Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.X. Hauptstück. Das Wahr seyn das logisch und metaphysisch Wahre von dem bloßSymbolischen trennet. Sodann setzen wir das Et- was dem Nichts dergestalt entgegen, daß was nicht Etwas ist, nichts ist, und hinwiederum. Und auf diese Art nennen wir alles, was keinen Widerspruch enthält, überhaupt Etwas. Dabey kömmt nun die Frage vor, ob alles metaphysisch Wahre gedenkbar, und hinwiederum, ob alles Ge- denkbare metaphysisch wahr sey, oder existiren könne? Die erstere von diesen Fragen kömmt schlecht- hin darauf an, ob die Kräfte des Verstandes sich so weit erstrecken, daß von allem, was existiren kann, nicht etwan Bilder, Simulacra, Symbola etc. sondern wirkliche Begriffe möglich seyn? Oder überhaupt, ob man die Kräfte des Verstandes, des Willens, und die Kraft herfürzubringen, zu schaffen, zu verändern etc. von gleicher Ausdehnung, Umfange und Größe setzen könne? Jst dieses, so wird auch die zweyte Frage bejaht werden können, weil sodann die Kraft herfür- zubringen eben so weit geht, als die Kraft zu denken. §. 303. Wir haben diese Fragen zum Theil in der Aethio- 1°. Was nicht gedenkbar ist, ist entweder wegen eines Widerspruches oder wegen Mangel der Erkenntnißkraft nicht gedenkbar. 2°. Was nicht existiren kann, kann entweder we- gen eines Widerspruches oder aus Mangel der Kräfte, es herfürzubringen, nicht existiren. Jn
X. Hauptſtuͤck. Das Wahr ſeyn das logiſch und metaphyſiſch Wahre von dem bloßSymboliſchen trennet. Sodann ſetzen wir das Et- was dem Nichts dergeſtalt entgegen, daß was nicht Etwas iſt, nichts iſt, und hinwiederum. Und auf dieſe Art nennen wir alles, was keinen Widerſpruch enthaͤlt, uͤberhaupt Etwas. Dabey koͤmmt nun die Frage vor, ob alles metaphyſiſch Wahre gedenkbar, und hinwiederum, ob alles Ge- denkbare metaphyſiſch wahr ſey, oder exiſtiren koͤnne? Die erſtere von dieſen Fragen koͤmmt ſchlecht- hin darauf an, ob die Kraͤfte des Verſtandes ſich ſo weit erſtrecken, daß von allem, was exiſtiren kann, nicht etwan Bilder, Simulacra, Symbola ꝛc. ſondern wirkliche Begriffe moͤglich ſeyn? Oder uͤberhaupt, ob man die Kraͤfte des Verſtandes, des Willens, und die Kraft herfuͤrzubringen, zu ſchaffen, zu veraͤndern ꝛc. von gleicher Ausdehnung, Umfange und Groͤße ſetzen koͤnne? Jſt dieſes, ſo wird auch die zweyte Frage bejaht werden koͤnnen, weil ſodann die Kraft herfuͤr- zubringen eben ſo weit geht, als die Kraft zu denken. §. 303. Wir haben dieſe Fragen zum Theil in der Aethio- 1°. Was nicht gedenkbar iſt, iſt entweder wegen eines Widerſpruches oder wegen Mangel der Erkenntnißkraft nicht gedenkbar. 2°. Was nicht exiſtiren kann, kann entweder we- gen eines Widerſpruches oder aus Mangel der Kraͤfte, es herfuͤrzubringen, nicht exiſtiren. Jn
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X. Hauptſtuͤck. Das Wahr ſeyn
das logiſch und metaphyſiſch Wahre von dem bloß
Symboliſchen trennet. Sodann ſetzen wir das Et-
was dem Nichts dergeſtalt entgegen, daß was nicht
Etwas iſt, nichts iſt, und hinwiederum. Und auf
dieſe Art nennen wir alles, was keinen Widerſpruch
enthaͤlt, uͤberhaupt Etwas. Dabey koͤmmt nun
die Frage vor, ob alles metaphyſiſch Wahre
gedenkbar, und hinwiederum, ob alles Ge-
denkbare metaphyſiſch wahr ſey, oder exiſtiren
koͤnne? Die erſtere von dieſen Fragen koͤmmt ſchlecht-
hin darauf an, ob die Kraͤfte des Verſtandes ſich ſo
weit erſtrecken, daß von allem, was exiſtiren kann,
nicht etwan Bilder, Simulacra, Symbola ꝛc. ſondern
wirkliche Begriffe moͤglich ſeyn? Oder uͤberhaupt, ob
man die Kraͤfte des Verſtandes, des Willens, und
die Kraft herfuͤrzubringen, zu ſchaffen, zu veraͤndern ꝛc.
von gleicher Ausdehnung, Umfange und Groͤße ſetzen
koͤnne? Jſt dieſes, ſo wird auch die zweyte Frage
bejaht werden koͤnnen, weil ſodann die Kraft herfuͤr-
zubringen eben ſo weit geht, als die Kraft zu denken.
§. 303.
Wir haben dieſe Fragen zum Theil in der Aethio-
logie (§. 228.) betrachtet, wo aber mehr von der logi-
ſchen als von der metaphyſiſchen Wahrheit die Rede
war. Hier kommt es uͤberhaupt auf folgende zween
Saͤtze an.
1°. Was nicht gedenkbar iſt, iſt entweder wegen
eines Widerſpruches oder wegen Mangel der
Erkenntnißkraft nicht gedenkbar.
2°. Was nicht exiſtiren kann, kann entweder we-
gen eines Widerſpruches oder aus Mangel der
Kraͤfte, es herfuͤrzubringen, nicht exiſtiren.
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