Anschein hätte, als wenn nur zwey oder nur die etli- che, so man vornimmt, einander entgegen gesetzt wä- ren. Und wo der Unterschied in Graden besteht, da setzet man jede Grade den übrigen, vorzüglich aber die zween äußersten einander schlechthin entgegen. Auf diese Art wird z. E. ohne Rücksicht auf die übri- gen Farben das Weiße dem Schwarzen entgegen- gesetzt. Hingegen ist dieses vollständige Vorzählen bey dem Widersprechen nicht nothwendig, weil der Widerspruch schon da ist, wenn von den einander entgegengesetzten Bestimmungen auch nur zwo in ei- nen Begriff zusammen genommen werden.
§. 273.
Die Sprache, welche in den meisten Stücken mehr Möglichkeiten angiebt, als die Sachen selbst, giebt auch diese an, daß wir in jedem Satze das Wort nicht, sowohl dem Bindewörtchen, als dem Prädi- cat und dem Subjecte, und dessen arithmetischen Be- stimmungen: Ein, etliche, alle, kein, beyfügen, und dadurch Entgegensetzungen, wenigstens auf eine bloß symbolische Art, herausbringen können. Se- hen wir aber in vorgegebenen Fällen genauer nach, ob die so verwandelten Sätze etwas Wahres oder Mögliches vorstellen, so findet sichs öfters, daß sie entweder falsch oder gar schlechthin unmöglich sind. Falsch, wenn die Sache nicht ist, unmöglich oder ungereimt, wenn sie nicht seyn kann. Nun machet die Unmöglichkeit des Gegentheils eine Sache noth- wendig, weil wir alles das nothwendig nennen, was weder nicht, noch anders seyn kann. Da wir nun das Unmögliche schlechthin nur symbolisch vor- stellen können (§. 231.), so ist die symbolische Vor- stellungsart zur Theorie des Nothwendigen allerdings
behülf-
IX. Hauptſt. Das Nothwendig ſeyn
Anſchein haͤtte, als wenn nur zwey oder nur die etli- che, ſo man vornimmt, einander entgegen geſetzt waͤ- ren. Und wo der Unterſchied in Graden beſteht, da ſetzet man jede Grade den uͤbrigen, vorzuͤglich aber die zween aͤußerſten einander ſchlechthin entgegen. Auf dieſe Art wird z. E. ohne Ruͤckſicht auf die uͤbri- gen Farben das Weiße dem Schwarzen entgegen- geſetzt. Hingegen iſt dieſes vollſtaͤndige Vorzaͤhlen bey dem Widerſprechen nicht nothwendig, weil der Widerſpruch ſchon da iſt, wenn von den einander entgegengeſetzten Beſtimmungen auch nur zwo in ei- nen Begriff zuſammen genommen werden.
§. 273.
Die Sprache, welche in den meiſten Stuͤcken mehr Moͤglichkeiten angiebt, als die Sachen ſelbſt, giebt auch dieſe an, daß wir in jedem Satze das Wort nicht, ſowohl dem Bindewoͤrtchen, als dem Praͤdi- cat und dem Subjecte, und deſſen arithmetiſchen Be- ſtimmungen: Ein, etliche, alle, kein, beyfuͤgen, und dadurch Entgegenſetzungen, wenigſtens auf eine bloß ſymboliſche Art, herausbringen koͤnnen. Se- hen wir aber in vorgegebenen Faͤllen genauer nach, ob die ſo verwandelten Saͤtze etwas Wahres oder Moͤgliches vorſtellen, ſo findet ſichs oͤfters, daß ſie entweder falſch oder gar ſchlechthin unmoͤglich ſind. Falſch, wenn die Sache nicht iſt, unmoͤglich oder ungereimt, wenn ſie nicht ſeyn kann. Nun machet die Unmoͤglichkeit des Gegentheils eine Sache noth- wendig, weil wir alles das nothwendig nennen, was weder nicht, noch anders ſeyn kann. Da wir nun das Unmoͤgliche ſchlechthin nur ſymboliſch vor- ſtellen koͤnnen (§. 231.), ſo iſt die ſymboliſche Vor- ſtellungsart zur Theorie des Nothwendigen allerdings
behuͤlf-
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IX. Hauptſt. Das Nothwendig ſeyn
Anſchein haͤtte, als wenn nur zwey oder nur die etli-
che, ſo man vornimmt, einander entgegen geſetzt waͤ-
ren. Und wo der Unterſchied in Graden beſteht, da
ſetzet man jede Grade den uͤbrigen, vorzuͤglich aber
die zween aͤußerſten einander ſchlechthin entgegen.
Auf dieſe Art wird z. E. ohne Ruͤckſicht auf die uͤbri-
gen Farben das Weiße dem Schwarzen entgegen-
geſetzt. Hingegen iſt dieſes vollſtaͤndige Vorzaͤhlen
bey dem Widerſprechen nicht nothwendig, weil der
Widerſpruch ſchon da iſt, wenn von den einander
entgegengeſetzten Beſtimmungen auch nur zwo in ei-
nen Begriff zuſammen genommen werden.
§. 273.
Die Sprache, welche in den meiſten Stuͤcken mehr
Moͤglichkeiten angiebt, als die Sachen ſelbſt, giebt
auch dieſe an, daß wir in jedem Satze das Wort
nicht, ſowohl dem Bindewoͤrtchen, als dem Praͤdi-
cat und dem Subjecte, und deſſen arithmetiſchen Be-
ſtimmungen: Ein, etliche, alle, kein, beyfuͤgen,
und dadurch Entgegenſetzungen, wenigſtens auf eine
bloß ſymboliſche Art, herausbringen koͤnnen. Se-
hen wir aber in vorgegebenen Faͤllen genauer nach,
ob die ſo verwandelten Saͤtze etwas Wahres oder
Moͤgliches vorſtellen, ſo findet ſichs oͤfters, daß ſie
entweder falſch oder gar ſchlechthin unmoͤglich ſind.
Falſch, wenn die Sache nicht iſt, unmoͤglich oder
ungereimt, wenn ſie nicht ſeyn kann. Nun machet
die Unmoͤglichkeit des Gegentheils eine Sache noth-
wendig, weil wir alles das nothwendig nennen,
was weder nicht, noch anders ſeyn kann. Da wir
nun das Unmoͤgliche ſchlechthin nur ſymboliſch vor-
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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/294>, abgerufen am 16.02.2025.
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