Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 101. Die Gerichte. behörden einheitlich geregelt werden kann; die Gerichtsbezirkeentsprechen den im §. 12 cit. aufgeführten "Gerichten". Man kann daher z. B. nicht von einem Gerichtsbezirk der Civilkammer, sondern nur von einem Gerichtsbezirk des Landgerichts sprechen, während andererseits die sachliche Zuständigkeit genau genommen nicht für das Landgericht, sondern für seine verschiedenen Kammern normirt ist. So erscheinen die Gerichte, wie sie §. 12 cit. aufführt, als Sodann hat diese administrative Zusammenfassung der Gerichte Man darf daher wol behaupten, daß das gesetzgebungs- Dieser Punkt ist für das heutige Deutsche Staatsrecht von §. 101. Die Gerichte. behörden einheitlich geregelt werden kann; die Gerichtsbezirkeentſprechen den im §. 12 cit. aufgeführten „Gerichten“. Man kann daher z. B. nicht von einem Gerichtsbezirk der Civilkammer, ſondern nur von einem Gerichtsbezirk des Landgerichts ſprechen, während andererſeits die ſachliche Zuſtändigkeit genau genommen nicht für das Landgericht, ſondern für ſeine verſchiedenen Kammern normirt iſt. So erſcheinen die Gerichte, wie ſie §. 12 cit. aufführt, als Sodann hat dieſe adminiſtrative Zuſammenfaſſung der Gerichte Man darf daher wol behaupten, daß das geſetzgebungs- Dieſer Punkt iſt für das heutige Deutſche Staatsrecht von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0094" n="84"/><fw place="top" type="header">§. 101. Die Gerichte.</fw><lb/> behörden einheitlich geregelt werden kann; die <hi rendition="#g">Gerichtsbezirke</hi><lb/> entſprechen den im §. 12 cit. aufgeführten „Gerichten“. Man<lb/> kann daher z. B. nicht von einem Gerichtsbezirk der Civilkammer,<lb/> ſondern nur von einem Gerichtsbezirk des Landgerichts ſprechen,<lb/> während andererſeits die ſachliche Zuſtändigkeit genau genommen<lb/> nicht für das Landgericht, ſondern für ſeine verſchiedenen Kammern<lb/> normirt iſt.</p><lb/> <p>So erſcheinen die Gerichte, wie ſie §. 12 cit. aufführt, als<lb/> diejenigen <hi rendition="#g">Behörden</hi>, welche die ſtaatliche Gerichtsgewalt hand-<lb/> haben, und in dieſem Sinne ſagt das erwähnte Geſetz mit Recht:<lb/> „Die ordentliche ſtreitige Gerichtsbarkeit wird durch Amtsgerichte<lb/> u. ſ. w. ausgeübt.“ Hierdurch werden zugleich ſehr zahlreiche<lb/> Zweifel und Streitigkeiten hinſichtlich der Kompetenz vermieden.</p><lb/> <p>Sodann hat dieſe adminiſtrative Zuſammenfaſſung der Gerichte<lb/> den Nutzen, daß ſie eine erhebliche Erſparniß hinſichtlich der An-<lb/> zahl der erforderlichen Richter und Beamten ermöglicht, da die-<lb/> ſelben Richter und Beamten an mehreren Spruchkollegien Theil<lb/> nehmen und ſich gegenſeitig vertreten, ſowie die anderweitigen ge-<lb/> richtlichen Geſchäfte zweckmäßig unter ſich vertheilen können.</p><lb/> <p>Man darf daher wol behaupten, daß das geſetzgebungs-<lb/> politiſche und adminiſtrative Problem bei der Ordnung der Ge-<lb/> richtsverfaſſung gerade darin beſteht, die durch prozeſſualiſche Rück-<lb/> ſichten und Bedürfniſſe gebotene <hi rendition="#g">Vielgeſtaltigkeit</hi> der in den<lb/> einzelnen Prozeſſen zur Beſchlußfaſſung und Urtheilsfällung erfor-<lb/> derlichen Organe mit einer <hi rendition="#g">einfachen</hi> Gliederung der Gerichte<lb/> als Behörden zu verbinden. Je mehr nun aber die Gerichtsver-<lb/> faſſung als Behördenſyſtem ſich unterſcheidet von der Gerichtsver-<lb/> faſſung als Prozeßinſtitution, je verſchiedener das Gericht als<lb/> Staatsanſtalt von dem Gericht im Prozeßverfahren iſt, deſto größere<lb/> politiſche und juriſtiſche Bedeutung erlangt die Art und Weiſe,<lb/> wie die für den einzelnen Fall oder für die einzelnen Kategorien von<lb/> Fällen zuſtändigen Prozeßgerichte gebildet werden, auf welchem<lb/> Wege ſie aus dem Gerichte als Behörde hervorgehen.</p><lb/> <p>Dieſer Punkt iſt für das heutige Deutſche Staatsrecht von<lb/> großer Wichtigkeit. Das Reich hat einerſeits den Einzelſtaaten<lb/> eine ſehr ausgedehnte Freiheit und Selbſtſtändigkeit hinſichtlich der<lb/> Einrichtung, Dotirung und Organiſation der Gerichtsbehörden über-<lb/> laſſen und — abgeſehen natürlich von dem Reichsgericht — nur<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0094]
§. 101. Die Gerichte.
