tur nicht zum Vorscheine gebracht. Dieses gehöret mehr zur Teleologie, als zur dermalen sogenannten Naturgeschichte.
XXVI.
Die wechselseitige Abhänglichkeit der Materie, der Form und der Absicht machet, daß man in practi- schen Fällen diese drey Stücke immer zugleich vor Au- gen haben muß, so fern man nur sehen will, was an sich und ohne Rücksicht auf die Vorräthigkeit der er- forderlichen wirkenden Ursachen und die übrigen Um- stände geschehen kann. Jst die Materie vorhanden so fragt sichs, wozu man sie brauchen könne oder wolle, was man damit anzustellen habe, damit sie zu etwas brauch- barem diene etc. Dieß bestimmt die Absicht und die Form so, daß die Materie die Form zulasse, die Absicht aber sie erfordere. Denn diese beyden Bedingungen sind dabey schlechthin nothwendig.
XXVII.
Jst hingegen die Absicht vorgegeben, so muß man vorerst überhaupt wissen, daß es dazu dienen- de Materien und Formen giebt. Denn sonst setzt man sich vor Schlösser in die Luft zu bauen, oder Gold zu machen ohne zu wissen aus was noch wie? Wenn man aber überhaupt weiß, daß die Absicht erhalten werden kann, so kann es doch Fälle geben, wo die Materie erst nach und nach aufgesuchet werden muß, und die Form sich nur alsdann zurei- chend bestimmen läßt, wenn man die Materie vor sich hat, und sie näher kennen lernet. Das vorhin (XXV.) angeführte Beyspiel von dem Systeme der Natur kann auch hier zur Erläuterung dienen. Das Horazische: Verbaque prouisam rem non inuita sequentur
gehöret
Zuſatz zum neunzehnten Hauptſtuͤcke.
tur nicht zum Vorſcheine gebracht. Dieſes gehoͤret mehr zur Teleologie, als zur dermalen ſogenannten Naturgeſchichte.
XXVI.
Die wechſelſeitige Abhaͤnglichkeit der Materie, der Form und der Abſicht machet, daß man in practi- ſchen Faͤllen dieſe drey Stuͤcke immer zugleich vor Au- gen haben muß, ſo fern man nur ſehen will, was an ſich und ohne Ruͤckſicht auf die Vorraͤthigkeit der er- forderlichen wirkenden Urſachen und die uͤbrigen Um- ſtaͤnde geſchehen kann. Jſt die Materie vorhanden ſo fragt ſichs, wozu man ſie brauchen koͤnne oder wolle, was man damit anzuſtellen habe, damit ſie zu etwas brauch- barem diene ꝛc. Dieß beſtimmt die Abſicht und die Form ſo, daß die Materie die Form zulaſſe, die Abſicht aber ſie erfordere. Denn dieſe beyden Bedingungen ſind dabey ſchlechthin nothwendig.
XXVII.
Jſt hingegen die Abſicht vorgegeben, ſo muß man vorerſt uͤberhaupt wiſſen, daß es dazu dienen- de Materien und Formen giebt. Denn ſonſt ſetzt man ſich vor Schloͤſſer in die Luft zu bauen, oder Gold zu machen ohne zu wiſſen aus was noch wie? Wenn man aber uͤberhaupt weiß, daß die Abſicht erhalten werden kann, ſo kann es doch Faͤlle geben, wo die Materie erſt nach und nach aufgeſuchet werden muß, und die Form ſich nur alsdann zurei- chend beſtimmen laͤßt, wenn man die Materie vor ſich hat, und ſie naͤher kennen lernet. Das vorhin (XXV.) angefuͤhrte Beyſpiel von dem Syſteme der Natur kann auch hier zur Erlaͤuterung dienen. Das Horaziſche: Verbaque prouiſam rem non inuita ſequentur
gehoͤret
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0259"n="251"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Zuſatz zum neunzehnten Hauptſtuͤcke.</hi></fw><lb/><hirendition="#fr">tur</hi> nicht zum Vorſcheine gebracht. Dieſes gehoͤret<lb/>
mehr zur Teleologie, als zur dermalen ſogenannten<lb/>
Naturgeſchichte.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#aq">XXVI.</hi></head><lb/><p>Die wechſelſeitige Abhaͤnglichkeit der <hirendition="#fr">Materie,</hi> der<lb/><hirendition="#fr">Form</hi> und der <hirendition="#fr">Abſicht</hi> machet, daß man in practi-<lb/>ſchen Faͤllen dieſe drey Stuͤcke immer zugleich vor Au-<lb/>
