr wir auch anfangs verſchieden dach-
ten, ſo nahe werden wir nach der Unterſuchung des Un-
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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/92>, abgerufen am 24.11.2024.
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