nen. Und da ist mir weiter niemand bekannt, der sie nicht auf eine eminente Art schön gefunden hätte.
IX.
So fern nun die einfachen Schönheiten empfun- den werden müssen, kann man sie als Phaenomena ansehen, wobey eine wirkliche Realität zum Grunde liegt. Jst diese Realität selbst auch einfach, so ge- höret sie zufolge des oben (§. 358.) angemerkten mit zu der Grundlage jeder Vollkommenheiten. Jst aber diese Realität zusammen gesetzt, und sie stellet sich un- serer Empfindung, als eine einfache Schönheit vor, so machet sie ein in der Natur selbst verbundenes Ganzes aus, welches wir, dasern wir selbst durch die Kräfte des Verstandes keine Theile darinn unterschei- den können, als ein bleibendes Ganzes ansehen müs- sen. Und in so fern ist es für uns eben so viel, als wenn sie einfach wäre. Je einfacher das Schöne als Phänomenon betrachtet sich unsern Empfindungen darstellet, desto sicherer können wir auf eine zum Grunde liegende Realität schließen, die eine in ihrer Art absolute Vollkommenheit hat.
X.
Die zweyte Classe der Schönheiten begreift die Zusammengesetzten, so fern sie nämlich Objectiv, oder in den Dingen selbst sind. Daß die Bestand- theile einfache Schönheiten seyn müssen, ist für sich klar. Diese machen aber die Schönheit noch nicht zusammengesetzt, dafern nicht eine Verbindung und Anordnung mit hinzu kömmt. Hierinn und in den dabey mit vorkommenden Verhältnissen muß das Zusammengesetzte der Schönheit gesuchet wer- den. Die Verhältnisse selbst müssen ebenfalls eine ihnen eigene Art von Schönheit haben, und diese rich- tet sich sehr nach dem Grade ihrer Einfachheit. Die Symmetrie in der Baukunst, die Verhältnisse der
Theile
A a 2
Zuſatz zum zwoͤlften Hauptſtuͤcke.
nen. Und da iſt mir weiter niemand bekannt, der ſie nicht auf eine eminente Art ſchoͤn gefunden haͤtte.
IX.
So fern nun die einfachen Schoͤnheiten empfun- den werden muͤſſen, kann man ſie als Phaenomena anſehen, wobey eine wirkliche Realitaͤt zum Grunde liegt. Jſt dieſe Realitaͤt ſelbſt auch einfach, ſo ge- hoͤret ſie zufolge des oben (§. 358.) angemerkten mit zu der Grundlage jeder Vollkommenheiten. Jſt aber dieſe Realitaͤt zuſammen geſetzt, und ſie ſtellet ſich un- ſerer Empfindung, als eine einfache Schoͤnheit vor, ſo machet ſie ein in der Natur ſelbſt verbundenes Ganzes aus, welches wir, daſern wir ſelbſt durch die Kraͤfte des Verſtandes keine Theile darinn unterſchei- den koͤnnen, als ein bleibendes Ganzes anſehen muͤſ- ſen. Und in ſo fern iſt es fuͤr uns eben ſo viel, als wenn ſie einfach waͤre. Je einfacher das Schoͤne als Phaͤnomenon betrachtet ſich unſern Empfindungen darſtellet, deſto ſicherer koͤnnen wir auf eine zum Grunde liegende Realitaͤt ſchließen, die eine in ihrer Art abſolute Vollkommenheit hat.
X.
Die zweyte Claſſe der Schoͤnheiten begreift die Zuſammengeſetzten, ſo fern ſie naͤmlich Objectiv, oder in den Dingen ſelbſt ſind. Daß die Beſtand- theile einfache Schoͤnheiten ſeyn muͤſſen, iſt fuͤr ſich klar. Dieſe machen aber die Schoͤnheit noch nicht zuſammengeſetzt, dafern nicht eine Verbindung und Anordnung mit hinzu koͤmmt. Hierinn und in den dabey mit vorkommenden Verhaͤltniſſen muß das Zuſammengeſetzte der Schoͤnheit geſuchet wer- den. Die Verhaͤltniſſe ſelbſt muͤſſen ebenfalls eine ihnen eigene Art von Schoͤnheit haben, und dieſe rich- tet ſich ſehr nach dem Grade ihrer Einfachheit. Die Symmetrie in der Baukunſt, die Verhaͤltniſſe der
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Zuſatz zum zwoͤlften Hauptſtuͤcke.
nen. Und da iſt mir weiter niemand bekannt, der
ſie nicht auf eine eminente Art ſchoͤn gefunden haͤtte.
IX.
So fern nun die einfachen Schoͤnheiten empfun-
den werden muͤſſen, kann man ſie als Phaenomena
anſehen, wobey eine wirkliche Realitaͤt zum Grunde
liegt. Jſt dieſe Realitaͤt ſelbſt auch einfach, ſo ge-
hoͤret ſie zufolge des oben (§. 358.) angemerkten mit
zu der Grundlage jeder Vollkommenheiten. Jſt aber
dieſe Realitaͤt zuſammen geſetzt, und ſie ſtellet ſich un-
ſerer Empfindung, als eine einfache Schoͤnheit vor,
ſo machet ſie ein in der Natur ſelbſt verbundenes
Ganzes aus, welches wir, daſern wir ſelbſt durch die
Kraͤfte des Verſtandes keine Theile darinn unterſchei-
den koͤnnen, als ein bleibendes Ganzes anſehen muͤſ-
ſen. Und in ſo fern iſt es fuͤr uns eben ſo viel, als
wenn ſie einfach waͤre. Je einfacher das Schoͤne als
Phaͤnomenon betrachtet ſich unſern Empfindungen
darſtellet, deſto ſicherer koͤnnen wir auf eine zum
Grunde liegende Realitaͤt ſchließen, die eine in ihrer
Art abſolute Vollkommenheit hat.
X.
Die zweyte Claſſe der Schoͤnheiten begreift die
Zuſammengeſetzten, ſo fern ſie naͤmlich Objectiv,
oder in den Dingen ſelbſt ſind. Daß die Beſtand-
theile einfache Schoͤnheiten ſeyn muͤſſen, iſt fuͤr ſich
klar. Dieſe machen aber die Schoͤnheit noch nicht
zuſammengeſetzt, dafern nicht eine Verbindung
und Anordnung mit hinzu koͤmmt. Hierinn und
in den dabey mit vorkommenden Verhaͤltniſſen muß
das Zuſammengeſetzte der Schoͤnheit geſuchet wer-
den. Die Verhaͤltniſſe ſelbſt muͤſſen ebenfalls eine
ihnen eigene Art von Schoͤnheit haben, und dieſe rich-
tet ſich ſehr nach dem Grade ihrer Einfachheit. Die
Symmetrie in der Baukunſt, die Verhaͤltniſſe der
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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/407>, abgerufen am 23.02.2025.
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