Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite
und Forderungen der Grundlehre.
§. 95.

Diesen Grundsätzen hat man in der Dynamic noch
einige andere beygefüget, welche aber mehr von den
physischen Erfahrungen und Versuchen hergenommen
zu seyn scheinen. Der erste, welcher noch am leich-
testen zugegeben werden kann, ist: daß die Kraft
eines in Bewegung gesetzten Körpers, seiner
Maße proportional ist,
und dieses nennet man
die Größe der Kraft. Dieses ist überhaupt betrach-
tet ohne Widerrede richtig. Will man aber diesen
Satz bey dem Stosse der Körper anwenden, so
kömmt so gleich die Frage vor, ob der Körper seine
Figur bey dem Anstoßen ändere, weil auf diese Aen-
derung der Figur ein Theil der Kraft verwendet wird.
Der andere Satz, welcher die Stärke der Kraft be-
trifft: daß die Kraft des bewegten Körpers
sich nach dem Quadrate der Geschwindigkeit
richte, folglich bey doppelter Geschwindigkeit
vier mal stärker sey,
hat häufige Streitigkeiten
veranlaßt, wobey der Begriff der Kraft, so fern wir
ihn von dem Gefühle haben (§. 94.), nicht immer
beybehalten worden. So viel giebt die Erfahrung,
daß man in der Theorie der Bewegung, das Qua-
drat der Geschwindigkeit sehr gut gebrauchen kann,
ohne daß man eben nöthig habe, das Wort Kraft
dabey zu gebrauchen.

§. 96.

Die meisten Regeln, die man für den Stoß der
so genannten elastischen Körper aus Versuchen ge-
funden, werden bey schnellern Bewegungen unzurei-
chend. So z. E. wenn eine Kugel gegen eine offen-
stehende Thür geworfen wird, so mag sie dieselbe in
Bewegung setzen und etwann auch zuschließen. Wird

sie
E 5
und Forderungen der Grundlehre.
§. 95.

Dieſen Grundſaͤtzen hat man in der Dynamic noch
einige andere beygefuͤget, welche aber mehr von den
phyſiſchen Erfahrungen und Verſuchen hergenommen
zu ſeyn ſcheinen. Der erſte, welcher noch am leich-
teſten zugegeben werden kann, iſt: daß die Kraft
eines in Bewegung geſetzten Koͤrpers, ſeiner
Maße proportional iſt,
und dieſes nennet man
die Groͤße der Kraft. Dieſes iſt uͤberhaupt betrach-
tet ohne Widerrede richtig. Will man aber dieſen
Satz bey dem Stoſſe der Koͤrper anwenden, ſo
koͤmmt ſo gleich die Frage vor, ob der Koͤrper ſeine
Figur bey dem Anſtoßen aͤndere, weil auf dieſe Aen-
derung der Figur ein Theil der Kraft verwendet wird.
Der andere Satz, welcher die Staͤrke der Kraft be-
trifft: daß die Kraft des bewegten Koͤrpers
ſich nach dem Quadrate der Geſchwindigkeit
richte, folglich bey doppelter Geſchwindigkeit
vier mal ſtaͤrker ſey,
hat haͤufige Streitigkeiten
veranlaßt, wobey der Begriff der Kraft, ſo fern wir
ihn von dem Gefuͤhle haben (§. 94.), nicht immer
beybehalten worden. So viel giebt die Erfahrung,
daß man in der Theorie der Bewegung, das Qua-
drat der Geſchwindigkeit ſehr gut gebrauchen kann,
ohne daß man eben noͤthig habe, das Wort Kraft
dabey zu gebrauchen.

§. 96.

Die meiſten Regeln, die man fuͤr den Stoß der
ſo genannten elaſtiſchen Koͤrper aus Verſuchen ge-
funden, werden bey ſchnellern Bewegungen unzurei-
chend. So z. E. wenn eine Kugel gegen eine offen-
ſtehende Thuͤr geworfen wird, ſo mag ſie dieſelbe in
Bewegung ſetzen und etwann auch zuſchließen. Wird

