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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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Zusatz zum neunzehnten Hauptstücke.
verschiedene Arten davon ab. Einmal gab der aus
der Vieldeutigkeit des Wortes otia herrührende Be-
griff, daß die Form eine Ursache seyn, und daher
doch auch etwas zur ganzen Wirkung beytragen
mußte, Anlaß, daß man sehr geneigt wurde, beson-
ders in körperlichen Dingen, das, was nicht im phy-
sischen Verstande
Materie, das will sagen, kör-
perliche
Materie war, mit zu der Form zu rechnen.
Jn dieser Absicht aber mußten die Kräfte, so fern
sie nicht auf eine körperliche Art materiell sind, mit
zur Form genommen werden. Und so läßt sichs be-
greifen, wie es zugieng, daß die menschliche Seele
als die Form des Menschen angesehen wurde.
Eben so wurden nach und nach bald jede einzelne Be-
stimmungen Form genennet. Endlich sah man,
wenigstens in gewissen Fällen, Form und Figur so
ziemlich als eins an.

VII.

Hiebey wurde nun außer der Zweydeutigkeit, die
in dem Worte Materie vorkam, durch ein unver-
merktes Clinamen principiorum, der Begriff Form
mit fremden Bestimmungen theils verwechselt theils
vermengt, so daß man bey Durchlesung der schola-
stischen und auch neuerer metaphysischen Schriften,
Mühe hat, genau zu finden, in welchem Verstande
das Wort Form jedesmal müsse genommen werden.
Jch erinnere mich nicht, eine nette und der Sache
selbst angemessene Bestimmung, und noch viel weni-
ger eine eigentliche Abzählung alles dessen, was zur
Form gerechnet werden muß, irgend gefunden zu
haben, ungeachtet ich nicht leicht ein metaphysisches
oder dialectisches Werk weglegte, ohne mich umzu-
sehen, was darinn von der Form gesagt wird. Der
Begriff schien von Wichtigkeit zu seyn, und so sah ich,

selbst

Zuſatz zum neunzehnten Hauptſtuͤcke.
verſchiedene Arten davon ab. Einmal gab der aus
der Vieldeutigkeit des Wortes ωτια herruͤhrende Be-
griff, daß die Form eine Urſache ſeyn, und daher
doch auch etwas zur ganzen Wirkung beytragen
mußte, Anlaß, daß man ſehr geneigt wurde, beſon-
ders in koͤrperlichen Dingen, das, was nicht im phy-
ſiſchen Verſtande
Materie, das will ſagen, koͤr-
perliche
Materie war, mit zu der Form zu rechnen.
Jn dieſer Abſicht aber mußten die Kraͤfte, ſo fern
ſie nicht auf eine koͤrperliche Art materiell ſind, mit
zur Form genommen werden. Und ſo laͤßt ſichs be-
greifen, wie es zugieng, daß die menſchliche Seele
als die Form des Menſchen angeſehen wurde.
Eben ſo wurden nach und nach bald jede einzelne Be-
ſtimmungen Form genennet. Endlich ſah man,
wenigſtens in gewiſſen Faͤllen, Form und Figur ſo
ziemlich als eins an.

VII.

Hiebey wurde nun außer der Zweydeutigkeit, die
in dem Worte Materie vorkam, durch ein unver-
merktes Clinamen principiorum, der Begriff Form
mit fremden Beſtimmungen theils verwechſelt theils
vermengt, ſo daß man bey Durchleſung der ſchola-
ſtiſchen und auch neuerer metaphyſiſchen Schriften,
Muͤhe hat, genau zu finden, in welchem Verſtande
das Wort Form jedesmal muͤſſe genommen werden.
Jch erinnere mich nicht, eine nette und der Sache
ſelbſt angemeſſene Beſtimmung, und noch viel weni-
ger eine eigentliche Abzaͤhlung alles deſſen, was zur
Form gerechnet werden muß, irgend gefunden zu
haben, ungeachtet ich nicht leicht ein metaphyſiſches
oder dialectiſches Werk weglegte, ohne mich umzu-
ſehen, was darinn von der Form geſagt wird. Der
Begriff ſchien von Wichtigkeit zu ſeyn, und ſo ſah ich,

ſelbſt
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[236/0244] Zuſatz zum neunzehnten Hauptſtuͤcke. verſchiedene Arten davon ab. Einmal gab der aus der Vieldeutigkeit des Wortes ωτια herruͤhrende Be- griff, daß die Form eine Urſache ſeyn, und daher doch auch etwas zur ganzen Wirkung beytragen mußte, Anlaß, daß man ſehr geneigt wurde, beſon- ders in koͤrperlichen Dingen, das, was nicht im phy- ſiſchen Verſtande Materie, das will ſagen, koͤr- perliche Materie war, mit zu der Form zu rechnen. Jn dieſer Abſicht aber mußten die Kraͤfte, ſo fern ſie nicht auf eine koͤrperliche Art materiell ſind, mit zur Form genommen werden. Und ſo laͤßt ſichs be- greifen, wie es zugieng, daß die menſchliche Seele als die Form des Menſchen angeſehen wurde. Eben ſo wurden nach und nach bald jede einzelne Be- ſtimmungen Form genennet. Endlich ſah man, wenigſtens in gewiſſen Faͤllen, Form und Figur ſo ziemlich als eins an. VII. Hiebey wurde nun außer der Zweydeutigkeit, die in dem Worte Materie vorkam, durch ein unver- merktes Clinamen principiorum, der Begriff Form mit fremden Beſtimmungen theils verwechſelt theils vermengt, ſo daß man bey Durchleſung der ſchola- ſtiſchen und auch neuerer metaphyſiſchen Schriften, Muͤhe hat, genau zu finden, in welchem Verſtande das Wort Form jedesmal muͤſſe genommen werden. Jch erinnere mich nicht, eine nette und der Sache ſelbſt angemeſſene Beſtimmung, und noch viel weni- ger eine eigentliche Abzaͤhlung alles deſſen, was zur Form gerechnet werden muß, irgend gefunden zu haben, ungeachtet ich nicht leicht ein metaphyſiſches oder dialectiſches Werk weglegte, ohne mich umzu- ſehen, was darinn von der Form geſagt wird. Der Begriff ſchien von Wichtigkeit zu ſeyn, und ſo ſah ich, ſelbſt

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/244>, abgerufen am 27.11.2024.