behörig einschränken, was unreif ist, auf mehrere Erfahrungen aussetzen, das Bewiesene gutheissen, zu dem Beweisbaren tüchtige Gründe geben, das Un- vollständige ergänzen, die Lücken ausfüllen, jede Thei- le verbinden, die zu engen Schranken bis zum Gan- zen erweitern, und dieses in einen durchgängigen und vesten Zusammenhang bringen.
So billig ist diese Richterin, wo sie herrschet, daß ich mit Vergnügen vor sie trete, weil ich jeden Eigensinn verbanne, mein System ihrer Prüfung ganz unterwerfe, und da, wo ich geirrt habe, für den Irrthum Wahrheit erwarten kann. Jedesmal ist mir dieser Tausch erwünscht gewesen, und immer wird er mir noch angenehmer werden. Sie hasset den falschen Schmuck, mit welchem die Advocaten des Irrthums denselben einnehmend zu machen suchen. Sie fordert, daß man zweifele, wo die Gründe nicht zureichen, daß man jede Gründe entblößt von allem, was sie scheinbar macht, vorzeige, und da will sie nachhelfen, wenn ächte Mittel da sind, und behält sich vor, den Ausspruch zu thun, oder wenn sie ihn aufschiebt, noch anzuzeigen, was erfordert wird, zum Schlusse zu schreiten.
Sie haben mir, mein Herr, zu Errichtung meines Systems so viele Anlässe gegeben, daß ich bey jedem vorhergehenden Schreiben nicht wußte, was mir zu dem darauf folgenden einfallen würde. Und auf diese Art kam ich unvermerkt weiter, da
Sie
uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
behoͤrig einſchraͤnken, was unreif iſt, auf mehrere Erfahrungen ausſetzen, das Bewieſene gutheiſſen, zu dem Beweisbaren tuͤchtige Gruͤnde geben, das Un- vollſtaͤndige ergaͤnzen, die Luͤcken ausfuͤllen, jede Thei- le verbinden, die zu engen Schranken bis zum Gan- zen erweitern, und dieſes in einen durchgaͤngigen und veſten Zuſammenhang bringen.
So billig iſt dieſe Richterin, wo ſie herrſchet, daß ich mit Vergnuͤgen vor ſie trete, weil ich jeden Eigenſinn verbanne, mein Syſtem ihrer Pruͤfung ganz unterwerfe, und da, wo ich geirrt habe, fuͤr den Irrthum Wahrheit erwarten kann. Jedesmal iſt mir dieſer Tauſch erwuͤnſcht geweſen, und immer wird er mir noch angenehmer werden. Sie haſſet den falſchen Schmuck, mit welchem die Advocaten des Irrthums denſelben einnehmend zu machen ſuchen. Sie fordert, daß man zweifele, wo die Gruͤnde nicht zureichen, daß man jede Gruͤnde entbloͤßt von allem, was ſie ſcheinbar macht, vorzeige, und da will ſie nachhelfen, wenn aͤchte Mittel da ſind, und behaͤlt ſich vor, den Ausſpruch zu thun, oder wenn ſie ihn aufſchiebt, noch anzuzeigen, was erfordert wird, zum Schluſſe zu ſchreiten.
Sie haben mir, mein Herr, zu Errichtung meines Syſtems ſo viele Anlaͤſſe gegeben, daß ich bey jedem vorhergehenden Schreiben nicht wußte, was mir zu dem darauf folgenden einfallen wuͤrde. Und auf dieſe Art kam ich unvermerkt weiter, da
Sie
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uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
behoͤrig einſchraͤnken, was unreif iſt, auf mehrere
Erfahrungen ausſetzen, das Bewieſene gutheiſſen, zu
dem Beweisbaren tuͤchtige Gruͤnde geben, das Un-
vollſtaͤndige ergaͤnzen, die Luͤcken ausfuͤllen, jede Thei-
le verbinden, die zu engen Schranken bis zum Gan-
zen erweitern, und dieſes in einen durchgaͤngigen und
veſten Zuſammenhang bringen.
So billig iſt dieſe Richterin, wo ſie herrſchet,
daß ich mit Vergnuͤgen vor ſie trete, weil ich jeden
Eigenſinn verbanne, mein Syſtem ihrer Pruͤfung
ganz unterwerfe, und da, wo ich geirrt habe, fuͤr
den Irrthum Wahrheit erwarten kann. Jedesmal
iſt mir dieſer Tauſch erwuͤnſcht geweſen, und immer
wird er mir noch angenehmer werden. Sie haſſet
den falſchen Schmuck, mit welchem die Advocaten
des Irrthums denſelben einnehmend zu machen ſuchen.
Sie fordert, daß man zweifele, wo die Gruͤnde nicht
zureichen, daß man jede Gruͤnde entbloͤßt von allem,
was ſie ſcheinbar macht, vorzeige, und da will ſie
nachhelfen, wenn aͤchte Mittel da ſind, und behaͤlt
ſich vor, den Ausſpruch zu thun, oder wenn ſie ihn
aufſchiebt, noch anzuzeigen, was erfordert wird, zum
Schluſſe zu ſchreiten.
Sie haben mir, mein Herr, zu Errichtung
meines Syſtems ſo viele Anlaͤſſe gegeben, daß ich
bey jedem vorhergehenden Schreiben nicht wußte,
was mir zu dem darauf folgenden einfallen wuͤrde.
Und auf dieſe Art kam ich unvermerkt weiter, da
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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/332>, abgerufen am 16.02.2025.
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