Jndessen bleibt hiebey, wie bey jeden einfachen Begriffen das Mittel, daß man anzeige, wie man zu demselben gelange. Dieses Mittel haben nun die Mathematiker längst schon gebraucht. Sie ge- brauchten es aber bey solchen Größen, die keine be- stimmte Einheit haben, und die folglich vono bis zum Unendlichen anwachsen können. Von diesen gebrauchten sie, wenn vom Unendlichen die Rede war, die Ausdrücke: quauis data quantitate maior; quouis numero dato maior; lineam rectam quousque libet producere etc.
§. 910.
Wenn man demnach von daher eine Definition nehmen wollte; so müßte immer dabey vorausgesetzt werden, daß sie nur bey solchen Größen anwendbar wäre, die von 0 bis ins Unendliche gehen können, und eben dadurch des Unendlichen fähig sind. Dieses würde aber ein Cirkel im Definiren seyn. Und so wäre mit solchen Definitionen dennoch nichts ausgerichtet. Besser wird alles in Sätzen vorge- tragen. Unter diesen Sätzen müssen die eigentlichen Grundsätze und Postulata vorgehen, so wie diese in jeden Wissenschaften den Definitionen, dafern diese nicht hypothetisch bleiben sollen, vorgehen müssen.
§. 911.
Da der Begriff des Unendlichen nicht bey jeden Größen, sondern nur bey gewissen Arten von Grö- ßen vorkömmt, die nämlich von 0 bis ins Unendliche fortgehen können; so muß in einer ächten Theorie des
Unend-
M m 4
Das Endliche und das Unendliche.
§. 909.
Jndeſſen bleibt hiebey, wie bey jeden einfachen Begriffen das Mittel, daß man anzeige, wie man zu demſelben gelange. Dieſes Mittel haben nun die Mathematiker laͤngſt ſchon gebraucht. Sie ge- brauchten es aber bey ſolchen Groͤßen, die keine be- ſtimmte Einheit haben, und die folglich vono bis zum Unendlichen anwachſen koͤnnen. Von dieſen gebrauchten ſie, wenn vom Unendlichen die Rede war, die Ausdruͤcke: quauis data quantitate maior; quouis numero dato maior; lineam rectam quousque libet producere etc.
§. 910.
Wenn man demnach von daher eine Definition nehmen wollte; ſo muͤßte immer dabey vorausgeſetzt werden, daß ſie nur bey ſolchen Groͤßen anwendbar waͤre, die von 0 bis ins Unendliche gehen koͤnnen, und eben dadurch des Unendlichen faͤhig ſind. Dieſes wuͤrde aber ein Cirkel im Definiren ſeyn. Und ſo waͤre mit ſolchen Definitionen dennoch nichts ausgerichtet. Beſſer wird alles in Saͤtzen vorge- tragen. Unter dieſen Saͤtzen muͤſſen die eigentlichen Grundſaͤtze und Poſtulata vorgehen, ſo wie dieſe in jeden Wiſſenſchaften den Definitionen, dafern dieſe nicht hypothetiſch bleiben ſollen, vorgehen muͤſſen.
§. 911.
