wahre Begriffe vorstellet, so wird die logische Be- deutung desselben in eine metaphysische verwandelt, und das Aduerbium vere in das Adiectiuum verum. Ein wahrer Begriff muß demnach etwas mögli- ches vorstellen, weil bey den Begriffen eigentlich die Möglichkeit in Betrachtung kömmt, (§. 291.). Hin- gegen ist der Begriff mehr oder minder falsch, wenn er etwas unmögliches, A und nicht - A, vorstellet. Demnach ist ein falscher Begriff eigentlich kein Be- griff, weil er nicht gedenkbar ist, und so ferne ist er schlechthin symbolisch, (§. 288.).
§. 294.
Wir betrachten hier das Wahre eines Begriffes an sich, und demnach absolute, categorisch, schlecht- hin. Und in so fern müssen wir dasselbe von dem- jenigen Fall unterscheiden, wo wir uns unter ei- nem an sich möglichen Begriffe etwas anders vorstellen, als was derselbe vorstellet. Jn diesem Falle machen wir uns von der Sache einen irrigen oder unrichtigen Begriff, und dieses nen- nen wir beziehungsweise irrig. Der Begriff kann an sich ein wahrer Begriff seyn, aber das, was er vorstellet, ist nicht das, was wir glauben, daß er vorstelle. Zu solchen irrigen Vorstellungen verhilft nun theils die Sprache, theils die Verhältniß- begriffe. Die Sprache, so fern wir öfters die Worte ohne die Sache lernen, und die Begriffe nach den Worten, zumal nach übel verstandenen Worten richten. Die Verhältnisse aber, so fern wir z. E. Ursachen angeben, die nicht Ursachen sind, Theile anders in Verbindung bringen, als sie verbunden sind, Lücken mit solchen Stücken ausfüllen, die nicht darein gehören, Umstände weglassen oder mitnehmen, die ganz anders genommen werden müssen etc.
§. 295.
und das Nicht wahr ſeyn.
wahre Begriffe vorſtellet, ſo wird die logiſche Be- deutung deſſelben in eine metaphyſiſche verwandelt, und das Aduerbium vere in das Adiectiuum verum. Ein wahrer Begriff muß demnach etwas moͤgli- ches vorſtellen, weil bey den Begriffen eigentlich die Moͤglichkeit in Betrachtung koͤmmt, (§. 291.). Hin- gegen iſt der Begriff mehr oder minder falſch, wenn er etwas unmoͤgliches, A und nicht ‒ A, vorſtellet. Demnach iſt ein falſcher Begriff eigentlich kein Be- griff, weil er nicht gedenkbar iſt, und ſo ferne iſt er ſchlechthin ſymboliſch, (§. 288.).
§. 294.
Wir betrachten hier das Wahre eines Begriffes an ſich, und demnach abſolute, categoriſch, ſchlecht- hin. Und in ſo fern muͤſſen wir daſſelbe von dem- jenigen Fall unterſcheiden, wo wir uns unter ei- nem an ſich moͤglichen Begriffe etwas anders vorſtellen, als was derſelbe vorſtellet. Jn dieſem Falle machen wir uns von der Sache einen irrigen oder unrichtigen Begriff, und dieſes nen- nen wir beziehungsweiſe irrig. Der Begriff kann an ſich ein wahrer Begriff ſeyn, aber das, was er vorſtellet, iſt nicht das, was wir glauben, daß er vorſtelle. Zu ſolchen irrigen Vorſtellungen verhilft nun theils die Sprache, theils die Verhaͤltniß- begriffe. Die Sprache, ſo fern wir oͤfters die Worte ohne die Sache lernen, und die Begriffe nach den Worten, zumal nach uͤbel verſtandenen Worten richten. Die Verhaͤltniſſe aber, ſo fern wir z. E. Urſachen angeben, die nicht Urſachen ſind, Theile anders in Verbindung bringen, als ſie verbunden ſind, Luͤcken mit ſolchen Stuͤcken ausfuͤllen, die nicht darein gehoͤren, Umſtaͤnde weglaſſen oder mitnehmen, die ganz anders genommen werden muͤſſen ꝛc.
§. 295.
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und das Nicht wahr ſeyn.
wahre Begriffe vorſtellet, ſo wird die logiſche Be-
deutung deſſelben in eine metaphyſiſche verwandelt,
und das Aduerbium vere in das Adiectiuum verum.
Ein wahrer Begriff muß demnach etwas moͤgli-
ches vorſtellen, weil bey den Begriffen eigentlich die
Moͤglichkeit in Betrachtung koͤmmt, (§. 291.). Hin-
gegen iſt der Begriff mehr oder minder falſch, wenn
er etwas unmoͤgliches, A und nicht ‒ A, vorſtellet.
Demnach iſt ein falſcher Begriff eigentlich kein Be-
griff, weil er nicht gedenkbar iſt, und ſo ferne iſt er
ſchlechthin ſymboliſch, (§. 288.).
§. 294.
Wir betrachten hier das Wahre eines Begriffes
an ſich, und demnach abſolute, categoriſch, ſchlecht-
hin. Und in ſo fern muͤſſen wir daſſelbe von dem-
jenigen Fall unterſcheiden, wo wir uns unter ei-
nem an ſich moͤglichen Begriffe etwas anders
vorſtellen, als was derſelbe vorſtellet. Jn
dieſem Falle machen wir uns von der Sache einen
irrigen oder unrichtigen Begriff, und dieſes nen-
nen wir beziehungsweiſe irrig. Der Begriff kann
an ſich ein wahrer Begriff ſeyn, aber das, was er
vorſtellet, iſt nicht das, was wir glauben, daß er
vorſtelle. Zu ſolchen irrigen Vorſtellungen verhilft
nun theils die Sprache, theils die Verhaͤltniß-
begriffe. Die Sprache, ſo fern wir oͤfters die
Worte ohne die Sache lernen, und die Begriffe nach
den Worten, zumal nach uͤbel verſtandenen Worten
richten. Die Verhaͤltniſſe aber, ſo fern wir z. E.
Urſachen angeben, die nicht Urſachen ſind, Theile
anders in Verbindung bringen, als ſie verbunden
ſind, Luͤcken mit ſolchen Stuͤcken ausfuͤllen, die nicht
darein gehoͤren, Umſtaͤnde weglaſſen oder mitnehmen,
die ganz anders genommen werden muͤſſen ꝛc.
§. 295.
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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/319>, abgerufen am 23.02.2025.
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