Unterscheidungszeichen ausgedacht, um einer Sache, deren Wesen in der Jntellectualwelt gleichsam ver- borgen ist, einen Körper zu geben. Die Weitläuf- tigkeit verschiedener Verrichtungen, welche macht, daß man dazu von Kindheit auf gewöhnt und erzogen werden muß, besonders wo die Natur die Talente zu anderm gegeben hatte; die natürlichen Triebe der Aeltern, für ihre Kinder zu verdienen; der daher genommene Anlaß, sie dazu noch mehr anzutreiben; die Nachtheile der ohne wichtigere Gründe vorgenom- menen Neuerungen, welche den Beharrungsstand än- dern, ohne ihn zu bessern oder dauerhafter zu machen; die Nothwendigkeit, weniger auf das Neue, als auf das Gute und Dauerhafte zu sehen etc. alles dieses hat bey der äußerlichen Gestalt von nothwendigen und an sich fortdauern sollenden Societäten verschiedenes erblich gemacht, zugleich aber auch verursacht, daß das Wesentliche oder die Seele derselben nicht nach der Gestalt des Körpers beurtheilet werden kann.
§. 558.
So fern die gesetzliche Einrichtung einer Societät nicht nach dem Beharrungsstande getroffen ist, richtet sich diese, wenn sie dennoch seyn muß, von selbst in eine Art von Beharrungsstand, welcher aber aller- dings nicht immer der beste mögliche ist, und gewöhn- lich geht es dabey wie bey den lebenden Kräften der Körperwelt und ihrer Systemen, oscillationsweise vom zu vielen zum zu wenigen, besonders, wo die wirkenden Kräfte lebendig oder von dem wahren Gleichgewichte weit entfernt sind. Hingegen giebt es auch Fälle, wo sich die Sache ohne Oscillationen und gleichsam auf eine asymtotische Art, dem Behar- rungsstande nähert, und dieses geschieht, wo die Vor-
stellungen,
XVII. Hauptſtuͤck.
Unterſcheidungszeichen ausgedacht, um einer Sache, deren Weſen in der Jntellectualwelt gleichſam ver- borgen iſt, einen Koͤrper zu geben. Die Weitlaͤuf- tigkeit verſchiedener Verrichtungen, welche macht, daß man dazu von Kindheit auf gewoͤhnt und erzogen werden muß, beſonders wo die Natur die Talente zu anderm gegeben hatte; die natuͤrlichen Triebe der Aeltern, fuͤr ihre Kinder zu verdienen; der daher genommene Anlaß, ſie dazu noch mehr anzutreiben; die Nachtheile der ohne wichtigere Gruͤnde vorgenom- menen Neuerungen, welche den Beharrungsſtand aͤn- dern, ohne ihn zu beſſern oder dauerhafter zu machen; die Nothwendigkeit, weniger auf das Neue, als auf das Gute und Dauerhafte zu ſehen ꝛc. alles dieſes hat bey der aͤußerlichen Geſtalt von nothwendigen und an ſich fortdauern ſollenden Societaͤten verſchiedenes erblich gemacht, zugleich aber auch verurſacht, daß das Weſentliche oder die Seele derſelben nicht nach der Geſtalt des Koͤrpers beurtheilet werden kann.
§. 558.
So fern die geſetzliche Einrichtung einer Societaͤt nicht nach dem Beharrungsſtande getroffen iſt, richtet ſich dieſe, wenn ſie dennoch ſeyn muß, von ſelbſt in eine Art von Beharrungsſtand, welcher aber aller- dings nicht immer der beſte moͤgliche iſt, und gewoͤhn- lich geht es dabey wie bey den lebenden Kraͤften der Koͤrperwelt und ihrer Syſtemen, oſcillationsweiſe vom zu vielen zum zu wenigen, beſonders, wo die wirkenden Kraͤfte lebendig oder von dem wahren Gleichgewichte weit entfernt ſind. Hingegen giebt es auch Faͤlle, wo ſich die Sache ohne Oſcillationen und gleichſam auf eine aſymtotiſche Art, dem Behar- rungsſtande naͤhert, und dieſes geſchieht, wo die Vor-
ſtellungen,
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XVII. Hauptſtuͤck.
Unterſcheidungszeichen ausgedacht, um einer Sache,
deren Weſen in der Jntellectualwelt gleichſam ver-
borgen iſt, einen Koͤrper zu geben. Die Weitlaͤuf-
tigkeit verſchiedener Verrichtungen, welche macht,
daß man dazu von Kindheit auf gewoͤhnt und erzogen
werden muß, beſonders wo die Natur die Talente zu
anderm gegeben hatte; die natuͤrlichen Triebe der
Aeltern, fuͤr ihre Kinder zu verdienen; der daher
genommene Anlaß, ſie dazu noch mehr anzutreiben;
die Nachtheile der ohne wichtigere Gruͤnde vorgenom-
menen Neuerungen, welche den Beharrungsſtand aͤn-
dern, ohne ihn zu beſſern oder dauerhafter zu machen;
die Nothwendigkeit, weniger auf das Neue, als auf
das Gute und Dauerhafte zu ſehen ꝛc. alles dieſes hat
bey der aͤußerlichen Geſtalt von nothwendigen und
an ſich fortdauern ſollenden Societaͤten verſchiedenes
erblich gemacht, zugleich aber auch verurſacht, daß
das Weſentliche oder die Seele derſelben nicht nach
der Geſtalt des Koͤrpers beurtheilet werden kann.
§. 558.
So fern die geſetzliche Einrichtung einer Societaͤt
nicht nach dem Beharrungsſtande getroffen iſt, richtet
ſich dieſe, wenn ſie dennoch ſeyn muß, von ſelbſt in
eine Art von Beharrungsſtand, welcher aber aller-
dings nicht immer der beſte moͤgliche iſt, und gewoͤhn-
lich geht es dabey wie bey den lebenden Kraͤften der
Koͤrperwelt und ihrer Syſtemen, oſcillationsweiſe
vom zu vielen zum zu wenigen, beſonders, wo die
wirkenden Kraͤfte lebendig oder von dem wahren
Gleichgewichte weit entfernt ſind. Hingegen giebt
es auch Faͤlle, wo ſich die Sache ohne Oſcillationen
und gleichſam auf eine aſymtotiſche Art, dem Behar-
rungsſtande naͤhert, und dieſes geſchieht, wo die Vor-
ſtellungen,
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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/186>, abgerufen am 22.07.2024.
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