same Bahnen sich machen, so haben wir immer Krieg am Firmamente zu besorgen.
Was meynen Sie hierüber? Kann man wohl ausser der bloßen Möglichkeit etwas Wahrscheinliches in solchen Verstörungen finden? Mögen wohl Jupi- ter, Saturnus und die Erde ihre Trabanten auf eine so kriegerische Art erhascht haben, daß sie Cometen an sich zogen, und mit sich fortrissen, die doch ruhig in ihren Ellipsen hätten einhergehen können? Wie schi- cken sich die Einwohner eines Cometen in diese neue Stelle? Und ist es bey der Schöpfung der Erde und bey der Sündfluth so zugegangen, wie Whiston und Burnet und andere es beschreiben wollen? Ich sage es Ihnen aufrichtig, daß mir alles dieses als sehr ro- manenmäßig vorkömmt, das man bey Weltweisen im Ernste nicht suchen sollte. Der Verfasser des Noah mag sie immerhin gebrauchen, und Dichtern mag die Freyheit bleiben, ihrer Einbildungskraft allen Lauf zu lassen. Da lese ich sie mit Vergnügen, und setze den Comet, das Luftschiff und mehrere dergleichen Erfin- dungen leicht in eine Classe. Ein Dichter begnügt sich an der Möglichkeit, und in seiner Welt richtet er alles, wie es ihm am schönsten und wunderbarsten vor- kömmt. Allein Weltweise sollten mehr als die bloße Möglichkeit suchen, und ich gestehe Ihnen, daß ich bey so vielen schönen Wahrheiten nicht so viele Träu- me gesucht hätte. Denn anders kann ich sie doch nicht nennen, bis sie nicht wahrscheinlicher gemacht werden. Ich würde sie schlechthin den Dichtern über-
lassen,
A 3
uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
ſame Bahnen ſich machen, ſo haben wir immer Krieg am Firmamente zu beſorgen.
Was meynen Sie hieruͤber? Kann man wohl auſſer der bloßen Moͤglichkeit etwas Wahrſcheinliches in ſolchen Verſtoͤrungen finden? Moͤgen wohl Jupi- ter, Saturnus und die Erde ihre Trabanten auf eine ſo kriegeriſche Art erhaſcht haben, daß ſie Cometen an ſich zogen, und mit ſich fortriſſen, die doch ruhig in ihren Ellipſen haͤtten einhergehen koͤnnen? Wie ſchi- cken ſich die Einwohner eines Cometen in dieſe neue Stelle? Und iſt es bey der Schoͤpfung der Erde und bey der Suͤndfluth ſo zugegangen, wie Whiſton und Burnet und andere es beſchreiben wollen? Ich ſage es Ihnen aufrichtig, daß mir alles dieſes als ſehr ro- manenmaͤßig vorkoͤmmt, das man bey Weltweiſen im Ernſte nicht ſuchen ſollte. Der Verfaſſer des Noah mag ſie immerhin gebrauchen, und Dichtern mag die Freyheit bleiben, ihrer Einbildungskraft allen Lauf zu laſſen. Da leſe ich ſie mit Vergnuͤgen, und ſetze den Comet, das Luftſchiff und mehrere dergleichen Erfin- dungen leicht in eine Claſſe. Ein Dichter begnuͤgt ſich an der Moͤglichkeit, und in ſeiner Welt richtet er alles, wie es ihm am ſchoͤnſten und wunderbarſten vor- koͤmmt. Allein Weltweiſe ſollten mehr als die bloße Moͤglichkeit ſuchen, und ich geſtehe Ihnen, daß ich bey ſo vielen ſchoͤnen Wahrheiten nicht ſo viele Traͤu- me geſucht haͤtte. Denn anders kann ich ſie doch nicht nennen, bis ſie nicht wahrſcheinlicher gemacht werden. Ich wuͤrde ſie ſchlechthin den Dichtern uͤber-
laſſen,
A 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbn="5"facs="#f0038"/><fwtype="header"place="top"><hirendition="#b">uͤber die Einrichtung des Weltbaues.</hi></fw><lb/>ſame Bahnen ſich machen, ſo haben wir immer Krieg<lb/>
am Firmamente zu beſorgen.</p><lb/><p>Was meynen Sie hieruͤber? Kann man wohl<lb/>
