Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

IX. Hauptst. Das Nothwendig seyn
werde ich hier noch einige Betrachtungen beyfügen.
Euclid gebraucht sie sehr oft, besonders wo umge-
kehrte Sätze zu beweisen sind, z. E. in der vierzehen-
ten, neun und dreyßigsten, vierzigsten Prop. des er-
sten Buches, und die neun und zwanzigste Prop. die-
ses Buches, von welcher man wegen des dabey ge-
brauchten eilften Grundsatzes einen von diesem Grund-
satze unabhängigen Beweis, oder den Grundsatz selbst
erwiesen verlangt, dienete unter andern ebenfalls auch,
zu zeigen, daß die Parallelinie, welche Euclid in
der ein und dreyßigsten Prop. ziehen lehret, die einige
sey, welche durch einen fürgegebenen Punct gezogen
werden kann, oder daß die acht und zwanzigste Prop.
schlechthin umgekehrt werden könne. Eben diese Art
zu schlüßen gebraucht Euclid in der ersten Prop. des
dritten Buches, um zu zeigen, daß man so, wie er
daselbst angiebt, den Mittelpunct des Cirkels zu fin-
den, denselben finde, und daß nicht etwan ein an-
derer Punct der Mittelpunct sey. Bey der Betrach-
tung dieser Art zu beweisen kamen mir folgende zwo
Fragen vor. 1°. Worinn sie von den übrigen ver-
schieden sey? 2°. Ob man sie in logischen Formeln
vorstellen, und außer der Geometrie anwenden könne?
Jn Absicht auf die erstere Frage, war es leicht ein-
zusehen, daß man beweise, daß außer dem Sub-
jecte A kein anderes das Prädicat B habe. Nun
kömmt allerdings B. wenn es anders ein mögliches
Prädicat ist, irgend einem oder mehrern Subjecten
zu, (§. 261. N°. 4. 12.). Man muß aber diese genau
abzählen können, wenn der Beweis angehen soll.
Jst aber das Subject A allein B, so sind alle andere
ausgeschlossen. Es würde aber mehrentheils zu weit-
läuftig werden, wenn man alle ausgeschlossene wollte
durch die Musterung gehen lassen. Euclid thut

dieses

IX. Hauptſt. Das Nothwendig ſeyn
werde ich hier noch einige Betrachtungen beyfuͤgen.
Euclid gebraucht ſie ſehr oft, beſonders wo umge-
kehrte Saͤtze zu beweiſen ſind, z. E. in der vierzehen-
ten, neun und dreyßigſten, vierzigſten Prop. des er-
ſten Buches, und die neun und zwanzigſte Prop. die-
ſes Buches, von welcher man wegen des dabey ge-
brauchten eilften Grundſatzes einen von dieſem Grund-
ſatze unabhaͤngigen Beweis, oder den Grundſatz ſelbſt
erwieſen verlangt, dienete unter andern ebenfalls auch,
zu zeigen, daß die Parallelinie, welche Euclid in
der ein und dreyßigſten Prop. ziehen lehret, die einige
ſey, welche durch einen fuͤrgegebenen Punct gezogen
werden kann, oder daß die acht und zwanzigſte Prop.
ſchlechthin umgekehrt werden koͤnne. Eben dieſe Art
zu ſchluͤßen gebraucht Euclid in der erſten Prop. des
dritten Buches, um zu zeigen, daß man ſo, wie er
daſelbſt angiebt, den Mittelpunct des Cirkels zu fin-
den, denſelben finde, und daß nicht etwan ein an-
derer Punct der Mittelpunct ſey. Bey der Betrach-
tung dieſer Art zu beweiſen kamen mir folgende zwo
Fragen vor. 1°. Worinn ſie von den uͤbrigen ver-
ſchieden ſey? 2°. Ob man ſie in logiſchen Formeln
vorſtellen, und außer der Geometrie anwenden koͤnne?
Jn Abſicht auf die erſtere Frage, war es leicht ein-
zuſehen, daß man beweiſe, daß außer dem Sub-
jecte A kein anderes das Praͤdicat B habe. Nun
koͤmmt allerdings B. wenn es anders ein moͤgliches
Praͤdicat iſt, irgend einem oder mehrern Subjecten
zu, (§. 261. N°. 4. 12.). Man muß aber dieſe genau
abzaͤhlen koͤnnen, wenn der Beweis angehen ſoll.
Jſt aber das Subject A allein B, ſo ſind alle andere
ausgeſchloſſen. Es wuͤrde aber mehrentheils zu weit-
laͤuftig werden, wenn man alle ausgeſchloſſene wollte
durch die Muſterung gehen laſſen. Euclid thut