ſie
E 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0109" n="73"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">und Forderungen der Grundlehre.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 95.</head><lb/>
            <p>Die&#x017F;en Grund&#x017F;a&#x0364;tzen hat man in der Dynamic noch<lb/>
einige andere beygefu&#x0364;get, welche aber mehr von den<lb/>
phy&#x017F;i&#x017F;chen Erfahrungen und Ver&#x017F;uchen hergenommen<lb/>
zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinen. Der er&#x017F;te, welcher noch am leich-<lb/>
te&#x017F;ten zugegeben werden kann, i&#x017F;t: <hi rendition="#fr">daß die Kraft<lb/>
eines in Bewegung ge&#x017F;etzten Ko&#x0364;rpers, &#x017F;einer<lb/>
Maße proportional i&#x017F;t,</hi> und die&#x017F;es nennet man<lb/>
die <hi rendition="#fr">Gro&#x0364;ße</hi> der Kraft. Die&#x017F;es i&#x017F;t u&#x0364;berhaupt betrach-<lb/>
tet ohne Widerrede richtig. Will man aber die&#x017F;en<lb/>
Satz bey dem Sto&#x017F;&#x017F;e der Ko&#x0364;rper anwenden, &#x017F;o<lb/>
ko&#x0364;mmt &#x017F;o gleich die Frage vor, ob der Ko&#x0364;rper &#x017F;eine<lb/>
Figur bey dem An&#x017F;toßen a&#x0364;ndere, weil auf die&#x017F;e Aen-<lb/>
derung der Figur ein Theil der Kraft verwendet wird.<lb/>
Der andere Satz, welcher die <hi rendition="#fr">Sta&#x0364;rke</hi> der Kraft be-<lb/>
trifft: <hi rendition="#fr">daß die Kraft des bewegten Ko&#x0364;rpers<lb/>
&#x017F;ich nach dem Quadrate der Ge&#x017F;chwindigkeit<lb/>
richte, folglich bey doppelter Ge&#x017F;chwindigkeit<lb/>
vier mal &#x017F;ta&#x0364;rker &#x017F;ey,</hi> hat ha&#x0364;ufige Streitigkeiten<lb/>
veranlaßt, wobey der Begriff der Kraft, &#x017F;o fern wir<lb/>
ihn von dem Gefu&#x0364;hle haben (§. 94.), nicht immer<lb/>
beybehalten worden. So viel giebt die Erfahrung,<lb/>
daß man in der Theorie der Bewegung, das Qua-<lb/>
drat der Ge&#x017F;chwindigkeit &#x017F;ehr gut gebrauchen kann,<lb/>
ohne daß man eben no&#x0364;thig habe, das Wort <hi rendition="#fr">Kraft</hi><lb/>
dabey zu gebrauchen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 96.</head><lb/>
            <p>Die mei&#x017F;ten Regeln, die man fu&#x0364;r den Stoß der<lb/>
&#x017F;o genannten ela&#x017F;ti&#x017F;chen Ko&#x0364;rper aus Ver&#x017F;uchen ge-<lb/>
funden, werden bey &#x017F;chnellern Bewegungen unzurei-<lb/>
chend. So z. E. wenn eine Kugel gegen eine offen-<lb/>
&#x017F;tehende Thu&#x0364;r geworfen wird, &#x017F;o mag &#x017F;ie die&#x017F;elbe in<lb/>
Bewegung &#x017F;etzen und etwann auch zu&#x017F;chließen. Wird<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 5</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ie</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0109] und Forderungen der Grundlehre. §. 95. Dieſen Grundſaͤtzen hat man in der Dynamic noch einige andere beygefuͤget, welche aber mehr von den phyſiſchen Erfahrungen und Verſuchen hergenommen zu ſeyn ſcheinen. Der erſte, welcher noch am leich- teſten zugegeben werden kann, iſt: daß die Kraft eines in Bewegung geſetzten Koͤrpers, ſeiner Maße proportional iſt, und dieſes nennet man die Groͤße der Kraft. Dieſes iſt uͤberhaupt betrach- tet ohne Widerrede richtig. Will man aber dieſen Satz bey dem Stoſſe der Koͤrper anwenden, ſo koͤmmt ſo gleich die Frage vor, ob der Koͤrper ſeine Figur bey dem Anſtoßen aͤndere, weil auf dieſe Aen- derung der Figur ein Theil der Kraft verwendet wird. Der andere Satz, welcher die Staͤrke der Kraft be- trifft: daß die Kraft des bewegten Koͤrpers ſich nach dem Quadrate der Geſchwindigkeit richte, folglich bey doppelter Geſchwindigkeit vier mal ſtaͤrker ſey, hat haͤufige Streitigkeiten veranlaßt, wobey der Begriff der Kraft, ſo fern wir ihn von dem Gefuͤhle haben (§. 94.), nicht immer beybehalten worden. So viel giebt die Erfahrung, daß man in der Theorie der Bewegung, das Qua- drat der Geſchwindigkeit ſehr gut gebrauchen kann, ohne daß man eben noͤthig habe, das Wort Kraft dabey zu gebrauchen. §. 96. Die meiſten Regeln, die man fuͤr den Stoß der ſo genannten elaſtiſchen Koͤrper aus Verſuchen ge- funden, werden bey ſchnellern Bewegungen unzurei- chend. So z. E. wenn eine Kugel gegen eine offen- ſtehende Thuͤr geworfen wird, ſo mag ſie dieſelbe in Bewegung ſetzen und etwann auch zuſchließen. Wird ſie E 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/109
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/109>, abgerufen am 22.12.2024.