kunft des Sommers nicht zu freuen haben, wenn die Erde selbst sich von der Sonne entfernte. Wir sind für die Stelle geschaffen, die die Erde wirklich hat, und sie müßte ewig öde bleiben, oder es müßte eine neue Schöpfung geschehen, wenn sie sollte weggerissen werden.
So weit gehe ich nun in meinen fürchterlichen Vorstellungen nicht mehr, und werde mich immer an die Betrachtungen halten, die Sie, mein Herr, über die Satelliten angestellt. Diese habe ich von ganzem Herzen durchgangen. Ich habe einen Cometen auf alle Seiten umgewandt, um zu sehen, ob er sich in unsern Mond hätte verwandeln können. Dazu habe ich die vortheilhafteste Umstände genommen, und da ich dem Cometen einen Lauf geben müssen, der über 27mal langsamer wäre als der von der Erde, so habe ich gesetzt, der Ort des Vollmonds seye das Aphelium des Cometen gewesen, und derselbe habe sich darinn ungefehr so geschwinde bewegt, als nun der Mond thut. Allein die Ellipse, die er zuvor hätte beschrei- ben müssen, fällt ins Unmögliche, und ihr Perihelium wäre innert der Sonne zu stehen gekommen. Rücke ich das Aphelium weiter hinaus, so wäre der Comet bey der Erde entweder geschwinder gelaufen, und da- mit hätte er nicht können hangen bleiben, oder die El- lipse wäre noch unmöglicher geworden. Weiter habe ich diese Betrachtung nicht anders als auf eine allge- meine Art verfolgt. Ich fande gleich dabey, daß der Comet entweder gleich anfangs den Weg um die Erde
hätte
Coſmologiſche Briefe
kunft des Sommers nicht zu freuen haben, wenn die Erde ſelbſt ſich von der Sonne entfernte. Wir ſind fuͤr die Stelle geſchaffen, die die Erde wirklich hat, und ſie muͤßte ewig oͤde bleiben, oder es muͤßte eine neue Schoͤpfung geſchehen, wenn ſie ſollte weggeriſſen werden.
So weit gehe ich nun in meinen fuͤrchterlichen Vorſtellungen nicht mehr, und werde mich immer an die Betrachtungen halten, die Sie, mein Herr, uͤber die Satelliten angeſtellt. Dieſe habe ich von ganzem Herzen durchgangen. Ich habe einen Cometen auf alle Seiten umgewandt, um zu ſehen, ob er ſich in unſern Mond haͤtte verwandeln koͤnnen. Dazu habe ich die vortheilhafteſte Umſtaͤnde genommen, und da ich dem Cometen einen Lauf geben muͤſſen, der uͤber 27mal langſamer waͤre als der von der Erde, ſo habe ich geſetzt, der Ort des Vollmonds ſeye das Aphelium des Cometen geweſen, und derſelbe habe ſich darinn ungefehr ſo geſchwinde bewegt, als nun der Mond thut. Allein die Ellipſe, die er zuvor haͤtte beſchrei- ben muͤſſen, faͤllt ins Unmoͤgliche, und ihr Perihelium waͤre innert der Sonne zu ſtehen gekommen. Ruͤcke ich das Aphelium weiter hinaus, ſo waͤre der Comet bey der Erde entweder geſchwinder gelaufen, und da- mit haͤtte er nicht koͤnnen hangen bleiben, oder die El- lipſe waͤre noch unmoͤglicher geworden. Weiter habe ich dieſe Betrachtung nicht anders als auf eine allge- meine Art verfolgt. Ich fande gleich dabey, daß der Comet entweder gleich anfangs den Weg um die Erde
haͤtte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0055"n="22"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Coſmologiſche Briefe</hi></fw><lb/>
kunft des Sommers nicht zu freuen haben, wenn die<lb/>
Erde ſelbſt ſich von der Sonne entfernte. Wir ſind<lb/>
fuͤr die Stelle geſchaffen, die die Erde wirklich hat,<lb/>