dieſes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0304" n="268"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IX.</hi> Haupt&#x017F;t. Das Nothwendig &#x017F;eyn</hi></fw><lb/>
werde ich hier noch einige Betrachtungen beyfu&#x0364;gen.<lb/><hi rendition="#fr">Euclid</hi> gebraucht &#x017F;ie &#x017F;ehr oft, be&#x017F;onders wo umge-<lb/>
kehrte Sa&#x0364;tze zu bewei&#x017F;en &#x017F;ind, z. E. in der vierzehen-<lb/>
ten, neun und dreyßig&#x017F;ten, vierzig&#x017F;ten Prop. des er-<lb/>
&#x017F;ten Buches, und die neun und zwanzig&#x017F;te Prop. die-<lb/>
&#x017F;es Buches, von welcher man wegen des dabey ge-<lb/>
brauchten eilften Grund&#x017F;atzes einen von die&#x017F;em Grund-<lb/>
&#x017F;atze unabha&#x0364;ngigen Beweis, oder den Grund&#x017F;atz &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
erwie&#x017F;en verlangt, dienete unter andern ebenfalls auch,<lb/>
zu zeigen, daß die Parallelinie, welche <hi rendition="#fr">Euclid</hi> in<lb/>
der ein und dreyßig&#x017F;ten Prop. ziehen lehret, die einige<lb/>
&#x017F;ey, welche durch einen fu&#x0364;rgegebenen Punct gezogen<lb/>
werden kann, oder daß die acht und zwanzig&#x017F;te Prop.<lb/>
&#x017F;chlechthin umgekehrt werden ko&#x0364;nne. Eben die&#x017F;e Art<lb/>
zu &#x017F;chlu&#x0364;ßen gebraucht <hi rendition="#fr">Euclid</hi> in der er&#x017F;ten Prop. des<lb/>
dritten Buches, um zu zeigen, daß man &#x017F;o, wie er<lb/>
da&#x017F;elb&#x017F;t angiebt, den Mittelpunct des Cirkels zu fin-<lb/>
den, den&#x017F;elben finde, und daß nicht etwan ein an-<lb/>
derer Punct der Mittelpunct &#x017F;ey. Bey der Betrach-<lb/>
tung die&#x017F;er Art zu bewei&#x017F;en kamen mir folgende zwo<lb/>
Fragen vor. 1°. Worinn &#x017F;ie von den u&#x0364;brigen ver-<lb/>
&#x017F;chieden &#x017F;ey? 2°. Ob man &#x017F;ie in logi&#x017F;chen Formeln<lb/>
vor&#x017F;tellen, und außer der Geometrie anwenden ko&#x0364;nne?<lb/>
Jn Ab&#x017F;icht auf die er&#x017F;tere Frage, war es leicht ein-<lb/>
zu&#x017F;ehen, daß man bewei&#x017F;e, daß außer dem Sub-<lb/>
jecte <hi rendition="#aq">A</hi> kein anderes das Pra&#x0364;dicat <hi rendition="#aq">B</hi> habe. Nun<lb/>
ko&#x0364;mmt allerdings <hi rendition="#aq">B.</hi> wenn es anders ein mo&#x0364;gliches<lb/>
Pra&#x0364;dicat i&#x017F;t, irgend einem oder mehrern Subjecten<lb/>
zu, (§. 261. <hi rendition="#aq">N°.</hi> 4. 12.). Man muß aber die&#x017F;e genau<lb/>
abza&#x0364;hlen ko&#x0364;nnen, wenn der Beweis angehen &#x017F;oll.<lb/>
J&#x017F;t aber das Subject <hi rendition="#aq">A</hi> allein <hi rendition="#aq">B,</hi> &#x017F;o &#x017F;ind alle andere<lb/>
ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Es wu&#x0364;rde aber mehrentheils zu weit-<lb/>
la&#x0364;uftig werden, wenn man alle ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene wollte<lb/>
durch die Mu&#x017F;terung gehen la&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#fr">Euclid</hi> thut<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die&#x017F;es</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[268/0304] IX. Hauptſt. Das Nothwendig ſeyn werde ich hier noch einige Betrachtungen beyfuͤgen. Euclid gebraucht ſie ſehr oft, beſonders wo umge- kehrte Saͤtze zu beweiſen ſind, z. E. in der vierzehen- ten, neun und dreyßigſten, vierzigſten Prop. des er- ſten Buches, und die neun und zwanzigſte Prop. die- ſes Buches, von welcher man wegen des dabey ge- brauchten eilften Grundſatzes einen von dieſem Grund- ſatze unabhaͤngigen Beweis, oder den Grundſatz ſelbſt erwieſen verlangt, dienete unter andern ebenfalls auch, zu zeigen, daß die Parallelinie, welche Euclid in der ein und dreyßigſten Prop. ziehen lehret, die einige ſey, welche durch einen fuͤrgegebenen Punct gezogen werden kann, oder daß die acht und zwanzigſte Prop. ſchlechthin umgekehrt werden koͤnne. Eben dieſe Art zu ſchluͤßen gebraucht Euclid in der erſten Prop. des dritten Buches, um zu zeigen, daß man ſo, wie er daſelbſt angiebt, den Mittelpunct des Cirkels zu fin- den, denſelben finde, und daß nicht etwan ein an- derer Punct der Mittelpunct ſey. Bey der Betrach- tung dieſer Art zu beweiſen kamen mir folgende zwo Fragen vor. 1°. Worinn ſie von den uͤbrigen ver- ſchieden ſey? 2°. Ob man ſie in logiſchen Formeln vorſtellen, und außer der Geometrie anwenden koͤnne? Jn Abſicht auf die erſtere Frage, war es leicht ein- zuſehen, daß man beweiſe, daß außer dem Sub- jecte A kein anderes das Praͤdicat B habe. Nun koͤmmt allerdings B. wenn es anders ein moͤgliches Praͤdicat iſt, irgend einem oder mehrern Subjecten zu, (§. 261. N°. 4. 12.). Man muß aber dieſe genau abzaͤhlen koͤnnen, wenn der Beweis angehen ſoll. Jſt aber das Subject A allein B, ſo ſind alle andere ausgeſchloſſen. Es wuͤrde aber mehrentheils zu weit- laͤuftig werden, wenn man alle ausgeſchloſſene wollte durch die Muſterung gehen laſſen. Euclid thut dieſes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/304
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/304>, abgerufen am 23.11.2024.