auſſer der bloßen Moͤglichkeit etwas Wahrſcheinliches<lb/>
in ſolchen Verſtoͤrungen finden? Moͤgen wohl Jupi-<lb/>
ter, Saturnus und die Erde ihre Trabanten auf eine<lb/>ſo kriegeriſche Art erhaſcht haben, daß ſie Cometen an<lb/>ſich zogen, und mit ſich fortriſſen, die doch ruhig in<lb/>
ihren Ellipſen haͤtten einhergehen koͤnnen? Wie ſchi-<lb/>
cken ſich die Einwohner eines Cometen in dieſe neue<lb/>
Stelle? Und iſt es bey der Schoͤpfung der Erde und<lb/>
bey der Suͤndfluth ſo zugegangen, wie <hirendition="#b">Whiſton</hi> und<lb/><hirendition="#b">Burnet</hi> und andere es beſchreiben wollen? Ich ſage<lb/>
es Ihnen aufrichtig, daß mir alles dieſes als ſehr ro-<lb/>
manenmaͤßig vorkoͤmmt, das man bey Weltweiſen im<lb/>
Ernſte nicht ſuchen ſollte. Der Verfaſſer des <hirendition="#b">Noah</hi><lb/>
mag ſie immerhin gebrauchen, und Dichtern mag die<lb/>
Freyheit bleiben, ihrer Einbildungskraft allen Lauf zu<lb/>
laſſen. Da leſe ich ſie mit Vergnuͤgen, und ſetze den<lb/>
Comet, das Luftſchiff und mehrere dergleichen Erfin-<lb/>
dungen leicht in eine Claſſe. Ein Dichter begnuͤgt<lb/>ſich an der Moͤglichkeit, und in ſeiner Welt richtet er<lb/>
alles, wie es ihm am ſchoͤnſten und wunderbarſten vor-<lb/>
koͤmmt. Allein Weltweiſe ſollten mehr als die bloße<lb/>
Moͤglichkeit ſuchen, und ich geſtehe Ihnen, daß ich<lb/>
bey ſo vielen ſchoͤnen Wahrheiten nicht ſo viele Traͤu-<lb/>
me geſucht haͤtte. Denn anders kann ich ſie doch<lb/>
nicht nennen, bis ſie nicht wahrſcheinlicher gemacht<lb/>
werden. Ich wuͤrde ſie ſchlechthin den Dichtern uͤber-<lb/><fwtype="sig"place="bottom">A 3</fw><fwtype="catch"place="bottom">laſſen,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[5/0038]
uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
ſame Bahnen ſich machen, ſo haben wir immer Krieg
am Firmamente zu beſorgen.
Was meynen Sie hieruͤber? Kann man wohl
auſſer der bloßen Moͤglichkeit etwas Wahrſcheinliches
in ſolchen Verſtoͤrungen finden? Moͤgen wohl Jupi-
ter, Saturnus und die Erde ihre Trabanten auf eine
ſo kriegeriſche Art erhaſcht haben, daß ſie Cometen an
ſich zogen, und mit ſich fortriſſen, die doch ruhig in
ihren Ellipſen haͤtten einhergehen koͤnnen? Wie ſchi-
cken ſich die Einwohner eines Cometen in dieſe neue
Stelle? Und iſt es bey der Schoͤpfung der Erde und
bey der Suͤndfluth ſo zugegangen, wie Whiſton und
Burnet und andere es beſchreiben wollen? Ich ſage
es Ihnen aufrichtig, daß mir alles dieſes als ſehr ro-
manenmaͤßig vorkoͤmmt, das man bey Weltweiſen im
Ernſte nicht ſuchen ſollte. Der Verfaſſer des Noah
mag ſie immerhin gebrauchen, und Dichtern mag die
Freyheit bleiben, ihrer Einbildungskraft allen Lauf zu
laſſen. Da leſe ich ſie mit Vergnuͤgen, und ſetze den
Comet, das Luftſchiff und mehrere dergleichen Erfin-
dungen leicht in eine Claſſe. Ein Dichter begnuͤgt
ſich an der Moͤglichkeit, und in ſeiner Welt richtet er
alles, wie es ihm am ſchoͤnſten und wunderbarſten vor-
koͤmmt. Allein Weltweiſe ſollten mehr als die bloße
Moͤglichkeit ſuchen, und ich geſtehe Ihnen, daß ich
bey ſo vielen ſchoͤnen Wahrheiten nicht ſo viele Traͤu-
me geſucht haͤtte. Denn anders kann ich ſie doch
nicht nennen, bis ſie nicht wahrſcheinlicher gemacht
werden. Ich wuͤrde ſie ſchlechthin den Dichtern uͤber-
laſſen,
A 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/38>, abgerufen am 02.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.