und ſie muͤßte ewig oͤde bleiben, oder es muͤßte eine<lb/>
neue Schoͤpfung geſchehen, wenn ſie ſollte weggeriſſen<lb/>
werden.</p><lb/><p>So weit gehe ich nun in meinen fuͤrchterlichen<lb/>
Vorſtellungen nicht mehr, und werde mich immer an<lb/>
die Betrachtungen halten, die Sie, mein Herr, uͤber<lb/>
die Satelliten angeſtellt. Dieſe habe ich von ganzem<lb/>
Herzen durchgangen. Ich habe einen Cometen auf<lb/>
alle Seiten umgewandt, um zu ſehen, ob er ſich in<lb/>
unſern Mond haͤtte verwandeln koͤnnen. Dazu habe<lb/>
ich die vortheilhafteſte Umſtaͤnde genommen, und da<lb/>
ich dem Cometen einen Lauf geben muͤſſen, der uͤber<lb/>
27mal langſamer waͤre als der von der Erde, ſo habe<lb/>
ich geſetzt, der Ort des Vollmonds ſeye das <hirendition="#aq">Aphelium</hi><lb/>
des Cometen geweſen, und derſelbe habe ſich darinn<lb/>
ungefehr ſo geſchwinde bewegt, als nun der Mond<lb/>
thut. Allein die <hirendition="#aq">Ellipſe,</hi> die er zuvor haͤtte beſchrei-<lb/>
ben muͤſſen, faͤllt ins Unmoͤgliche, und ihr <hirendition="#aq">Perihelium</hi><lb/>
waͤre innert der Sonne zu ſtehen gekommen. Ruͤcke<lb/>
ich das <hirendition="#aq">Aphelium</hi> weiter hinaus, ſo waͤre der Comet<lb/>
bey der Erde entweder geſchwinder gelaufen, und da-<lb/>
mit haͤtte er nicht koͤnnen hangen bleiben, oder die <hirendition="#aq">El-<lb/>
lipſe</hi> waͤre noch unmoͤglicher geworden. Weiter habe<lb/>
ich dieſe Betrachtung nicht anders als auf eine allge-<lb/>
meine Art verfolgt. Ich fande gleich dabey, daß der<lb/>
Comet entweder gleich anfangs den Weg um die Erde<lb/><fwplace="bottom"type="catch">haͤtte</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[22/0055]
Coſmologiſche Briefe
kunft des Sommers nicht zu freuen haben, wenn die
Erde ſelbſt ſich von der Sonne entfernte. Wir ſind
fuͤr die Stelle geſchaffen, die die Erde wirklich hat,
und ſie muͤßte ewig oͤde bleiben, oder es muͤßte eine
neue Schoͤpfung geſchehen, wenn ſie ſollte weggeriſſen
werden.
So weit gehe ich nun in meinen fuͤrchterlichen
Vorſtellungen nicht mehr, und werde mich immer an
die Betrachtungen halten, die Sie, mein Herr, uͤber
die Satelliten angeſtellt. Dieſe habe ich von ganzem
Herzen durchgangen. Ich habe einen Cometen auf
alle Seiten umgewandt, um zu ſehen, ob er ſich in
unſern Mond haͤtte verwandeln koͤnnen. Dazu habe
ich die vortheilhafteſte Umſtaͤnde genommen, und da
ich dem Cometen einen Lauf geben muͤſſen, der uͤber
27mal langſamer waͤre als der von der Erde, ſo habe
ich geſetzt, der Ort des Vollmonds ſeye das Aphelium
des Cometen geweſen, und derſelbe habe ſich darinn
ungefehr ſo geſchwinde bewegt, als nun der Mond
thut. Allein die Ellipſe, die er zuvor haͤtte beſchrei-
ben muͤſſen, faͤllt ins Unmoͤgliche, und ihr Perihelium
waͤre innert der Sonne zu ſtehen gekommen. Ruͤcke
ich das Aphelium weiter hinaus, ſo waͤre der Comet
bey der Erde entweder geſchwinder gelaufen, und da-
mit haͤtte er nicht koͤnnen hangen bleiben, oder die El-
lipſe waͤre noch unmoͤglicher geworden. Weiter habe
ich dieſe Betrachtung nicht anders als auf eine allge-
meine Art verfolgt. Ich fande gleich dabey, daß der
Comet entweder gleich anfangs den Weg um die Erde
haͤtte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/55>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.