Da der Begriff des Unendlichen nicht bey jeden Groͤßen, ſondern nur bey gewiſſen Arten von Groͤ- ßen vorkoͤmmt, die naͤmlich von 0 bis ins Unendliche fortgehen koͤnnen; ſo muß in einer aͤchten Theorie des
Unend-
M m 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0559"n="551"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das Endliche und das Unendliche.</hi></fw><lb/><divn="3"><head>§. 909.</head><lb/><p>Jndeſſen bleibt hiebey, wie bey jeden <hirendition="#fr">einfachen</hi><lb/>
Begriffen das Mittel, daß man anzeige, wie man<lb/>
zu demſelben gelange. Dieſes Mittel haben nun die<lb/>
Mathematiker laͤngſt ſchon gebraucht. Sie ge-<lb/>
brauchten es aber bey ſolchen Groͤßen, die <hirendition="#fr">keine be-<lb/>ſtimmte Einheit haben,</hi> und die folglich <hirendition="#fr">von</hi><hirendition="#aq">o</hi><lb/><hirendition="#fr">bis zum Unendlichen anwachſen koͤnnen.</hi> Von<lb/>
dieſen gebrauchten ſie, wenn vom Unendlichen die<lb/>
Rede war, die Ausdruͤcke: <hirendition="#aq">quauis data quantitate<lb/>
maior; quouis numero dato maior; lineam rectam<lb/>
quousque libet producere etc.</hi></p></div><lb/><divn="3"><head>§. 910.</head><lb/><p>Wenn man demnach von daher eine Definition<lb/>
nehmen wollte; ſo muͤßte immer dabey vorausgeſetzt<lb/>
werden, daß ſie nur bey ſolchen Groͤßen anwendbar<lb/>
waͤre, die von 0 bis ins Unendliche gehen koͤnnen,<lb/>
und eben dadurch <hirendition="#fr">des Unendlichen faͤhig ſind.</hi><lb/>
Dieſes wuͤrde aber ein Cirkel im Definiren ſeyn.<lb/>
Und ſo waͤre mit ſolchen <hirendition="#fr">Definitionen</hi> dennoch nichts<lb/>
ausgerichtet. Beſſer wird alles in <hirendition="#fr">Saͤtzen</hi> vorge-<lb/>
tragen. Unter dieſen Saͤtzen muͤſſen die eigentlichen<lb/><hirendition="#fr">Grundſaͤtze</hi> und <hirendition="#aq"><hirendition="#i">Poſtulata</hi></hi> vorgehen, ſo wie dieſe<lb/>
in jeden Wiſſenſchaften den Definitionen, dafern dieſe<lb/>
nicht hypothetiſch bleiben ſollen, vorgehen muͤſſen.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 911.</head><lb/><p>Da der Begriff des <hirendition="#fr">Unendlichen</hi> nicht bey jeden<lb/>
Groͤßen, ſondern nur bey gewiſſen <hirendition="#fr">Arten</hi> von Groͤ-<lb/>
ßen vorkoͤmmt, die naͤmlich von 0 bis ins Unendliche<lb/>
fortgehen koͤnnen; ſo muß in einer aͤchten Theorie des<lb/><fwplace="bottom"type="sig">M m 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Unend-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[551/0559]
Das Endliche und das Unendliche.
§. 909.
Jndeſſen bleibt hiebey, wie bey jeden einfachen
Begriffen das Mittel, daß man anzeige, wie man
zu demſelben gelange. Dieſes Mittel haben nun die
Mathematiker laͤngſt ſchon gebraucht. Sie ge-
brauchten es aber bey ſolchen Groͤßen, die keine be-
ſtimmte Einheit haben, und die folglich von o
bis zum Unendlichen anwachſen koͤnnen. Von
dieſen gebrauchten ſie, wenn vom Unendlichen die
Rede war, die Ausdruͤcke: quauis data quantitate
maior; quouis numero dato maior; lineam rectam
quousque libet producere etc.
§. 910.
Wenn man demnach von daher eine Definition
nehmen wollte; ſo muͤßte immer dabey vorausgeſetzt
werden, daß ſie nur bey ſolchen Groͤßen anwendbar
waͤre, die von 0 bis ins Unendliche gehen koͤnnen,
und eben dadurch des Unendlichen faͤhig ſind.
Dieſes wuͤrde aber ein Cirkel im Definiren ſeyn.
Und ſo waͤre mit ſolchen Definitionen dennoch nichts
ausgerichtet. Beſſer wird alles in Saͤtzen vorge-
tragen. Unter dieſen Saͤtzen muͤſſen die eigentlichen
Grundſaͤtze und Poſtulata vorgehen, ſo wie dieſe
in jeden Wiſſenſchaften den Definitionen, dafern dieſe
nicht hypothetiſch bleiben ſollen, vorgehen muͤſſen.
§. 911.
Da der Begriff des Unendlichen nicht bey jeden
Groͤßen, ſondern nur bey gewiſſen Arten von Groͤ-
ßen vorkoͤmmt, die naͤmlich von 0 bis ins Unendliche
fortgehen koͤnnen; ſo muß in einer aͤchten Theorie des
Unend-
M m 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/559>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.