gen haben muß, ſo fern man nur ſehen will, was an<lb/>ſich und ohne Ruͤckſicht auf die Vorraͤthigkeit der er-<lb/>
forderlichen wirkenden Urſachen und die uͤbrigen Um-<lb/>ſtaͤnde geſchehen kann. Jſt die <hirendition="#fr">Materie</hi> vorhanden ſo<lb/>
fragt ſichs, wozu man ſie brauchen koͤnne oder wolle, was<lb/>
man damit anzuſtellen habe, damit ſie zu etwas brauch-<lb/>
barem diene ꝛc. Dieß beſtimmt die <hirendition="#fr">Abſicht</hi> und<lb/>
die <hirendition="#fr">Form</hi>ſo, daß die <hirendition="#fr">Materie</hi> die <hirendition="#fr">Form zulaſſe,</hi><lb/>
die Abſicht aber ſie <hirendition="#fr">erfordere.</hi> Denn dieſe beyden<lb/>
Bedingungen ſind dabey ſchlechthin nothwendig.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#aq">XXVII.</hi></head><lb/><p>Jſt hingegen die <hirendition="#fr">Abſicht</hi> vorgegeben, ſo muß<lb/>
man vorerſt <hirendition="#fr">uͤberhaupt</hi> wiſſen, daß es dazu dienen-<lb/>
de <hirendition="#fr">Materien</hi> und <hirendition="#fr">Formen</hi> giebt. Denn ſonſt ſetzt<lb/>
man ſich vor <hirendition="#fr">Schloͤſſer in die Luft zu bauen,</hi><lb/>
oder Gold zu machen ohne zu wiſſen <hirendition="#fr">aus was</hi> noch<lb/><hirendition="#fr">wie?</hi> Wenn man aber uͤberhaupt weiß, daß die<lb/><hirendition="#fr">Abſicht</hi> erhalten werden kann, ſo kann es doch Faͤlle<lb/>
geben, wo die <hirendition="#fr">Materie</hi> erſt nach und nach aufgeſuchet<lb/>
werden muß, und die <hirendition="#fr">Form</hi>ſich nur alsdann zurei-<lb/>
chend beſtimmen laͤßt, wenn man die <hirendition="#fr">Materie</hi> vor<lb/>ſich hat, und ſie naͤher kennen lernet. Das vorhin<lb/>
(<hirendition="#aq">XXV.</hi>) angefuͤhrte Beyſpiel von dem <hirendition="#fr">Syſteme der<lb/>
Natur</hi> kann auch hier zur Erlaͤuterung dienen.<lb/>
Das <hirendition="#fr">Horaziſche:</hi><lb/><citrendition="#c"><quote><hirendition="#aq">Verbaque prouiſam rem non inuita ſequentur</hi></quote><bibl/></cit><lb/><fwplace="bottom"type="catch">gehoͤret</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[251/0259]
Zuſatz zum neunzehnten Hauptſtuͤcke.
tur nicht zum Vorſcheine gebracht. Dieſes gehoͤret
mehr zur Teleologie, als zur dermalen ſogenannten
Naturgeſchichte.
XXVI.
Die wechſelſeitige Abhaͤnglichkeit der Materie, der
Form und der Abſicht machet, daß man in practi-
ſchen Faͤllen dieſe drey Stuͤcke immer zugleich vor Au-
gen haben muß, ſo fern man nur ſehen will, was an
ſich und ohne Ruͤckſicht auf die Vorraͤthigkeit der er-
forderlichen wirkenden Urſachen und die uͤbrigen Um-
ſtaͤnde geſchehen kann. Jſt die Materie vorhanden ſo
fragt ſichs, wozu man ſie brauchen koͤnne oder wolle, was
man damit anzuſtellen habe, damit ſie zu etwas brauch-
barem diene ꝛc. Dieß beſtimmt die Abſicht und
die Form ſo, daß die Materie die Form zulaſſe,
die Abſicht aber ſie erfordere. Denn dieſe beyden
Bedingungen ſind dabey ſchlechthin nothwendig.
XXVII.
Jſt hingegen die Abſicht vorgegeben, ſo muß
man vorerſt uͤberhaupt wiſſen, daß es dazu dienen-
de Materien und Formen giebt. Denn ſonſt ſetzt
man ſich vor Schloͤſſer in die Luft zu bauen,
oder Gold zu machen ohne zu wiſſen aus was noch
wie? Wenn man aber uͤberhaupt weiß, daß die
Abſicht erhalten werden kann, ſo kann es doch Faͤlle
geben, wo die Materie erſt nach und nach aufgeſuchet
werden muß, und die Form ſich nur alsdann zurei-
chend beſtimmen laͤßt, wenn man die Materie vor
ſich hat, und ſie naͤher kennen lernet. Das vorhin
(XXV.) angefuͤhrte Beyſpiel von dem Syſteme der
Natur kann auch hier zur Erlaͤuterung dienen.
Das Horaziſche:
Verbaque prouiſam rem non inuita ſequentur
gehoͤret
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/259>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.