behörden einheitlich geregelt werden kann; die Gerichtsbezirke
entſprechen den im §. 12 cit. aufgeführten „Gerichten“. Man
kann daher z. B. nicht von einem Gerichtsbezirk der Civilkammer,
ſondern nur von einem Gerichtsbezirk des Landgerichts ſprechen,
während andererſeits die ſachliche Zuſtändigkeit genau genommen
nicht für das Landgericht, ſondern für ſeine verſchiedenen Kammern
normirt iſt.
So erſcheinen die Gerichte, wie ſie §. 12 cit. aufführt, als
diejenigen Behörden, welche die ſtaatliche Gerichtsgewalt hand-
haben, und in dieſem Sinne ſagt das erwähnte Geſetz mit Recht:
„Die ordentliche ſtreitige Gerichtsbarkeit wird durch Amtsgerichte
u. ſ. w. ausgeübt.“ Hierdurch werden zugleich ſehr zahlreiche
Zweifel und Streitigkeiten hinſichtlich der Kompetenz vermieden.
Sodann hat dieſe adminiſtrative Zuſammenfaſſung der Gerichte
den Nutzen, daß ſie eine erhebliche Erſparniß hinſichtlich der An-
zahl der erforderlichen Richter und Beamten ermöglicht, da die-
ſelben Richter und Beamten an mehreren Spruchkollegien Theil
nehmen und ſich gegenſeitig vertreten, ſowie die anderweitigen ge-
richtlichen Geſchäfte zweckmäßig unter ſich vertheilen können.
Man darf daher wol behaupten, daß das geſetzgebungs-
politiſche und adminiſtrative Problem bei der Ordnung der Ge-
richtsverfaſſung gerade darin beſteht, die durch prozeſſualiſche Rück-
ſichten und Bedürfniſſe gebotene Vielgeſtaltigkeit der in den
einzelnen Prozeſſen zur Beſchlußfaſſung und Urtheilsfällung erfor-
derlichen Organe mit einer einfachen Gliederung der Gerichte
als Behörden zu verbinden. Je mehr nun aber die Gerichtsver-
faſſung als Behördenſyſtem ſich unterſcheidet von der Gerichtsver-
faſſung als Prozeßinſtitution, je verſchiedener das Gericht als
Staatsanſtalt von dem Gericht im Prozeßverfahren iſt, deſto größere
politiſche und juriſtiſche Bedeutung erlangt die Art und Weiſe,
wie die für den einzelnen Fall oder für die einzelnen Kategorien von
Fällen zuſtändigen Prozeßgerichte gebildet werden, auf welchem
Wege ſie aus dem Gerichte als Behörde hervorgehen.
Dieſer Punkt iſt für das heutige Deutſche Staatsrecht von
großer Wichtigkeit. Das Reich hat einerſeits den Einzelſtaaten
eine ſehr ausgedehnte Freiheit und Selbſtſtändigkeit hinſichtlich der
Einrichtung, Dotirung und Organiſation der Gerichtsbehörden über-
laſſen und — abgeſehen natürlich von dem Reichsgericht — nur
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